Sonntag, 19. Mai 2024

Und was, wenn wir uns doch an einem ausgezeich-neten Ort befänden?

Haufenweise Galaxien
aus spektrum.de, 19. 5. 2024            Das Universum scheint in allen Richtungen etwa gleich zu sein     zu Ebmeiers Realien

Unser Universum könnte völlig anders sein als bisher angenommen 
Unsere Ecke des Universums ist nichts Besonderes. Auf diesem kosmologischen Prinzip beruht ein großer Teil dessen, was wir über den Kosmos wissen. Aber was, wenn es falsch ist?
 

Vor mehr als 300 Jahren stellte Isaac Newton sein Prinzip der »universellen Gravita-tion« auf. Aus damaliger Sicht war das eine Revolution: Newton postulierte, dass die mathematischen Gesetze, mit denen sich die Bewegung von Objekten auf der Erde beschreiben lassen, auch die Bewegung von anderen Planeten, Kometen und so weiter beschreiben. Egal, ob ein Apfel zu Boden fällt oder sich der Mond um die Erde bewegt: Das grundlegende physikalische Prinzip und seine mathematische Beschreibung sind identisch. Oder anders gesagt, es gibt Naturgesetze, die im gesamten Universum gelten.

In der modernen Wissenschaft haben wir diese Annahme in Form des kosmologischen Prinzips zusammengefasst. Das Universum ist homogen und isotrop. Es ist egal, wo wir uns im All befinden und in welche Richtung wir schauen. Auf großen Skalen spielt es keine Rolle, denn der Kosmos ist überall mehr oder weniger gleich. Auf dieser These beruht, etwas vereinfacht gesagt, auch das Standardmodell der Kosmologie. Aber in den letzten Jahren gab es immer mehr Hinweise auf Probleme. Eines davon lässt sich durch diese Formel illustrieren:


𝒟EB=[2+x(1+α)]|vo|,
 


Es geht dabei um die »kinematic cosmic dipole tension« und um die kosmische Hintergrundstrahlung – also die Strahlung, die etwa 400 000 Jahre nach dem Urknall entstanden ist und sich damals von jedem Punkt des Universums in alle Richtungen ausgebreitet hat. Darum können wir sie auch heute noch beobachten, und sie erreicht uns von jedem Punkt des Himmels mit derselben Energie (es gibt kleine Variationen, doch die spielen für dieses Thema keine Rolle).

 

 

In der Praxis beobachten wir allerdings eine deutliche Anisotropie, die auf die Bewegung der Erde zurückzuführen ist. Das Sonnensystem bewegt sich in Bezug auf die kosmische Hintergrundstrahlung mit einer Geschwindigkeit von 369,82 Kilometern pro Sekunde. Dadurch sehen wir in der einen Richtung eine etwas erhöhte Temperatur der Hintergrundstrahlung; in der anderen Richtung ist die Temperatur ein bisschen niedriger als erwartet. Das steht nicht in Widerspruch zum kosmologischen Prinzip. Vielmehr ist es ein Beleg für die Isotropie des Universums.

Wir sollten darüber hinaus allerdings auch eine Anisotropie beobachten, wenn wir die über den Himmel verteilten Quasare untersuchen. Auch hier müsste es, analog zur Hintergrundstrahlung, eine durch die Bewegung des Sonnensystems verursachte Dipolanisotropie geben, deren Amplitude durch die obige Formel beschrieben wird, die unter anderem von der Relativgeschwindigkeit vo = 369,82 Kilometer pro Sekunde abhängt.

Widersprüchliche Messungen

Beide Anisotropien (in der Temperatur der Hintergrundstrahlung und in der Verteilung der Quasare) hängen zusammen. Messungen in den letzten Jahren zeigen aber, dass sie nicht so übereinstimmen, wie sie es sollten, wenn das kosmologische Prinzip tatsächlich gilt. Dieses Phänomen wird unter dem Begriff »kinematic cosmic dipole tension« zusammengefasst und reiht sich neben andere Probleme wie die »Hubble tension« ein. Letzterer, schon länger bekannte Konflikt beschreibt die unterschiedlichen Werte, die man für die Hubble-Konstante erhält, je nachdem, ob man Daten aus dem frühen oder dem späten Universum heranzieht. Zudem wurden Anfang des Jahres 2024 auch Strukturen aus Galaxien entdeckt, die so groß sind, dass sie ebenfalls das kosmologische Prinzip zu verletzen scheinen.

Das Standardmodell der Kosmologie ist ein höchst erfolgreiches wissenschaftliches Modell. Es ist durchaus möglich, dass es eine »einfache« Lösung für die Beobachtungen gibt, die dem kosmologischen Prinzip zu widersprechen scheinen. Es aufzugeben, wäre eine dramatische Wendung in der Wissenschaft: Wir müssten völlig andere Methoden entwickeln, um so ein Universum verstehen zu können.

 

Nota. - Einen logischen Grund, weshalb im Universum überall dieselben Gesetze gälten, gab und gibt es nicht. Und wenn Naturgesetze nichts als statistische Wahr-scheinlichkeiten wären, gibt es nicht einmal empirische Gründe.

Wenn aber das Gesetz in seiner Wirklichkeit der mathematischen Formel entsprä-che - wär's dann anders? Gewiss, wenn Mathematik ein universales Objektivum wä-re. Nicht aber, wenn sie nur menschliches Konstrukt ist. 
JE 

Staatsgefährdendes Sprachmassaker.

           zu öffentliche Angelegenheiten

Der Mensch ist wertvoll, weil er ein Mensch ist, titelt Nicolas Richter in der Süd-deutschen zum Pfingstsonntag. 

Und grad eben wurde des hundertfünfzigsten Geburtstages von Karl Kraus ge-dacht, des großen Anklägers feuilletonistischer Sprachunzucht.   

Wenn er wertvoll ist, hat er einen Wert. Den müsste man messen können. Mit wel-cher Maßeinheit - Pfund, Meter, Dezibel? Und wenn man ihn messen kann, dann hat einer mehr und ein anderer weniger davon; Richters Satz hätte ungeheure, aber leider nicht mehr unvorstellbare Folgen. 

Ach, er meint, einer sei so wertvoll wie ein anderer! Ja, dann ist sein Satz so wertlos wie die ganze Journaille der Süddeutschen.  

*  

In einer Staatsverfassung hat zu stehen, dass ein Jeder dieselben Rechte habe wie ein anderer, ganz unerachtet dessen, was er wert ist.

 

Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

Und wieder: Was ist Bewusstsein?

Schwimmender Oktopus im Meer vor einem Riff  
aus spektrum.de, 18. 5. 2024                                                                      zu Philosophierungen

Das komplizierte Problem des Bewusstseins
Das menschliche Bewusstsein stellt Forscher vor zahlreiche Rätsel. Noch schwieriger wird es allerdings, wenn man über Artgrenzen hinaus über Bewusstsein nachdenkt: Wie wäre es, eine Fledermaus oder ein Oktopus zu sein? 

