
aus FAZ.NET, 23. 7. 2025 zu öffentliche Angelegenheiten
... Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte im Blick auf diese Vorfälle während seines Niedersachsen-Besuchs an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH): „Diejenigen, die aus der muslimischen Welt zu uns kommen, die herzlich willkom-men sind an unseren Universitäten, mögen bitte daran denken, dass wir ein laizisti-scher Staat sind, dass wir hier eine strikte Trennung haben zwischen Staat und Kir-che und dass wir insbesondere an unseren Hochschulen erwarten, dass gerade dort der Geist herrscht, den unsere Gesellschaft ausmacht, nämlich: Offenheit, Liberali-tät, Toleranz, auch religiöse Toleranz“. Das wolle er vor allem von denjenigen er-warten, die hier an unseren Hochschulen studieren und aus anderen Kulturkreisen, auch aus anderen Religionszugehörigkeiten kämen. „Das erwarten wir und das wer-den wir gegebenenfalls auch durchsetzen.“
Möglicherweise war der Bundeskanzler gedanklich schon beim Besuch des franzö-sischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron am darauffolgenden Tag in Berlin, als er von einem laizistischen Staat sprach. Frankreich ist ein Beispiel für einen konse-quent laizistischen Staat mit einer strikten Trennung zwischen Staat und Kirche, Deutschland aber gerade nicht. Allerdings gibt es in Deutschland auch kein Staats-kirchentum, das von der Weimarer Verfassung abgeschafft wurde. Die staatskir-chenrechtlichen Bestimmungen der Weimarer Verfassung aus dem Jahr 1919 haben die Väter des Grundgesetzes fast wörtlich in das Grundgesetz übernommen. Die sogenannten Kirchenartikel (Artikel 136 bis 139 und 141) gehören also zum älte-sten Bestand des Grundgesetzes.
Der Staat muss sich neutral verhalten
Demnach kann sich hierzulande jeder frei zu einer Religion bekennen oder auch areligiös sein. Der Staat selbst muss sich neutral verhalten und kann sich nicht mit einem bestimmten religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis identifizieren. Den Religionsgemeinschaften, ganz gleich ob christlich, jüdisch, muslimisch steht das Recht auf Selbstbestimmung zu. Das bedeutet, dass sie und nicht der Staat ent-scheiden, was im Religionsunterricht oder an den jeweiligen wissenschaftlich-the-ologischen Fakultäten der Universitäten gelehrt wird. Die Kirchen und Religions-gemeinschaften haben das Recht auf Eigentum. Außerdem haben Religionsgemein-schaften unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, sich öffentlich-rechtlich zu organisieren (Körperschaftsstatus).
Mit diesem Status sind bestimmte Rechte verbunden wie das Recht, von den Mit-gliedern Steuern zu erheben, aber auch Vorteile wie Steuer- und Gebührenbefrei-ungen. Die beiden christlichen Kirchen sind Körperschaften öffentlichen Rechts. Zu fortgesetztem Streit führt es, dass die muslimischen Denominationen keine Möglichkeiten sehen, sich kirchenförmig zu organisieren, um in den Genuss der Körperschaftsrechte zu kommen. Bisher dienen Hilfskonstruktionen wie Beiräte etwa an islamisch-theologischen Fakultäten dazu, die Selbstbestimmung der musli-mischen Religionsgemeinschaft zu gewährleisten. ...
Nota. - Na, er versteht doch, was ein Kanzler der deutschen Republik zu leisten hat! Das ist an so mancher Stelle eine Gratwanderung. Das weiß er doch selber, dass Deutschland ein lazistischer Staat noch nicht ist. Er lässt uns verstehen, dass er es für wünschenswert hält. Das ist mehr, als jeder Vorgänger sich bislang getraut hat.
Die Religionen sind bei uns nicht alle gleich. Einen Sonderstatus haben die beiden christlichen Kirchen - weil die Kirchen ein gewichtige Rolle in unserer Staatswer-dung gespielt hat und in der westlichen Kultur noch immer spielen. Dass sie öf-fentliche Körperschaften sind, trägt dem Rechnung. Dass die verschiedenen isla-mischen Gemeinschaften das nicht sind, ist juristisch dem Umstand geschuldet, dass sie... keine Kirchen sind,* was ein ausschließlich westliches Qualtitativum ist; und dadurch gerechtfertigt. Sachlich ist es dem Umstand geschuldet, dass sie für die Bildung der westlichen Kultur und für die Ausbildung unserer Staatlichkeit keine Rolle gespielt haben.** Justitia wäre dafür blind, aber unsere Verfassung ist es nicht, sie ist politisch, bevor sie juristisch ist.
Dass dagegen für die Angehörigen spezifischer Bekenntnisse ein Sonderrecht in Sachen Körperverletzung (StGB) und Menschenwürde (GG) geschaffen wurde, das ihnen die Beschneidung rechtlich unmündiger Kinder - Jungen - erlaubt, ist ein Übelstand, den Friedrich Merz nun sicher in Angriff nehmen wird.
*) was dort nicht ein Schwäche der Religion, sondern eine Schwäche des Staates ist: Beide können sich beim andern einmischen, je nach Kräfteverhältnis.
**) Der Islam ist nie ein Teil Deutschlands geworden.
PS. Er trägt zum erstenmal wirkliche Verantwortung. Dass man's ihm anmerkt, spricht für ihn.
JE
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