aus FAZ.NET, 21. 7. 2025 Hans Peter Feddersen Landschaft mit Flößen 1873 zu Geschmackssachen
Helle Farbigkeit
So schön kann der deutsche Sommer aussehen
Eine
Ausstellung in Schwerin zeigt Impressionisten der Weimarer Malerschule,
die den neuen Stil als erste in Deutschland rezipierten.
Christian Rohlfs, Sohn eines besitzlosen norddeutschen Kleinbauern, war als Kind vom Baum gefallen. Jahrelang lag er deswegen im Krankenbett, ein Bein musste ihm amputiert werden. Als Maler hatte er den größten Teil seines Lebens keinen Erfolg, er litt an Hunger und schlief auf Stroh. Aber als er das erste Mal Gemälde von französischen Impressionisten sah – drei Werke Claude Monets –, war er tief bewegt. „Die helle Farbigkeit war mir völlig neu“, schrieb er später. In der Folge zog es auch ihn hinaus in die Landschaft. Die Konturen in seinen Bildern lösten sich langsam auf, die Szenerie wurde auf das Wesentliche reduziert, die Dinge begannen von ihnen her zu leuchten.
Die Bilder Monets wurden im Jahr 1889 an der Weimarer Malerschule gezeigt. Zuvor waren Werke von Impressionisten in Deutschland kaum bekannt. Wenn man sie zeigte, wurden sie meist negativ aufgenommen. Die Weimarer Künstler aber beeinflussten die Bilder massiv. An der dortigen Malerschule wurde früher als andernorts in Deutschland der Impressionismus rezipiert und ins eigene Schaffen umgesetzt. Weimar war für kurze Zeit das Zentrum des deutschen Impressionismus, und Rohlfs hatte daran großen Anteil.
Waren die Künstler zuvor vor allem in der Historien- und Genremalerei tätig gewesen, drängten sie nun hinaus ins Freie und ließen ihren Empfindungen freien Lauf. Viele malten zu jeder Tageszeit und bei jedem Wetter. Sie kamen danach durchgefroren, aber glücklich zurück ins Atelier. Dieser „Entdeckung der Natur“ widmet sich nun noch bis zum 24. August eine sehenswerte Ausstellung im Kulturforum in Schwerin. Gezeigt werden Bilder unter anderem der Rasmusstiftung Hamburg, gegründet von Jürgen Rasmus, wie sein Vater Kurt ein Hamburger Unternehmer und leidenschaftlicher Kunstsammler. Schwerpunkt der Sammeltätigkeit lag der Familiengeschichte wegen auf norddeutschen Künstlern, und von diesen lernten damals viele in Weimar.

Die Künstler machten Studienfahrten in die Umgebung, nach Eisenach, Dresden, seltener auch einmal nach Holland oder gar in die Toskana. Eher malten sie in den Steinbrüchen der Umgebung Weimars. Viele hielten ihre Heimat fest. Kein Motiv war ihnen zu gering: Ansammlungen karger Häuser, Bäume im Schnee, ein Kohlacker, eine Baugrube. Meist bilden die flachen und weiten norddeutschen Landschaften den Rahmen. Oft auch das Wasser. So wie bei Andreas Dirks, Sohn eines Schiffskapitäns, auf Sylt geboren. Der hatte sogar einen eigenen Kutter, mit dem er das Wattenmeer durchquerte und die kleinen Häfen und Segelboote festhielt. Oder wie bei Paul Baum, Sohn eines Elbdampfer-Kapitäns, der vielfach Flusslandschaften, verschneite Seen und Moore malte.
Hatten zu Beginn ihrer Schaffenszeit meist Stillleben, teils auch Bilder der Antike im Stile des Realismus gestanden, widmeten sie sich später meist nur noch der Natur. Von Rohlfs etwa finden sich aus seiner frühen Zeit im Ausstellungskatalog das düstere Bild eines leerstehenden Dachbodens, ganz naturalistisch gehalten, oder auch das Stillleben einer Büste mit Mandoline. Der Impressionismus muss für Rohlfs wie für viele seiner Kollegen eine Befreiung gewesen sein. Raus in die Natur, und das eigene Empfinden davon auf der Leinwand festhalten. Als Erster in Weimar arbeitete Rohlfs mit der Spachtel.
Auch bei Paul Baum war der Impressionismus eine Art Erweckung. Jahrelang konnte er kaum von seiner Arbeit als Künstler leben. 1890 verkaufte er ein Gemälde an den Dresdner Kunstverein, von dem Geld konnte er nach Paris reisen. Endlich stehe er am Ziel seiner Wünsche, schrieb Baum an einen Freund. Beeindruckt von den Werken der Impressionisten, änderte er seinen Stil. Plötzlich flimmerte auch bei ihm das Licht, stand die Atmosphäre im Vordergrund, wurde der Pinselstrich luftig, unverkennbar orientiert am Stil Camille Pissarros.
Das Kunstschaffen geschehe aus innerstem Instinkt, der Verstand habe nur die Rolle des Hausknechts und müsse jene Gäste hinauswerfen, die sich allzu laut und ungebührlich benehmen, antwortete Rohlfs einmal, als er von einem Kunsthistoriker um eine Erklärung seiner Kunst gebeten worden war. Er weigerte sich, diese abzugeben, weil er die „vielen schlimmen Auslassungen über Kunst“ nicht um eine weitere vermehren wollte. Bei einer Betrachtung eines Kunstwerks seien „alle Erklärungen überflüssig, ja irreführend, da das Wesentliche doch nicht erklärt wird“.
Nota. - Das obere Bild ist ja sehr gut gemacht, aber vor allem: sehr gemacht. Statt eines Eindrucks erkenne ich eine Manier, und spitze Zungen würden sagen: Kitsch. Doch immerhin ist es gleichzeitig mit der ersten impressionistischen Welle enstanden.
Das zweite Bild stammt dagegen aus der Zeit ihres letzten Rinnsals, des "wissenschaftlichen Impressionismus" von Seurat und Signac, dem Pissaro unglücklicherweise zeitweilig auch gehuldigt und sich dabei den Geschmack verdorben hat; 1900 war er freilich schon wieder davon abgekommen, aber ganz genesen ist er nie. Paul Baum wurde später lockerer, aber mehr expressiv als impressionell.
JE
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