Es lässt sich an vielem, wenn nicht gar an allem zweifeln. Dieser radikale Zweifel hat eine große philosophische Tradition: Sind meine Wahrnehmungen nicht nur unzuverlässige Informationen? Sind Naturgesetze nicht bloß statistische Korrela-tionen, die nie Sicherheit liefern können? Und Moralvorstellungen, die man mir als rational begründet verkaufen will, in Wahrheit schöngeredete Emotionen oder Machtinteressen?

Eines, worauf sich immerhin viele Philosophen einigen können, ist, dass es Bewusstsein gibt, und zwar wenigstens eins, nämlich das jeweils eigene. Man kann in René Descartes’ Worten sagen: »Ich denke, also bin ich.« Doch selbst, wenn man das Denken nicht als zentrale Bewusstseinsleistung ansieht, kann man sich immer noch darauf zurückziehen, dass man Empfindungen hat, die Welt um sich herum und sich selbst also erfährt. Ich befinde mich irgendwo, ich befinde mich irgendwie. Mein Bewusstsein markiert ein Ich, ein Jetzt, ein Hier.

 

 

Aber ist dieses Ich-jetzt-hier-Sein, dieses Empfinden, Befinden, Denken stets völlig neutral oder hat es eine bestimmte Färbung oder Geschmacksrichtung? Diese könnte etwa damit zusammenhängen, dass wir Menschen sind und keine Wale, keine Roboter oder – um ein berühmtes Beispiel herauszuziehen – keine Fledermäuse. In seinem zum Klassiker gewordenen Aufsatz »What Is It Like to Be a Bat?« aus dem Jahr 1974 argumentiert der amerikanische Philosoph Thomas Nagel, dass wir niemals wirklich wissen können, was Bewusstsein ist, ohne zu beachten, wie es sich aus der Innenperspektive anfühlt. Wir können so viele naturwissenschaftliche Fakten über das Gehirn, das Nervensystem und den Sinnesapparat einer Fledermaus sammeln, wie wir wollen. Wir können sogar versuchen, uns als Menschen so gut wie möglich vorzustellen, wie es wäre, Flughäute zu haben und in der Dunkelheit mit Hilfe von Echoortung Insekten zu jagen. Wie es aber wirklich ist, eine Fledermaus zu sein, werden wir aus der Außensicht nicht in Erfahrung bringen.

Diese Überlegung lässt sich weiterspinnen. Die meisten Menschen würden vermutlich davon ausgehen, dass das Bewusstsein einer Fledermaus ähnlich dem menschlichen einen einzelnen »Ich-Jetzt-Hier«-Punkt hat. Was wäre aber, wenn es Wesen gäbe, auf die das gar nicht zutrifft? In seinem aktuellen Roman »Die Stimme der Kraken« beschäftigt sich der Science-Fiction-Autor Ray Nayler mit einer hypothetischen Zivilisation intelligenter Oktopoden, die eine Sprache, eine Kultur und ein eigens Sozialgefüge entwickelt haben. In einer Hinsicht ähneln sie aber immer noch den Kraken, die wir kennen: Große Teile ihrer Wahrnehmung und ihrer Handlungssteuerung sind im Nervensystem ihrer acht teilweise autonom agierenden Arme lokalisiert.

Im futuristischen Setting des Buchs kann sich eine der Protagonistinnen halbwegs vorstellen, wie sich das anfühlen könnte, weil sie Erfahrungen mit KI-Systemen hat, bei denen sie über eine neurale Schnittstelle einen Schwarm teilautonomer Drohnen steuern lässt. Wir verfügen über eine solche Technik bislang nicht. Die Problemstellung wird am Beispiel des Romans recht klar: Es könnte Formen des Bewusstseins geben, die nicht nur hinsichtlich der Art und Weise, wie sie sich zur Welt verhalten, stark vom menschlichen Geist abweichen, sondern auch hinsichtlich ihrer inneren Struktur. (Nayler bezieht sich in seinem Roman übrigens ausdrücklich auf Nagel.)

Das alles hält weder Naturwissenschaftler noch Philosophinnen davon ab, sich weiter intensiv mit menschlichen und nichtmenschlichen Bewusstseinsvorgängen auseinanderzusetzen. Möglicherweise müssen wir den Aspekt des Selbst-Erlebens dabei ganz ausklammern, weil es hoffnungslos ist, sich in ein fremdartiges Bewusstsein hineinversetzen zu wollen. Vielleicht hilft uns auch Nagels Vorschlag weiter, erst einmal klein anzufangen und Begriffe zu entwickeln, mit denen man etwa von Geburt an blinden Menschen erklären könnte, wie sich das Sehen anfühlt. Das ist schwierig genug: Obwohl bereits 50 Jahre seit dem Erscheinen von Nagels Aufsatz vergangen sind, hat anscheinend noch niemand einen geeigneten Ansatz dafür gefunden.

 

Nota. - Man ist nicht gezwungen, entweder von äußerer Naturwissenschaft oder von innerem Erleben auszugehen; nämlich nicht gezwungen, das Bewusst-Sein als seiend anzunehmen. Sehen wir doch einfach ab auf das, was es leistet und lassen wir es ansonsten wie eine Black box vorläufig links liegen. Es leistet - und zwar über-haupt und ausschließlich - die Bestimmungen, denen der Organismus, dem es zuge-hört, sein Handeln zuordnet. Empirisch ist es gegeben als Wollen. Es ist mithin vor-ausgesetzt als eins-und-dasselbe, und es ist vorausgesetzt als real, weil es anders nicht wirken könnte. Es lässt sich rückblickend erschließen, was logischerweise - nicht neuronaler Weise! - vorhergegangen sein muss, um es so und nicht anders zu bestimmen. Da hat der Neurologe nichts von, und der Psychologe auch nicht. Dem Philosophen aber reichts.
JE


Samstag, 18. Mai 2024

Spekulative Mathematik.

Aus einer abstrakten, bläulichen, blasenförmigen Explosion schießen helle Strahlen
aus spektrum.de, 17. 5. 2024                                                                                           zu Jochen Ebmeiers Realien

Wie abstrakte Mathematik die Teilchenphysik rettete
Mit den ersten Teilchenbeschleunigern entdeckten Physiker einen regelrechten Zoo an rätselhaften Objekten. Die Mathematik liefert eine einfache Antwort auf (fast) alle Fragen.

In der Geschichte der Teilchenphysik wird ein entscheidender Teil häufig ausgelas-sen. So gibt es zahlreiche Bücher zu den Anfängen der Quantenmechanik, ebenso zum heutigen Stand der Forschung, etwa der Suche nach einer Weltformel. Oft scheint es, als habe man mit der Begründung der Quantenmechanik gleichzeitig alles über die Teilchenphysik gewusst. Doch der Eindruck trügt. Tatsächlich standen Physikerinnen und Physiker in den 1950er und 1960er Jahren vor großen Rätseln. Erst abstrakte Konzepte aus der Mathematik konnten die seltsamen Beobachtungen erklären – und führten schließlich zum Standardmodell der Teilchenphysik.

