Samstag, 5. Juli 2025

Impressionisten in Köln.

 Ein Einzelgänger, kein Impressionist: Odilon Redons „Fischerboote. Erinnerung an Venedig“, entstanden um 1908.
aus FAZ.NET, 3. 7. 2025         Odilon Redon  Fischerboote. Erinnerung an Venedig, um 1908            zu Geschmackssachen

Impressionisten in Köln:
Der Wind, der die Bettlaken bläht 
Corot, Cézanne, Renoir und Pissarro: Das Wallraf-Richartz-Museum & Foundation Courbot in Köln zeigt eine der bedeutendsten Privatsammlungen des französischen Impressionismus aus der Schweizer Villa Langmatt. 

Vier von fünf Bürgern der Schweizer Gemeinde Baden haben vor etwa zwei Jahren dafür gestimmt, die Sanierung einer ehemaligen Industriellenvilla mit mehr als zehn Millionen Franken aus der Gemeindekasse zu unterstützen. Für eine Kommune mit gerade einmal 24.000 Einwohnern ist das eine beträchtliche Summe – und ein bemerkenswertes Abstimmungsergebnis. Aber offenbar wissen die Badener zu schätzen, dass die Villa Langmatt zusammen mit dem Villenensemble des Museums Rietberg im Zürcher Rieterpark zu den wohl schönsten Ausstellungsarealen der gesamten Schweiz gehört. Dass die Sammlung, die sie beherbergt, eine der bedeutendsten Privatkollektionen französischer Impressionisten in ganz Europa ist, steht ohnehin außer Frage.

Es ging ihnen nicht um Prestige und Profit

Etwa fünfzig Werke des französischen Impressionismus hat das Sammlerpaar Jenny und Sidney Brown im Laufe einiger Jahrzehnte erworben, darunter Gemälde von Boudin, Bonnard, Cassatt, Cézanne, Degas, Gauguin, Monet, Renoir, Pissaro und Sisley. Vom ersten Ankauf während der Hochzeitsreise nach Paris im Jahr 1896 bis zu den letzten Erwerbungen etwa vierzig Jahre später, entstand so eine Sammlung, die bei höchster Qualität erkennbar nicht auf Repräsentation oder zur Schau gestellte Kennerschaft aus war.

Hier ging es nicht um gesellschaftliches Prestige oder hochprofitable Kunstmarktspekulationen, denn das Ehepaar Brown erwarb etwa vierzig ihrer fünfzig Impressionisten zwischen 1908 und 1919, als der Impressionismus noch heftig umstritten war und oft genug entschiedene Ablehnung erfuhr. In einem Brief von 1910 schrieb Jenny Brown: „Wir sitzen jeden Abend vor den Impressionisten im Atelier, da wir sie noch nicht hinunter zu transportieren wagten, allzu viele Fragen von den Bekannten fürchtend.“

Das erste Werk Cézannes, das seinen Weg in die Schweiz fand: „Pfirsiche, Karaffe und Person“, um 1900.
Das erste Werk Cézannes, das seinen Weg in die Schweiz fand: „Pfirsiche, Karaffe und Person“, um 1900. 

Jenny und Sidney Brown kauften Kunstwerke, die ihnen gefielen und mit denen sie leben wollten. Bis heute gehört es zu den Besonderheiten des Museums Langmatt, dass es die seltene Gelegenheit bietet, eine Kollektion von solcher Bedeutung in den privaten Lebenszusammenhängen ihrer Besitzer zu erleben. So zeigen historische Fotografien das intime Zusammenleben der Sammler mit ihrer Kollektion, wenn sich etwa auf einer um 1930 entstandene Aufnahme des Arbeitszimmer von Sidney Brown gleich sechs Renoirs an einer einzigen Wand über einem halbhohen Bücher- und Aktenregal zusammendrängen. Jenny Brown in einem Brief aus dem Jahr 1911: „Unsere größte Freude ist es, täglich schnell zu unseren Impressionisten zu gehen.“

Doch zur Zeit, während die Sanierungsarbeiten in der Villa Langmatt in Baden fortschreiten, befinden sich die Impressionisten und einige ihrer Vorläufer auf Reisen. Nach einer ersten Station in Lausanne sind sie nun erstmals außerhalb der Schweiz zu sehen: gerade gastieren sie in Köln, und danach, von September bis Februar 2026, werden sie in der Galerie Belvedere in Wien zu sehen sein. In Köln treffen die „Schweizer Schätze aus dem Museum Langmatt“, die der Ausstellungstitel ankündigt, auf die gleichfalls exquisite Kollektion eines anderen Schweizer Sammlers: Gerard Corboud, der in diesem Jahr hundert geworden wäre, hat die 170 Werke seiner Sammlung, darunter herausragende Werke französischer Impressionisten, im Jahr 2001 als „ewige Dauerleihgabe“ dem Kölner Museum anvertraut, das seitdem den Namen Wallraf-Richartz-Museum & Foundation Corboud trägt.

Ein entschiedener Verfechter der Pleinairmalerei: Eugéne Boudins „Trouville, Strandszene“ aus dem Jahr 1880.
Ein entschiedener Verfechter der Pleinairmalerei: Eugéne Boudins „Trouville, Strandszene“ aus dem Jahr 1880. 

