uwe bachen aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Die Begrenztheit, von der hier die
Rede ist, ist der Denkzwang, etwas gerade so und nicht anders
vorzustellen. Ich kann kein Ding außer mir bemerken, ohne mich selbst zu
bemer-ken als bemerkend. Aber dass ich mich bemerke, hängt davon ab,
dass ich ein Ding außer mir bemerke, weil ich dadurch beschränkt werde.
Kein Ich ohne NichtIch und um gekehrt.
Die Anschauung beider steht also in
Wechselwirkung, eine ist nicht möglich ohne die ande-re; die eben
aufgestellte Wechselwirkung dauert immer fort, wird nur weiter bestimmt.
Hier ist die oben unbeantwortet gebliebene Frage beantwortet: Wie kann
das Ich in der Anschau-ung sich selbst fühlen? Antwort: in wiefern es
gezwungen, beschränkt ist.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 93
Nota. - Der Denkzwang ist: sich fortwährend weiterbestimmen zu müssen. So wird es immer enger für das Ich wie für das Nichtich.
JE, 4. 2. 15
Transzendentaler Denkzwang
Ich kann eine Kneifzange nur ihrer Bestimmung gemäß gebrauchen, indem ich sie - ihrer Bestimmung gemäß gebrauche.
Ich
kann sie allerdings anders als ihrer Bestimmung nach gebrauchen; ins
Wasser werfen, Briefe damit beschweren, einen Nagel in die Wand
klopfen. Doch dann wird sie nicht den Dienst tun, für den sie bestimmt
war - einen Draht durchkneifen, einen Nagel aus der Wand ziehen, ein
Stück Holz abbrechen.
Die
Bestimmung - das Noumenale - ist mit ihrer sinnlichen Gestalt - dem
Phänomenalen - bereits synthetisiert, ihr Zweck ist nicht mehr
'gemeint', sondern in sie hineinkonstruiert. Er wird sich in ihrer
sinnlichen Gestalt geltend machen.
Nicht anders ist es mit unseren Denkgesetzen. Ich kann mir vorstellen,
was und wie ich will. Aber die Begriffe und die Schlussregeln so
benutzen, dass sie dem Zweck dienen, für den sie erschaffen wurden, kann
ich nur, indem ich sie so benutze, dass sie ihrem Zweck dienen. Das
scheint nur darum mysteriös, weil es tautologisch ist und keinen Grund hat als sich selbst.
29. 7. 18
In der Erfahrung findet Denkzwang statt
aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
In der Erfahrung findet Denkzwang statt, die Dinge so aufzufassen.
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J. G. Fichte,Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 94
Nota. - Erfahrung
ist eine Sache der Sinnlichkeit. Ein Teil der Einbildungskraft bleibt -
an einem Punkt A - gewissermaßen am Gegenstand hängen, der sie
"beschränkt" durch ein Gefühl, und wird dadurch zu realer Tätigkeit.
Ein weiterer Anteil der verbliebenen freien Einbildungskraft wendet
sich aus eignem Entschluss auf das Gefühl der eben in A gesche-henen
Beschränkung - und beschränkt sich selbst: Dies ist die ideale Tätigkeit der Reflexion. So ist der Weg der Erfahrung. In A findet Denkzwang statt und hat die Freiheit der Einbil-dungskraft ein Ende. Der verbliebene freie Anteil der Einbildungskraft geht fort ins Unend-liche.
20. 4. 18
Nota II. - Was frei von Erfahrung ist, kann sich einbilden, was immer ihm einfällt. Wer es der Reihe der vernünftigen Wesen mitteilen will, wird darauf - reflektieren
müssen. Hat es einen Widerstand des Gegenstand nicht überwinden müssen,
kann es auf Phänomenalität keinen Anspruch erheben und muss bloßes Noumenon bleiben. Begegnet es einem Denk-zwang eigener Art?
JE , 29. 6. 20
Verbürgt uns der Denkzwang die Wahrheit des Denkens?
aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Der vorgestrige Eintrag, wonach im Denkzwang,
in wiefern er dem freien Vorstellen einen Widerstand entgegensetzt,
reale und ideale Tätigkeit nicht unterschieden werden können, erscheint
maßlos trivial: Dann verbürgte
uns das geordnete Denken Wirklichkeit und Wahrheit der Welt - schlicht
und einfach so, wie es sich der gesunde Menschenverstand immer
vorgestellt hat. Kants Kopernikanische Wende wäre ganz überflüssig
gewesen.