Und damit nicht genug: In den folgenden Jahrzehnten entdeckten Fachleute immer mehr neue Teilchen. In so genannten Blasenkammern beobachteten sie die Spuren von bisher unbekannten Partikeln, die aus dem All auf die Erde herabregneten. Und auch die ersten Teilchenbeschleuniger lieferten Hinweise auf bisher ungeahnte Teilchen. In den 1950er Jahren hatte die Fachwelt einen ganzen Katalog mit dutzenden Einträgen gesammelt. Darin fanden sich etwa Positronen (Antiteilchen des Elektrons), Myonen (die schweren Geschwister des Elektrons), verschiedene Pionen, Kaonen, Sigma-Baryonen und so weiter. Die Liste wuchs so schnell und chaotisch an, dass Robert Oppenheimer von einem Teilchenzoo sprach.

Es war schwer, den Überblick zu behalten. Das stellte die Fachleute vor eine geradezu metaphysische Frage: Ist unser Universum wirklich so komplex? Gibt es tatsächlich eine Myriade verschiedener Grundbausteine, aus denen sich die Natur nach komplizierten Regeln zusammensetzt?

Ein Physiker schafft Ordnung

Um sich einen besseren Überblick zu verschaffen, fingen Physiker und Physikerinnen an, die Teilchen gemäß ihrer Eigenschaften zu ordnen. Zum einen ließen sich die Masse und die elektrische Ladung der Partikel aufzeichnen, ebenso wie ein quantenmechanisches Merkmal namens Spin. Letzteren kann man sich wie eine Art Minimagnet vorstellen, den Teilchen mit sich tragen und der verschiedene Ausrichtungen besitzen kann. Zum anderen erkannten die Fachleute, dass manche Teilchen ein seltsames Verhalten an den Tag legen: Kaonen und Hyperonen entstehen beispielsweise recht schnell in Teilchenbeschleunigern, zerfallen trotz ihrer hohen Masse aber erstaunlich langsam. Das schien so ungewöhnlich, dass Physiker diesen Teilchen eine Eigenschaft namens Strangeness zuordneten.

Der Physiker Murray Gell-Mann begann in den 1960er Jahren, die Teilchen anhand ihrer Eigenschaften zu gruppieren und grafisch darzustellen. Er trennte zunächst Elektronen, Myonen und Photonen von den restlichen Teilchen, da sie sich völlig anders verhielten. Dann separierte er so genannte Mesonen und Baryonen voneinander, die sich in ihrem Spin unterscheiden. Dann spaltete er die Gruppen weiter. Am Ende hatte er mehrere einzelne Grüppchen mit je acht bis zehn Teilchen. Diese verzeichnete er jeweils in einem Koordinatensystem: Die x-Achse entsprach der elektrischen Ladung der Teilchen, die y-Achse ihrer Strangeness. Dabei fand Gell-Mann eine extrem symmetrische Verteilung vor, die er als »Eightfold Way« bezeichnete (auf Deutsch der Achtfache Weg, in Anlehnung an den Achtfachen Pfad des Buddhismus zur Weisheit).

Oktett mit TeilchenBaryonen-Oktett | Trägt man verschiedene Baryonen, zu denen auch das Neutron und das Proton gehören, gemäß ihrer Eigenschaften auf, ordnen sich die Teilchen in einem symmetrischen Muster ein.

Einige Gruppen formen ein Sechseck, wobei zwei der Teilchen in dessen Mittelpunkt liegen. Gell-Mann fand mehrere solcher »Oktetts« vor, aber auch »Dekupletts«, bei denen sich zehn Teilchen in Form eines Dreiecks ordnen. In einem der Dekupletts schien ein Teilchen zu fehlen: Eine Stelle des Diagramms war noch unbesetzt. Gell-Mann folgerte 1962 daraus, dass dieses fehlende Teilchen existieren müsste – und wirklich wurde es zwei Jahre später in einem Teilchenbeschleuniger nachgewiesen.

 Dreieck mit Teilchen Dekuplett | Die symmetrische Struktur, in die sich die vielen verschiedenen Teilchen einordnen, legt nahe, dass sie irgendwie miteinander verbunden sind. Als sich Gell-Mann mit Mathematikern darüber unterhielt, erkannten sie die Muster schnell wieder. Die Oktetts und Dekupletts entsprechen zwei Darstellungen einer bekannten Symmetriegruppe.

 

Die Gruppentheorie kommt zu Hilfe

Die Gruppentheorie ist ein Teilgebiet der Algebra, das im 19. Jahrhundert entstand. Damals erkannte der gerade einmal 18-jährige Évariste Galois, dass Symmetrien nicht nur eine passive Eigenschaft einer Figur sind. Tatsächlich kann man mit Symmetrien rechnen, ähnlich wie mit gewöhnlichen Zahlen. Man kann beispielsweise Drehungen und Spiegelungen hintereinander ausführen, was der Multiplikation zweier Zahlen gleichkommt.

Gruppentheorie für Einsteiger

Am einfachsten lässt sich eine Gruppe als Menge von Symmetrietransformationen veranschaulichen. Rotiert man beispielsweise ein gleichseitiges Dreieck um 120°, ändert sich dessen Form nicht. Ein solches Dreieck kann um insgesamt drei Winkel gedreht werden (0°, 120° und 240°). Jede dieser Drehungen ist eine Symmetrietransformation. Zusammen bilden sie eine endliche Gruppe.

Neben den Drehungen kann das Dreieck auch entlang seiner Mittelachse gespiegelt werden. Die genannten Drehungen und Spiegelungen bilden jeweils für sich »Untergruppen« der gesamten Symmetriegruppe des Dreiecks.

Symmetrien (Drehungen, Spiegelungen) des Dreiecks
  Symmetrien des Dreiecks | Die Symmetrien eines Dreiecks bilden eine endliche Gruppe.

Streng genommen ist eine Gruppe aber abstrakter definiert. Sie definiert eine Menge, deren Elemente gewissen Regeln genügen: Die Verknüpfung zweier Elemente (etwa die Hintereinanderausführung zweier Drehungen) muss wieder ein Gruppenelement ergeben. Jede Gruppe enthält zudem ein »neutrales Element«, das jedes andere unverändert lässt, wie etwa die Multiplikation mit eins oder die Addition mit null. Darüber hinaus muss jedes Element auch ein Gegenstück (»inverses Element«) besitzen, so dass die Verknüpfung beider wieder das neutrale erzeugt – zum Beispiel muss man jede Drehung auch in umgekehrter Richtung ausführen können.

Zwei verknüpfte Symmetrien 

Verknüpfung von Operationen

Was genau die Elemente der Gruppe sind, spielt dabei keine Rolle. Es kann sich um Symmetrietransformationen wie Drehungen und Spiegelungen handeln, aber auch um Zahlen. So bilden etwa die rationalen Zahlen mit der Multiplikation eine Gruppe: Die Verknüpfung (das Produkt) zweier rationaler Zahlen liefert stets ein rationales Ergebnis; das neutrale Element ist die Eins und das inverse Element der Kehrwert einer Zahl.