Kuratorin Bärbel Schaefer und ihr Team haben in neun Räumen zehn Themen versammelt. Nach historischen Aufnahmen der Villa Langmatt, die teilweise in wandfüllender Vergrößerung gezeigt werden, sind zunächst dreizehn Veduten Venedigs zu sehen, die vermutlich von Apollonio Facchinetti stammen, genannt Domenichini. Sie gehören zu den frühesten Erwerbungen der Browns und weisen mit ihrem Zusammenspiel von Licht, Farbe und Atmosphäre voraus auf die Aura der Impressionisten und ihrer Vorlieben. Flankiert werden sie von Kölner Federzeichnungen und Veduten von Francesco Guardi.

Dann folgen mit Camille Corot und Monets Mentor Eugène Boudin zwei Wegbereiter des Impressionismus. Boudin, ein entschiedener Verfechter der Pleinairmalerei, überrascht vor allem in den Strandszenen von Trouville mit spontaner, geradezu skizzenhafter Leichtigkeit. Man meint den Wind zu spüren, der im übernächsten Saal, auf Caillebottes grandiosem Gemälde „Trocknende Wäsche am Ufer der Seine“ (um 1892) die Bettlaken bläht. Für Gauguin, Renoir, Signac, Monet oder die großartige Berthe Morisot waren die Flusslandschaften der Seine, die bereits um 1860 leicht mit der Eisenbahn zu erreichen waren, beliebte Sujets, während Camille Pissarro bäuerliche Motive bevorzugte.

Die Entdeckung der Seine durch die Impressionisten: „Trocknende Wäsche am Ufer der Seine (Petit Gennevilliers)“ von Gustave Caillebotte, um 1892.
Die Entdeckung der Seine durch die Impressionisten: „Trocknende Wäsche am Ufer der Seine (Petit Gennevilliers)“ von Gustave Caillebotte, um 1892

Der Maler hatte die ehemalige Küchenmagd seiner bürgerlichen Eltern geheiratet und führte das Leben eines Non-Konformisten, stets in Geldnot, Konventionen und Hierarchien ablehnend, nur seinen politischen und künstlerischen Überzeugungen verpflichtet. Herausragend ist das um 1877 entstandene Porträt seiner Frau: „Julie Pissarro beim Erbsenschälen“.

Jenny und Sidney Brown tauschten den Grundstock ihrer Sammlung, der aus Werken der Münchner Sezession bestanden hatte, zügig gegen französische Meisterwerke aus, brachten mit dem Stillleben „Pfirsich, Karaffe und Person“ (um 1900) den ersten Cézanne in die Schweiz, und kauften Renoir, Renoir, Renoir: Stillleben wie „Die Fische“ von 1911, Genrestücke wie „Die Lektüre“ (um 1917/18), Aktgemälde wie den süßlichen „Akt in Landschaft“ (um 1889) und immer wieder Bildnisse von Kindern, wie etwas das „Bildnis Pierre Renoir“ von 1890.

Die drei Söhne der Browns, die vermutlich zeitlebens unter der Strenge ihrer Mutter gelitten haben dürften, starben kinderlos. Sydney Hamlet und Harry waren homosexuell, und John heiratete seine langjährige Lebensgefährtin Andrée Marthe erst nach dem Tod der Mutter, die 1968 starb und aus Standesdünkel gegen die Verbindung war. Zum Zeitpunkt der Eheschließung war er 69 Jahre alt, und sie 58. Zehn Jahre später regelte er seinen Nachlass, beschloss die Schenkung von Sammlung, Villa und Park an die Stadt Baden, die jedoch an die Gründung einer Stiftung gebunden war. Stiftungszweck ist es, das Andenken an Jenny und Sidney Brown zu bewahren und die Impressionistensammlung zu erhalten.

Doch als sich im Laufe der Jahre immer deutlicher zeigte, dass die Stiftungsmittel nicht ausreichten, griff der Stiftungsrat zu einer rabiaten, aber lebensrettenden Maßnahme: Im November 2023 wurden in New York drei Cézannes versteigert, die zusammen etwas mehr als vierzig Millionen Franken einbrachten, die vollständig ins Stiftungsvermögen einflossen. Für die nächsten Jahrzehnte dürften die impressionistischen Schätze der Villa Langmatt somit gesichert sein.

Schweizer Schätze aus dem Museum Langmatt. Wallraf-Richartz-Museum & Foundation Corboud in Köln; bis 27. Juli. Der Katalog kostet 32 Euro. Ab 25. September unter dem Titel „Cézanne, Monet, Renoir“ im Belvedere in Wien.
 
 
Nota. - Ausstellungen und Museen brauchen Titel und Überschriften, damit man sie nicht mit andern verwechselt. So kommt es vor, dass etwa Corot und Cézanne unter Impressionisten registriert werden, obwohl die Veranstalter gar kein kunsthistorisches Urteil im Auge hatten, sondern bloß was Werbewirksames. In seiner Rezension fand der Kritiker keine Stelle, wo eine Richtigstellung hingepasst hätte - und so schreibt's ihm ein anderer Feuilletonist gedankenlos nach. 
 
Nicht jede Theaterkritik muss so sein, dass sie in eine Kulturgeschichte passen würde oder in eine Tabelle. Nicht jeder Bericht über eine Ausstellung ist für die Nachwelt bestimmt. 
 
Nun waren die Impressionisten eine lockere Verbindung ästhetisch gesonnener Zeitgenossen, bevor man sie als eine Stilrichtung auffasste. Als modern galten sie in letzterer Hinsicht. Aber der Avantgarde haben sie eine Wohnstatt geschaffen, indem sie die Bohème als ihre Lebensart begründet haben, und so darf man Caillebotte und Degas ihnen wohl ebenso zuzählen wie Cézanne und Redon.
JE 

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