Das ist natürlich Unfug. Denn auch die 'reale' Tätigkeit ist nichts anderes als Vorstellung. Weshalb es uns so scheinen muss, als ob der uns durch ein Gefühl
verbürgte Gegenstand auch außerhalb unserer Vorstellung 'da' sei,
wollte die Wissenschaftslehre erklären und hat sie erklärt. Dass das
Vorstellen nicht gegen die von ihm durch das Vorstellen selbst
gege-benen Regeln verstoßen kann, ist dazu nur ein logisches Korrelat
ohne eigenen sachlichen Gehalt. Wäre es anders, herrschte in unsern
Köpfen alleweil Karneval in Rio, und keine zwei Leute könnten ein
vernünftiges Wort miteinander wechseln.
Von irgendwas muss die
Philosophie ausgehen, und seien es auch nur die historischen Tatsachen.
Den unvermeidlich dem gesunden Menschenverstand unterlaufenden
dogma-tischen Fehlschluss kann sie erklären, aber nicht verhindern.
23. 1. 19
Ist der Denkzwang real oder ideal?
aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Sein sei bloße Widerständigkeit, habe ich, meinem Kronzeugen folgend, geschrieben.
Wie ist das nun aber
mit den Geltungen? Sind sie oder sind sie nicht? Sie seien zwar nicht
ganz real, aber 'einfach garnix' seien sie doch eben auch nicht,
schreibt Hegel in der Einlei-tung zur Phänomenologie.
Die Probe aufs Exempel ist einfach die, ob sie meiner Tätigkeit - idealen oder realen, gleichviel - einen Widerstand entgegensetzen. Die Geltungen sind ja rein ideal, doch sie würden real, indem... sie meiner Tätigkeit einen Widerstand entgegensetzten. Das aber tun sie im Denkzwang: Sie setzen meinem freien Vorstellen einen Widerstand entgegen, als ob sie real wären.
Einerseits andererseits, zwar aber.
21. 1. 19
Indiziert der Denkzwang ein 'An sich' der Vernunft?
aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Das eigentliche Mysterium, das Fichte immer wieder mal umschleicht, aber nie wirklich aufs Korn nimmt, ist das Faktum des 'Denkzwangs': Ich kann nicht anders denken als dass zwei mal zwei vier ist - ob ich nun mit Äpfeln rechne oder ein ausgefeiltes arithmetisches System habe. Es ist dieses Faktum, das seine Vernunft schwankend macht und den Gedanken, dass der Mensch seine Vernunft selber mache, an die Annahme verrät, dass die Vernuft 'da' war, bevor je ein Mensch gedacht hat.
Ich kann mich freilich
Wahnvorstellungen hingeben, und dann ist zwei mal zwei womög-lich
fünfunddreißig. Doch dann ist jede Art von Verkehr in einer 'Reihe vernünftiger Wesen'
abgeschnitten. Der ist allerdings die Nagelprobe auf die Vernünftigkeit
meines Vorstellens, und wenn ich vernünftig bleiben will, dann geht's nur so.
Mysteriös bleibt es.
Man kann es sich vielleicht so erläutern, dass das Ensemble meiner
Vorstellungen zu einem System gefügt ist, das auf Prämissen ruht, die
aufeinander gebaut sind; Bilder, die im Innern unbestimmt bleiben,
aber nach außen hin Anderes ausschließen. In der Wissenschaftslehre ist
das transzendental dargestellt, 'so, als ob' das allezeit und immer
wieder aufs Neue geschähe; genauer gesagt, jenseits der Zeit.
Etwas, das in der Zeit geschieht, sich aber nicht in der Zeit darstellen
lässt. Ein solches ist auch Gegenstand der Hirnphysiologie. Das
Geschehen im Gehirn wird systemisch aufge-fasst, nicht kausal, wo eines
auf das andere folgt. Das unterscheidet es vom diskursiven, logischen
Denken; oder besser, das unterscheidet das logisch-diskursive Denken von
ihm. Aber nicht nur dies. Der Hauptunterschied ist: Wenn auch die
Hirnphysiologie in ihrer Betrachtung systemisch verfährt, so betrachtet
sie doch immer nur die Form der Verknüp-fungen, die Form der Weitergabe,
und womöglich die formalen Alterationen, die das Wei-tergegeben durch das
Weitergeben erfährt. Nicht aber das, was weitergegeben wird.