Man kann alle Symmetrieoperationen zu einem bestimmten Objekt (etwa einer geometrischen Form) zu einer so genannten Gruppe zusammenfassen. Das hob die Mathematik und insbesondere den Bereich der Algebra auf eine abstrakte Ebene. Plötzlich ging es nicht mehr um die Objekte selbst – um geometrische Formen, Zahlen oder Gleichungen –, sondern um ihre Beziehungen untereinander.

Für Physiker, die an konkreten Ergebnissen interessiert sind, war die Gruppentheorie anfangs ein Buch mit sieben Siegeln. Viele Konzepte schienen so abstrakt, dass sie kaum offensichtliche Anwendungen hatten. Das änderte sich, als der Physiker Eugene Wigner in den 1930er Jahren und später auch Gell-Mann den enormen Nutzen der Theorie für die Physik erkannten.

Darstellungen einer Gruppe

Eine Gruppe ist zunächst eine Menge: eine Sammlung von Objekten. Doch tatsächlich besitzt jede Gruppe eine Darstellung, was sehr hilfreich ist, um die abstrakten Konzepte zu visualisieren. Die Idee dahinter: Man zeichnet einen Punkt in ein Koordinatensystem ein und wendet dann die Gruppenelemente darauf an, die den Punkt in der Ebene verschieben. Enthält eine Gruppe beispielsweise eine Spiegelung, dann wird der Punkt entsprechend an einer Achse gespiegelt. Wenn man die Bewegung des Punkts verzeichnet, ergibt sich daraus ein symmetrisches Muster, das die Wirkung der Gruppe repräsentiert.

Damit lässt sich eine Gruppe also aus mathematischer Sicht als Sammlung von Matrizen (eine Tabelle) darstellen. Allerdings stellt sich heraus: Diese Darstellung ist nicht eindeutig. Manche Gruppen kann man beispielsweise durch mehrere 3x3-Matrizen darstellen, aber auch durch 8x8-Matrizen. Beide Varianten spiegeln die Symmetrietransformationen der Gruppe wider.

Diese unterschiedlichen Darstellungen liefern für jede Gruppe charakteristische Muster. Im Fall der so genannten SU(3)-Gruppe entsprechen die Punktmuster in der einen Darstellung (mit 3x3-Matrizen) einem Oktett, in der nächstgrößeren (mit 8x8-Matrizen) einem Dekuplett – jenen Mustern, die Gell-Mann aufgezeichnet hatte. SU(3) bedeutet, anschaulich gesprochen, dass es eine Symmetrie zwischen drei verschiedenen Objekten gibt. Wenn man sich demnach ein Teilchen in Gell-Manns Oktett herauspickt und eine SU(3)-Symmetrietransformation darauf anwendet, das heißt eines der drei Objekte durch ein anderes austauscht, dann landet man zwangsläufig bei einem anderen Teilchen in dem Oktett. Die Frage war also: Was sind die drei Objekte, welche die Symmetrie erzeugen?

Zusammen mit seinem Kollegen George Zweig stellte Gell-Mann eine kühne Vermutung auf: Diese Objekte könnten noch unbekannte Elementarteilchen sein. Die beiden Physiker legten nahe, dass das Proton, das Neutron, die Kaonen und der ganze übrige Teilchenzoo gar nicht elementar sind, sondern alle aus denselben drei Grundbausteinen bestehen, den »Quarks«. Diese sollten in drei verschiedenen Sorten vorkommen und somit die beobachtete SU(3)-Symmetrie erzeugen. Bei der Namensgebung ließ sich Gell-Mann vom Roman »Finnegans Wake« von James Joyce inspirieren, in dem es heißt: »Three quarks for Muster Mark!«

 

Nota. - Ich trau's mich kaum zu sagen; in einem früheren Text habe ich mir eine gewagte Fromulierung durchgehen lassen: 

Mathematik ist Konstruktionslehre. Sie beschreibt in ihrem Zeichensystem, zu welchen Kon-strukten ich gelange, wenn ich im Reich der Zahlen (=idealiter: in der Zeit; “wie oft?”) diese und im (idealen) Raum (”wo lang?”) jene Operation anstelle. 

Warum lässt sich die Mathematik 'auf die Welt der Dinge anwenden'? Weil ich mir die Welt der Dinge so vorstellen kann, als ob ich sie selber konstruiert hätte; dann beschreibt die Mathema-tik in ihrem Zeichensystem, wie ich hätte verfahren müssen, um sie so zu konstruieren.
Mathe-matik ist das allgemeine operative Schema der möglichen Handlungen in Raum und Zeit. Logik ist das allgemeine Schema der möglichen Handlungen in der bloßen Vorstellung.

Mathematik war nie meine Stärke. Dieses ist aber auch kein Satz aus der Mathema-tik, sondern einer über sie. Man muss nicht notwendig in ihr zuhause sein, um et-was über ihr Dasein in der realen Welt aussagen zu dürfen. Nehmen wir also an, obiger Satz träfe zu. Dann könnte es nicht überraschen, wenn Experimentieren mit Formeln der Mathematik gelegentlich Sätze ergäben, die einen Widerpart im wirkli-chen Handeln finden. Das wären Hypothesen, die man versuchen sollte. Gelegent-lich wird man Erfolg haben - wenn sie erlauben, Experimente durchzuführen, auf die sie passen.

Tautologisch? Nein, pragmatisch und spekulativ. Doch in der Mathematik selbst wäre er bedeutungslos. 

*) Bedenke: Die - s. o. -  wegweisende Grundform der Symmetrie stammt nicht aus der Mathematik und ihren Operationen, sondern aus der ästhetischen Anschauung.
JE 

 

Freitag, 17. Mai 2024

Wie das Christentum nach Deutschland kam.

Drei Kreuze auf einem Berg vor einem Sonnenuntergang.  
aus National Geographic, 18. 12. 2023    auf dem Kornbühl in der Schwäbischen Alb      zu öffentliche Angelegenheiten

Wie das Christentum nach Deutschland kam
Trotz Austrittswelle sind die meisten Deutschen bis heute Mitglied in einer der beiden christlichen Kirchen. Doch das Christentum war nicht schon immer da. Über einen Jahrhunderte andauernden Prozess, politische Macht und brutale Missionierung.

Glaube ist in Deutschland Privatsache. Eine Staatsreligion gibt es nicht und durch die Zugehörigkeit zu einer Konfession oder Kirche entstehen für die Menschen dieses Landes weder Vor- noch Nachteile – so regelt es Artikel 140 des Grundgesetzes.

Laut dem Religionsmonitor 2023 der Bertelsmann-Stiftung, der im Dezember 2022 erschien, machen die Konfessionsfreien – also die Menschen, die in keiner Kirche Mitglied sind und sich keinem Glauben zuordnen – inzwischen 44 Prozent der deutschen Bevölkerung aus, Tendenz steigend. Trotzdem gilt Deutschland als christliches Land, was statistisch gesehen auch den Tatsachen entspricht: Jeder vierte Deutsche ist katholisch, 23 Prozent sind Mitglied der evangelischen Kirche.