Wie ist es möglich,
dass aus einer Vorstellung - die ja kein eingegrenzter Begriff, sondern
ein unbestimmtes Bild ist - nur diese andere, aber nicht irgendeine
beliebige Vorstellung folgen kann? Eben dadurch, dass die mitein- ander
verkehrende 'Reihe vernünftiger Wesen' nicht in Vorstellungen
miteinander verkehrt - die sich, weil sie nicht bestimmt eingegrenzt
sind, nicht diskursiv verknüpfen lassen -, sondern sie zum Behuf der
Weitergabe (und schon, um während des Sprechens nicht zu vergessen, was
man sagen wollte) eben be-stimmen muss: zu Begriffen, die sie begreifen können, und die mir erlauben, meine Vor-stellungen zu behalten und zu einander zu ordnen.
Behalten und ordnen,
das ist, unabhängig von dem jeweils Gemeinten (Vorgestellten), das, was
der allgemeine Verkehr Aller miteinander auf jeden Fall ebenfalls
besorgt, unabhängig von den verfolgten Zwecken im jeweiligen Augenblick.
Erst das Ordnen macht das Behal-ten reell, denn was man nicht
wiederfindet, hat man verloren. Aber das ordnen ist zugleich die Probe
darauf, ob die in Begriffen aufbewahrten Vorstellungen zu einander
passen oder nicht.
Da kann man sich irren.
Nämlich wenn man bei den Begriffen vorzüglich auf die Form-seite
absieht. Dann kann es passieren, dass sich Vorstellungen, die einander
in Herkunft und Absicht ganz fremd sind, doch ähnlich sehen. Und dass
Vorstellungen, von denen eine auf der andern beruht oder die sogar
einander bedingen, so aussehen, als hätten sie gar nichts miteinander zu
tun. Etwa könnte man Freiheit so definieren, dass sie mit Willen gar
nichts zu tun hat, und Willen so, dass man ohne Freiheit wollen könnte
(z.B. Schopenhauer).
Am Anfang Freiheit -
als Schluss das Absolute/Zweck der Zwecke! Kann man (sollte man nicht)
jedes für sich definieren: als "Begriff"? Es sind aber Ideen,
'unbestimmbare Vorstel-lungen', die nur miteinander einen Sinn haben:
wenn ich das Absolute - Zweck der Zwecke - nicht aus Freiheit wählen könnte, wenn es mir als ein Zuwählendes vorgegeben wäre, dann würde es ein Objektives; eines, das ich für mich verantwortlich machen kann; eines, um des-sentwillen ich meine Freiheit hintergehen kann. Aber dann wäre es nicht absolut, sondern bedingt.
*
Dem Denkzwang bin ich auch nicht näher gekommen.
irgendwann Ende 2016
Aber
warum Anschauung ohne Begriff blind ist; warum nicht Begreifen der
'zweite Schritt' des Erkennens ist, sondern der 'erste', die Anschauung,
durch den 'zweiten' überhaupt erst wirklich wird; weshalb also
Einbilden ohne Kritik so gut wie 'gar nicht stattgefunden hat' - das wird ein wenig deutlicher.
9. 5. 18
Inzwischen - September '18 - bin ich dem Denkzwang nahegekommen, nämlich dem, was Fichte sich darunter vorstellt; und zwar, gewissemßen als Erleuchtung - vor der Philosophie: Es ist die (ästhetische) Anschauung der ewigen Wahrhheit, die der Vernunft als Quell zu Grunde liegt (und der sie womöglich als ihrem Ziel entgegenströmt?).
Wahrheit im Denkzwang?
aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Aber bin ich gezwungen, die Dinge so zu denken?
Ich kann von ihnen abstrahieren oder ich kann sie auch anders denken,
also findet kein Denkzwang statt. Aber dann stelle ich das Ding nicht
der Wahrheit gemäß dar; aber soll meine Vorstellung dem Dinge gemäß
sein, so findet Denkzwang statt. Aber was ist denn das für eine
Wahrheit, an die meine Vorstellung gehalten werden soll?
Es ist die Frage nach
der Realität, die wir der Vorstellung zu Grunde legen. Unser eigenes
Sein in praktischer Hinsicht ist die Wahrheit, es ist das unmittelbar
Bestimmte, wovon sich weiter kein Grund angeben lässt. Dieses unser
eigenes Sein deuten wir durch ein Ding außer uns; dieses Ding außer uns
ist seiner Wahrheit gemäß dargestellt, wenn es auf ein inneres Sein
deutet. Aus einem Quantum Beschränktheit in mir folgt diese oder jene Be-schränktheit außer mir.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 97
Nota. - Was ist Wahrheit? Unser eigenes Sein - und zwar in praktischer Hinsicht - ist die Wahrheit. In praktischer Hinsicht heißt: in Bestimmung zu... Wozu
ist mein Sein praktisch bestimmt? Zu unendlichem Übergehen vom
Unbestimmten zum Bestimmten; bestimmt zu unendlichem Bestimmen. Nicht
meine Bestimmtheit ist mithin die Wahrheit meines Seins, sondern das Übergehen.