Christliche Feiertage und Rituale sind fester Bestandteil des Lebens in Deutschland, über 44.000 christliche Gotteshäuser sorgen für eine hohe Sichtbarkeit. Doch um an diesen Punkt zu kommen, musste sich das Christentum in Deutschland erst etablieren – ein Prozess, der im 4. Jahrhundert, der Spätantike, ausgehend vom Römischen Reich seinen Anfang nimmt.

Römisches Reich: Aufstieg zur Staatsreligion

Dort entwickelt sich das Christentum um das Jahr 300 n. Chr. von einer verfolgten zur Staatsreligion. Die Basis hierfür bildet die Mailänder Vereinbarung, die im Jahr 313 n. Chr. zwischen den römischen Kaisern Konstantin I. und Licinius geschlossen wird und den christlichen Glauben mit dem damals vorherrschenden römischen Polytheismus gleichgestellt.

Der Kaiser liegt im Bett, seine Vision ist als Bild im Hintergrund dargestellt durch mehrere Soldaten.Ein byzantinisches Manuskript aus dem 9. Jahrhundert zeigt den römischen Kaiser Konstantin I., der vor der Schlacht auf der Milvischen Brücke im Jahr 312 n. Chr. eine Vision hat, in der ihm Jesus Christus erscheint. Nach seinem Sieg beendet er die Christenverfolgung im Römischen Reich und ebnet dem Christentum so den Weg zur Staatsreligion.

Die bis dahin im Römischen Reich dominierenden paganen Glaubensgemeinschaften sind aufgrund ihrer unterschiedlichen religiösen Vorstellungen stark zersplittert. Anders das Christentum, dessen Anhänger sich nun überall im Reich vereinen – der Beginn eines wahren Siegeszugs, der Konstantins Macht wachsen lässt. „Plötzlich gab es ganz viele Christen“, sagt Prof. Sebastian Ristow, Archäologe an der Universität zu Köln. „Und wenn man diese Vielen hinter sich versammeln kann, kann man dadurch seine Herrschaft festigen.“

Im Laufe des 4. Jahrhunderts dringt das Christentum zunehmend in die höheren Gesellschaftsschichten ein, seine Anhänger besetzen immer mehr Schlüsselpositionen, verfügen über viele Privilegien und verdrängen nach und nach die heidnischen Eliten. Im Jahr 380 n. Chr. erhebt Kaiser Theodosius das Christentum zur Staatsreligion und die christliche Kirche zur Staatskirche, elf Jahre später werden alle heidnischen Kulte verboten.

Köln und Mainz: Christentum in den Germaniae

Damit ist das Römische Reich offiziell christlich. Das gilt auch für die germanischen Provinzen, die sogenannten Germaniae, Germania prima mit Köln und Germania secunda mit Mainz als Hauptstadt. Diese Orte sind – nach der Stadt Trier, die damals jedoch zur Provinz Gallien gehört – die ersten auf heute deutschem Boden, in denen das Christentum sich nachweislich etabliert.

Die Entwicklung beschränkt sich zunächst auf die Städte. „Wir können archäologisch und auch historisch in der ersten, spätantiken Phase der Christianisierung in ländlichen Gebieten nichts nachweisen“, sagt Ristow. In diesen Regionen fehlen sowohl mit dem Christentum verbundene Funde als auch Aufzeichnungen aus dem 4. Jahrhundert, sodass man davon ausgehen muss, dass die Menschen auf dem Land noch an den alten Religionen hingen. In Städten wie Trier, Köln und Mainz aber gibt es Belege für die Existenz nennenswerter christlicher Gemeinden zu jener Zeit.

Rätselhafte Lücke in der Quellenlage

Mit dem 5. Jahrhundert, in dem sich das frühe Mittelalter von der Spätantike absetzt, entsteht eine Lücke in archäologischen Befunden und historischen Überlieferungen. Nach dem Jahr 400 brechen Quellen, die das Christentum belegen könnten, in den Städten der Germaniae komplett ab. Erst im 6. Jahrhundert, als unter der Regentschaft des Frankenkönigs Theuderich I. Aufzeichnungen zufolge christliche Amtsträger aus der Auvergne an den Rhein versetzt werden, setzen sie wieder ein.

„Das passierte über 100 Jahre nachdem es in Köln nachweislich römische Bischöfe gegeben hat“, sagt Ristow. „100 Jahre sind sehr lang. Da kann alles Mögliche passiert sein.“

Aber was? Darüber sind sich Historiker und Archäologen uneinig. Dass die Menschen sich in diesem Zeitraum wieder vom christlichen Glauben abgewendet haben, ist eine Interpretation der Lücke in der Quellenlage. Ebenso ist es aber auch möglich, dass aus der Zeit schlicht nichts überliefert wurde – obwohl das Christentum weiterhin existent war. Ristows persönliche Einschätzung ist, „dass das Christentum im 5. und frühen 6. Jahrhundert in den Regionen am Rhein nicht mehr die nötige Organisation und Durchsetzungsstärke besessen hat, um historisch in Erscheinung zu treten.“

Chlodwig I.: Katholizismus als politisches Instrument

Während das Christentum in den Germaniae zeitweise historisch und archäologisch also unsichtbar wird, ist es für den Raum des heutigen Frankreichs mehr oder minder seit dem 4. Jahrhundert durchgängig belegt. Und es ist dann auch ein Franke – nämlich Chlodwig I. aus dem Geschlecht der Merowinger –, der die Weichen für die zweite Phase der Christianisierung stellt. Das entscheidende Ereignis ist seine Taufe, die rund um das Jahr 500 nach seinem Sieg gegen die Alamannen in der Schlacht von Zülpich stattfand.

„Im Gegensatz zu allen anderen Herrschern der germanischen Reiche auf römischem Boden lässt Chlodwig sich katholisch und nicht arianisch taufen“, sagt Ristow. „Nicht, weil er so fromm ist, sondern weil es politisch einen Sinn ergibt.“ 

Ein nackter Mann steht inmitten einer Gruppe Menschen in einer Wanne.Taufe des Frankenkönigs Chlodwig I. durch den Bischof Remigius in Reims. Das genaue Jahr der Taufe ist nicht bekannt, sie soll jedoch rund um das Jahr 500 nach der siegreichen Schlacht der Franken gegen die Alemannen stattgefunden haben. Laut Gregor von Tours hatte Chlodwig hierfür Beistand vom christlichen Gott erbeten und diesen erhalten. Meister des Saint Gilles, 15.-16.Jahrhundert

West- und Ostgoten, Burgunder und Vandalen sind zu diesem Zeitpunkt bereits christlich missioniert und Anhänger des Arianismus. Diese Glaubensrichtung war von der römischen Kirche aber Ende des 4. Jahrhunderts verworfen worden. Anders als seine Amtskollegen zum römisch-katholischen Christentum zu konvertieren, ist ein kluger Schachzug von Chlodwig, denn so erleichterte er die Verschmelzung von gallorömischer Bevölkerungsmehrheit und Franken in seinem Merowingerreich.

Wie schon Kaiser Konstantin nutzt er die christliche Religion, um seine Macht auszubauen und zu festigen. Er christianisierte sein Reich von oben – allerdings in einer Form und Klarheit, die es im Römischen Reich nicht gegeben hat.

Christianisierung von oben

„Christianisierung drückt aus, dass aktiv politisch etwas unternommen, strukturiert geleitet und in Bahnen gelenkt wird“, sagt Ristow. In der spätantiken Phase im 4. Jahrhundert seien es vielfach charismatische Einzelpersonen gewesen, die das Christentum verbreitet hätten. „Die sind bei der Bevölkerung einfach gut angekommen und darum zum Bischof ernannt worden – ob sie das nun gelernt hatten und konnten oder nicht.“

In Bezug auf das Vorgehen Chlodwigs trifft der Begriff Christianisierung jedoch voll zu. Er befiehlt allen Angehörigen des Herrscherhauses und den Eliten der Franken, sich katholisch taufen zu lassen – ob sie gläubig sind oder nicht. Überall im Reich entstehen Kirchen, wodurch die flächendeckende Christianisierung durch christlich erkennbare Baubefunde im 6. Jahrhundert archäologisch auch dort wieder sichtbar wird, wo sie zuvor nicht mehr belegt werden konnte – in den heutigen deutschen Regionen am Rhein.

Im Reich der Franken ist das Christentum ein voller Erfolg. Rechts des Rheins aber scheitern jegliche Missionierungsversuche zunächst. Archäologische Hinweise auf christliche Einflüsse vor dem 8. Jahrhundert sucht man dort vergebens. „Aus dem 7. Jahrhundert gibt es ein paar Quellen, die sagen, dass die Franken dort Schutzmacht und zu dem Zeitpunkt schon Christen waren“, sagt Ristow. „Aber die fünf Kreuze und anderen wenigen Belege aus der Zeit reichen als Beweise für die erfolgreiche Christianisierung der Gebiete nicht aus.“

 Karl der Große: Mit Blut und Schwert

Das ändert sich erst in den Siebzigerjahren des 8. Jahrhunderts, als unter dem Frankenkönig und späteren Kaiser Karl dem Großen im Zuge der Sachsenkriege auch die germanischen Stämme zwischen Rhein und Weser missioniert werden. Anders als im linksrheinischen Gebiet, wo das Christentum sich über Jahrhunderte relativ friedlich und organisiert verbreitet hatte, wird es rechts des Rheins auf brutale Weise mit militärischen und kolonisatorischen Mitteln durchgesetzt.

„Die Sachsen wurden gegen den Willen der Bevölkerung mit Feuer und Schwert missioniert“, so Ristow. „Die Christianisierung rechts des Rheins war im Grunde innerhalb von 20 Jahren abgeschlossen. Da wurde einmarschiert und die Leute zur Taufe gezwungen. Die Franken waren nicht zimperlich.“

Zwei Gruppen Menschen stehen sich gegenüber, eine ist angeführt von einem Mann auf einem Pferd.Widukind, der Anführer der Sachsen, unterwirft sich Karl dem Großen, der im Rahmen der Sachsenkriege die Stämme im Nordosten seines Reichs zur Konvertierung zum Christentum zwingt.

Karl der Große versteht sich als Vorkämpfer des christlichen Glaubens. Darauf, dass die Sachsenkriege nicht nur strategisch, sondern auch religiös motiviert waren, deutet beispielsweise die Zerstörung des sächsischen Kultheiligtums Irminsul hin, die Karl schon im ersten Kriegsjahr befiehlt.

Nach den Sachsenkriegen

Im Jahr 785, nach Jahren des Blutvergießens, unterwirft sich Widukind, der Anführer der Sachsen, und lässt sich mit dem Eroberer als Paten christlich taufen. Auch wenn bis ins Jahr 804 immer wieder Konflikte und Kleinkriege aufflammen, ist es Karl dem Großen mit martialischen Mitteln gelungen, die christliche Ordnung im Nordosten seines Reichs bis nach Dänemark und an die Elbe durchzusetzen.

„Das bedeutet aber nicht, dass die Menschen in diesen Gebieten dann fromm und christlich gebildet gewesen wären oder es überall eine strukturierte Kirche gegeben hätte“, sagt Ristow.

Erst mit der Zeit werden in den von Karl dem Großen eroberten Gebieten von den neu entstandenen christlichen Eliten Kirchen gebaut. Dieser Prozess dauert in den heutzutage deutschen Gebieten bis weit ins Hohe Mittelalter an. Weiter nordöstlich, im Baltikum und östlich davon, findet er erst etwa ab dem 14. Jahrhundert und in der frühen Neuzeit sein Ende.

Es ist jedoch unmöglich, zu bestimmen, ab wann die jeweiligen Regionen vollständig christianisiert sind. Denn das möglicherweise erzwungene Bekenntnis zu einer Religion spiegelt nicht unbedingt wider, woran ein Mensch tatsächlich glaubt. Das erkannte auch Alkuin, Gelehrter und wichtiger Berater von Karl dem Großen. Als dieser die Sachsen gewaltsam zum Christentum zwang, soll Alkuin angemerkt haben: „Zur Taufe kann ein Mensch getrieben werden, nicht aber zum Glauben.“ So ist es bis heute: Der Glauben ist Privatsache.


Donnerstag, 16. Mai 2024

Das Spiel, der Flow und der Ursprung der Vernunft.

                                                                   zu Jochen Ebmeiers Realien

Das Spielen ist nicht weniger als das zweckhafte Arbeiten eine ausschließende Grundbestimmung des Menschlichen und gehört insofern zu den Fundamenten der Anthropologie. Gewiss spielen auch höhere Tiere, zumal in ihrer Kindheit. Aber meist wächst es sich aus mit dem Älterwerden, und jedenfalls hat keine andere Gattung das Spiel zu einem festen Bestandteil ihrer Lebenswelt ausgebaut. Die Menschen haben in Kunst, Unterhaltung und Sport daraus Kulturinstanzen gemacht.

Und mehr noch. Sie verdanken ihm darüberhinaus ihre Sonderstellung in und fast schon über der Natur: die Erschaffung der Vernunft.

*

Seine im Ackerbau entwickelte Fähigkeit, durch Arbeit mehr zu erzeugen, als er zum Leben braucht, machte eine Anschatzung von Reichtümern möglich, die ihrerseits der menschlichen Existenz einen grundsätzlich luxuriösen Zug eintrug. Zugleich wurde die Arbeit zu einem Fluch, indem sie Reiche und Arme schied und periodische Hungersnöte unvermeidlich machte. Alle menschliche Tätigkeit geriet in den Zwiespalt von Not und Überfluss - und von Zwang und Spiel. 