Das dürfte nun wohl als Kernsatz der Wissenschaftslehre gelten - wenn nämlich einer so unklug wäre, sie lehren zu wollen.
In Hinblick auf das Gefühl - im folgenden Absatz kommt er darauf zurück - erhellt schon-mal dies: Ein Denkzwang und das entprechende Gefühl, genötigt zu sein, stellt sich nur ein, wenn ich den Vorsatz gefasst
habe, 'wahr' zu denken. Aber den kann ich nur aus Freiheit fassen. Ein
'Leiden', ein Gefühl des Gezwungenseins kommt nur vor unter Bedingung
eines vorausgegangenen Akts der Freiheit.
Das ist nun ganz etwas
anderes als das sinnliche Fühlen, von dem zuvor stets die Rede war. Er wird an Stelle der Anschauung des einzelnen Gefühls bei diesem bestimmten Denkakt den gesamten Zustand
des ganzen artikulierten Organismus ins Spiel bringen müssen. Die
Scheidung von sinnlich und intelligibel ginge verloren; nicht aber die
von real und ideal.
JE 25. 10 18
Einen Denkzwang gibt es nur für die Reflexion
aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Einen Denkzwang gibt es nur für die Reflexion.
Das ist eine Tautologie, denn Denken in specie ist Reflexion. Das lebendige Vorstellen - re-ale Tätigkeit, wie Fichte sagt - kennt noch gar keinen Gegenstand: Den setzt es ja erst. Mit der Anschauung beginnt das Bestimmen als dieser: nämlich das Beziehen auf den Zweckbe-griff. Das Beziehen auf den Zweckbegriff ist - Reflektieren. Es muss nämlich geurteilt wer-den: Welchen Widerstand setzt der Gegenstand meinem zweckmäßigen Handeln entgegen? Das ist zugleich das Fortbestimmen meines Zweckbegriffs am Gegenstand. Und jetzt mel-det sich mancherlei Zwang.
24. 1. 19
"Denkzwang" - ein Scheinproblem
aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Ja, ich glaube, Fichte hat mit der Gleichsetzung des 'Denkzwangs' mit dem sinnlichen Gefühl ein krummes Ding gedreht. Es war aber systematisch ganz überflüssig. Das Ma-terielle dem Geistigen assimilieren oder - in diesem Fall - umgekehrt, ist nur nötig in einem System, wo sie vorab dogmatisch unterschieden waren, aber gerade das ist in der Wissen-schaftslehre ja nicht der Fall. Da geht es von Anfang bis Ende nur um die Vorstellungen von diesem oder jenem. Da mag man unterscheiden, welche Vorstellung notwendig, welche durch Freiheit möglich, oder welche auch ganz überflüssig ist; welche beanspruchen darf, sich auf ein Objekt außer ihr zu beziehen, und welche selber nur wieder auf Vorstellungen geht. Und so weiter. Objektivität, Notwendigkeit: denen entspricht 'Denkzwang'.
'Gefühl' wurde erfordert, damit etwas als Etwas angeschaut werden könne, angeschaut werden muss es, wenn darauf reflektiert werden soll; besser gesagt, das Anschauen ist das Reflektieren: das Fassen als Begriff.
Um dies alle geht es hier aber gar nicht.
Hier geht es um die Auffassung des wirklichen Ich als Zustand. Ein Gesamtzustand ist ge-meint, in den alle Gefühle eingehen und auf den jedes einzelne Gefühl bezogen wird. Es ist aber nicht nötig, den Gesamtzustand nur als aus Gefühlen zusammengesetzt aufzufassen. Man bräuchte ihn nur etwas weiter zu definieren, um den 'Denkzwang' darin unterzubrin-gen. Doch wozu könnte das gut sein? Das wäre eine metaphysische Frage einer am Rande stehenden höheren Intelligenz, die wissen will: "Woraus setzt sich der Gesamtzustand zu-sammen?" Hier war nur zu setzen, dass er ist; zu bestimmen, was er ist, hat die Transzen-dentalphilosophie nicht mehr.