Erst durch diese Spannung erwächst dem, was ursprünglich locker beiläufiges Tändeln war, die Dimension des Flow: Der 'Zustand, in dem Handlung und Bewusstsein verschmelzen, fühlt sich frei an'. Erst im Gegensatz zur Notdurft wird Freiheit als Möglichkeit erfahrbar - und wiederum treten Handlung und Bewusstsein als Bedingung des Wählens aus einander

Und sehn Sie: Das war der Ur-Sprung der Vernunft.


Die Kindlichkeit des Kindes und die Künstlichkeit der Kunst haben einen gemein-samen Nenner, und zwar: eine Sache um ihrer selbst willen tun. Es ist die Art von Tätigkeit, die landläufig Spiel genannt wird. Immer wieder hat man versucht, das Spiel definitorisch gegen die Arbeit abzusetzen. Vergeblich. Nämlich solange der Unterschied in den technischen, ergonomischen Merkmalen der Tätigkeit selbst gesucht wurde.

Der Unterschied liegt in ihrer verschiedenen Bedeutung fürs Leben. Arbeit ist eine Tätigkeit, die um eines gesetzten Zweckes willen geschieht. Der Zweck ist ihr Was, die Unbotmäßigkeit des toten Stoffs bestimmt das Wie: An der Sicherheit, mit der sie den Stoff dem Zweck anverwandelt, mißt sich ihre Qualität.

Und wenn es möglich wird, die Tätigkeit zu ersparen und ihre Qualität den Ma-schinen einzubauen, umso besser. Industriearbeit, Lohnarbeit ist die „reine“ Form der Arbeit. Nicht logisch, aber historisch, und darauf kommt’s an. Sie ist die Art von Tätigkeit, die gesellschaftlich gilt – qua Tauschwert, denn der ist der allgemein-ste Zweck. Die Mühsal ist, allen Etymologien zum Trotz*, kein Bestimmungsgrund von Arbeit. Wenn Arbeit Spaß macht, hört sie nicht schon auf, Arbeit zu sein.

Spiel dagegen wird „um seiner selbst willen“ getan. Aber was bedeutet das? Daß es „befriedigt“? Dann wäre die Befriedigung Zweck, nicht die Tätigkeit, und wir wür-den uns im Kreise drehn. Das Eigentümliche am Spiel ist aber, daß vorher nicht feststeht, ob es befriedigen wird oder enttäuschen. Das Eigentümliche am Spiel ist sein offener Ausgang. Daß es also keinen Zweck hat.

Es werden Folgen eintreten, wie bei allem, was man tut. Aber man weiß nicht, wel-che. Man kann sie nicht „bedenken“. Man mag sie erahnen oder erhoffen, aber man muß es wohl drauf ankommen lassen… Spiel ist Risiko, und das Risiko ist sein Zweck. Es lebt vom Zauber des Unbestimmten. Arbeit dagegen will Bestimmtheit.

Die Unbestimmtheit der Zwecke – daß man erst sehen wird, was es werden soll, wenn es etwas geworden ist -, das macht Kunst zum Spiel. Die Künstler der Ver-gangenheit waren sich ihrer Zwecke freilich sicherer als die heutigen. Sie wußten sich beauftragt. Zuerst von geistlichen, dann von immer weltlicheren Mächten. Erst als der Markt die Künstler vom Geheiß der Auftraggeber befreit und ihre Existenz aber auch unsicher gemacht hatte, wurde der Ausgang der künstlerischen Tätigkeit offen. Kunst trat in einen polemischen Gegensatz zur Bürgerlichkeit – d. h. zur Arbeit.                                       aus Von der Künstlichkeit des Kindes und der Kindlichkeit der Kunst

 
 
Rhetorisch wird oft der Künstler mit dem Kind verglichen: „Ein Werden und Ver-gehen, ein Bauen und Zerstören ohne jede moralische Zurechnung in ewig gleicher Unschuld hat in dieser Welt allein das Spiel des Künstlers und des Kindes.“29 Das ist mehr als eine blumige Metapher. Der holländische Verhaltensforscher und Tier-psychologe F.J.J. Buytendijk sekundiert: „Wie der Künstler reflektiert das spielende Kind nicht auf das Wie, Was und Warum seines Tuns. Dabei ist seine Tätigkeit ein wirkliches Unternehmen, das freilich nicht genau auf ein Ziel gerichtet ist, sondern sein Tun hat das Abenteuerliche eines Wagnisses. Es kann gelingen oder nicht.“ Es hat dieselbe Quelle wie die ästhetische Produktion im engeren Sinn: „Das menschli-che Spiel ist eine wundersame Freude am Schein. Wir spielen tatsächlich immer mit Bildern, die mit uns spielen.“30 

Hans-Georg Gadamer schließt den Kreis: „Sich-Darstellen ist das wahre Wesen des Spiels – und des Kunstwerks.“31 Aber er erinnert: „Der Reiz des Spiels liegt in dem Risiko.“32 Darum ist der Künstler ein aufreizendes Denkmal unserer Vorzeit: weil er gewagt hat. Er hat seinen Weg ins Ungewisse entworfen, einen Weg durch die – ja, doch: durch die Gefahr. Ist er der wahre Erwachsene? Und liegt der Unterschied zwischen Kindlichkeit und Erwachsenheit doch nicht da, wo J.H. van den Berg dachte? Oder nicht mehr da? Oder wieder nicht mehr da? Liegt womöglich unsere Zukunft in unserer Vergangenheit? 
 
29) Fr. Nietzsche, „Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen“, aaO Bd. III, S. 376
30) F.J.J. Buytendijk, „Das menschliche Spiel“ in: H.-G. Gadamer (Hg.), Neue Anthropologie, Bd. IV: Kulturanthropologie, Stgt. 1973, S. 109 
31) Buytendijk aaO, S. 95                                                                                    aus Homo ludens victor.


Arbeit und Spiel unterscheiden sich nicht in technologischer, nicht in ‚ergonomi-scher’ Hinsicht. Ist Arbeit das, was Mühe -, und Spiel das, was Spaß macht? Je tiefer das Kind im Spiel versinkt und ‚sich vergisst’, umso mehr Energie verbraucht es – und schwitzt. Manchem macht seine Arbeit – manchmal – Spaß. Warum aber so selten? Nicht, weil er schwitzt, sondern weil er sie nicht gewählt hat: Ein andrer hat sie ihm übergeholfen.

Da kommen wir der Sache schon näher. Arbeit erscheint umso mühseliger, macht umso weniger Spaß, je mehr sie einem fremden Zweck unterliegt. Arbeit ist gebun-denes Tun nach vorgegebenem Zweck. Spiel ist freies Tun ohne Zweck; oder: nach einem Zweck, der „sich findet“ – in dem, mit dem, durch das Spiel.