Es ist vielmehr, wenn es nicht Sache der empirischen Psychologie ist, eine Sache der Hirn-forschung. Physiologisch, d. h. entweder am Ort oder an der individuellen Tätigkeitsweise der Neuronen, lässt sich dieses von jenem Merken gar nicht unterscheiden; die bildgeben-den Verfahren erlauben nur, einen neuronalen Vorgang an dieser Stelle im Gehirn mit je-nem Vorgang im übrigen Organismus zu korrelieren. Alles weitere ist Sache der Erfahrung und der Interpretation. In der Tat: Das Gehirn ist ein System, seine Wirklichkeit ist Zu-stand. Nur im Labor lässt sich Dieses von Jenem isolieren.
Fichte hat gut daran getan, sich auf dieses Terrain nicht zu begeben. Davon konnte er nichts wissen, und als Transzendentalsphilosoph musste er davon nicht wissen.
Das intellektuelle Gefühl - eine bedingte Notwendigkeit.
Es ist klar, daß dieses Gefühl nur mein Denken begleitet und nicht
eintritt ohne dieses. – Daß das Gefühl eine Wahrheit geben solle, ist
unmöglich und würde keinen Sinn haben. Es, dieses Gefühl der Gewißheit
und Wahrheit, begleitet nur ein gewisses Denken.
Es
ist klar, daß, wenn ein solches Denken die Bedingung der Vernünftigkeit
selbst ist und das Gefühl der Gewißheit unabtrennlich einfaßt, alle
Menschen über dieses Gefühl über-einkommen müssen und es jedem anzumuten
ist, wenn es ihm auch nicht anzudemon-strieren wäre, welches in Absicht
des Unmittelbaren überhaupt nirgends stattfindet.
Es ist dieses Gefühl ein intellektuelles Gefühl.
Es ist dies der Grund aller Gewißheit, aller Realität, aller Objektivität.
Das
Objekt ist ja nicht durch die sinnlichen Gefühle: denn auch diese sind
nur Prädikate desselben, die schon ein Objekt, schon eine Erfassung
dessen, was eigentlich nur subjective [sic] ist, voraussetzen. Es ist durch das Denken. – Drum ist dieses nicht ein bloßes Denken. Woher das
in ihm entsprechende [sic]? Aus dem intellektuellen Gefühle. .../
Es begleitet das Denken, daß zu der Realisation des durch unsere
moralische Natur uns gesetzten Zweck[es] der absoluten Selbstständigkeit der
Vernunft Annäherung möglich sei, und daß die pflichtmäßige Erfüllung
unsrer Schuldigkeit in unsrer Lage, lediglich um der Pflicht willen,
Bedingung der Annäherung sei.
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J. G. Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 147/149]
Nota. -
Unsere moralische Natur ist selbst nichts anderes der Zweck der
absoluten Selbst-ständigkeit der Vernunft, und 'gesetzt' hat ihn sich das
Ich, indem es sich selbst gesetzt hat. Der Denkzwang ist nichts anderes als die Einsicht: Wenn es [bei der absoluten Selbsständigkeit] bleiben soll, dann muss ich [den folgenden Schritt tun...]. Die Notwendigkeit dieses Denkens ist durch mein absolutes Anfangen bedingt. Nicht formallogisch ist es notwendig (weil), son-dern sachlogisch (damit).
JE, 20. 6. 18
Der empirische und der noumenale Denkzwang.
Der pp. Denkzwang gebietet nicht kausal: 'Weil' dieses so ist, 'darum' musst du es so vor-stellen. Sondern problematisch: 'Wenn' du mit einem Ding in Raum und Zeit etwas anfan-gen willst, 'dann' musst du es so machen, sonst kommst du nicht voran. Man kann allezeit darauf verzichten, dieses oder jenes zu tun. Dann muss man gar nichts tun, und gibt es keinen Denkzwang.
Ein Noumenon ist nicht in Raum und Zeit, es ist lediglich ein Gedankending. Du kannst es denken und kannst es bleiben lassen; aus Freiheit. Ein Gedankending - das heißt, es wurde gedacht; von einem, und zwar so oder so. Du könntest es selbst gedacht haben. Doch 'wenn' du es so denken willst - wenn du verstehen willst -, wie es vorab gedacht wurde, 'dann' musst du es so anfangen. Dieser Zwang ist bedingt durch Freiheit: Du kannst wollen - dann musst du; oder du willst nicht, dann kannst du's bleiben lassen. Dann könntest du dir stattdessen etwas anderes - vielleicht nur ein klein bisschen anderes - denken, mit dem du dann etwas anderes - vielleicht nur ein klein bisschen anderes - anfangen kannst. Deine Freiheit war bedingt, und die Bedingung hast du ausgeschlagen.
Nota. - Auch im Denken kann man etwas anfangen.
21. 12. 23
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