Denn das haben Kunst und Spiel gemeinsam: eine Sache um ihrer selbst willen tun. Arbeit ist eine Tätigkeit, die um eines Andern, nämlich eines Zweckes willen ge-schieht. Der Zweck ist ihr Was, die Unbotmäßigkeit des toten Stoffs bestimmt das Wie: An der Sicherheit, mit der sie den Stoff dem Zweck anverwandelt, misst sich ihre Qualität. Und wenn es möglich wird, die Tätigkeit zu ersparen und ihre Quali-tät den Maschinen einzubauen, umso besser. Industriearbeit, Lohnarbeit ist die „reine“ Form der Arbeit. Nicht logisch, aber historisch, und darauf kommt’s an. Sie ist die Art von Tätigkeit, die gesellschaftlich gilt – qua Tauschwert, denn der ist der allgemeinste Zweck.

Spiel dagegen wird „um seiner selbst willen“ getan. Aber was bedeutet das? Dass es „befriedigt“? Dann wäre die Befriedigung Zweck, nicht die Tätigkeit, und wir wür-den uns im Kreise drehn. Das Eigentümliche am Spiel ist aber, dass vorher nicht feststeht, ob es befriedigen wird oder enttäuschen. Das Eigentümliche am Spiel ist sein offener Ausgang. Dass es also keinen Zweck hat. Es werden Folgen eintreten, wie bei allem, was man tut. Aber man weiß nicht, welche. Man kann sie nicht „be-denken“. Man mag sie erahnen oder erhoffen, aber man muss es wohl drauf an-kommen lassen... Spiel ist Risiko, und das Risiko ist sein Zweck. Es lebt vom Zau-ber des Unbestimmten. Arbeit dagegen will Bestimmtheit.

Ein Werden und Vergehen, ein Bauen und
Zerstören in ewig gleicher Unschuld hat in
dieser Welt allein das Spiel des Künstlers
und des Kindes. 
Nietzsche 

Die Unbestimmtheit der Zwecke – dass man erst sehen wird, was es werden soll, wenn es etwas geworden ist -, das macht Kunst zum Spiel. Die Künstler der Ver-gangenheit waren sich ihrer Zwecke freilich sicherer als die heutigen. Sie wussten sich beauftragt. Zuerst von geistlichen, dann von immer weltlicheren Mächten. Erst als der Markt die Künstler vom Geheiß der Auftraggeber befreit und ihre Existenz aber auch unsicher gemacht hatte, wurde der Ausgang der künstlerischen Tätigkeit offen. Kunst trat in einen polemischen Gegensatz zur Bürgerlichkeit – d. h. zur Arbeit. Der Künstler wurde vor die Tür gesetzt und lebt seither in einem Reich des Ungewissen. Wie die Kinder. Nur am Sonntag ließ man ihn in die gute Stube: wie die Kinder. In ihnen beiden hat unser Gattungsstil überlebt, als Residuum. Der Vergleich von Kunst und Kindheit ist mehr als eine Metapher. Denn ist der Künst-ler immer ein bisschen wie ein Kind, so ist das Kind, mit Maurice Ravel zu reden, „von Natur künstlich“.                             aus Wird Homo ludens den Homo faber unterkriegen? 


Was immer Spiel sonst auch sei - in jedem Fall ist es eine Tätigkeit, die um ihrer selbst willen ausgeübt wird. Natürlich kann man  dabei auch immer was lernen, und vielleicht gründlicher, als wenn das Lernen gewollt wäre. Wenn das der Fall ist und das Lernen zum Zweck wird -, dann ist es eben kein Spiel mehr. "Spielerisch ler-nen" ist eine Wortblase im Munde von SchlaubergerInnen, die die Kinder nicht ernstnehmen. Denn auch das Lernen kann ihnen ja Freude machen, zum Beispiel, wenn sie das, was sie lernen sollen, selber entdecken müssen. Dafür die Gelegen-heiten schaffen ist die Arbeit von LehrerInnen.                                                                                                      aus Spielen heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun

 
Die Doppelnatur des Menschen, mal Natur-, mal Vernunftwesen, kommt in seiner zwiespältigen Triebstruktur zum Ausdruck: Dem „sinnlichen Trieb“, der auf die Be-friedigung der Bedürfinisse in der Zeit gerichtet ist, steht ein „Formtrieb“ gegen-über, der auf die – logische und moralische – höhere Bestimmung des Menschen in der Ewigkeit zielt. Der eine kommt aus dem prallen Leben, der andre reißt ihn über dessen Verstrickungen hinaus. Nur seinem sinnlichen Trieb preisgegeben, bleibt der Mensch eine Art Gemüse. Nur dem Formtrieb verfallen, erstirbt er dem Leben. Doch es gibt ein Drittes, „in welchem beide verbunden wirken“: der Spieltrieb. [45] Der Gegenstand des sinnlichen Triebs heißt Leben, der des Formtriebs heißt Ge-stalt; „der Gegenstand des Spieltriebs wird also lebende Gestalt heißen können – ein Begriff, der allen ästhetischen Beschaffenheiten der Erscheinung und dem, was man in weitester Bedeutung Schönheit nennt, zur Bezeichnung dient“.[46] Im Spiel sind beide Naturen des Menschen zwanglos vereint, indem „gerade das Spiel und nur das Spiel es ist, das ihn vollständig macht und seine doppelte Natur auf einmal entfaltet. Mit dem Angenehmen“ – dem Gegenstand des Bedürfnisses, – „mit dem Guten und Vollkommenen“ – dem Gegenstand des Formtriebs – „ist es dem Men-schen nur ernst“, und wer kann das aushalten? „Aber mit der Schönheit spielt er. Der Mensch soll mit der Schönheit nur spielen, und er soll nur mit der Schönheit spielen. Er spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“[47]  

Dann – mit dem 19. Brief – bricht Schiller seinen Gedankengang plötzlich ab. So-eben hat er Fichtes „Wissenschaftslehre“ gelesen.[48] Die beiden ‚Triebe’ läßt er nun beiseite, als legten sie einander brach: „Die Entgegensetzung zweier Naturnotwen-digkeiten gibt der Freiheit ihren Ursprung”! Seither gibt es „in dem Menschen keine andere Macht als seinen Willen“. Jene „mittlere Stimmung“, wo die Triebe verstum-men und der Mensch in seinen ursprünglichen „negativen Zustand der bloßen Be-stimmungslosigkeit“ zurückkehrt, diesen „Zustand der realen und aktiven Bestimm-barkeit“ muß man „den ästhetischen heißen“. „In dem ästhetischen Zustand ist der Mensch also Null“, nämlich „an Inhalt völlig leer“, und findet sich in der Freiheit wieder, „aus sich selbst zu machen, was er will. Das Vermögen, welches ihm in der ästhetischen Stimmung zurückgegeben wird“, ist „als die höchste aller Schenkungen zu betrachten“, und es ist „nicht bloß poetisch erlaubt, sondern auch philosophisch richtig, wenn man die Schönheit unsre zweite Schöpferin nennt.“[49]

[45] Über die ästhetische Erziehung des Menschen. In einer Reihe von Briefen, zuerst erschienen in Schillers Zs. Horen; hier zit. nach: Fr. Schiller, Ausgewählte Werke Bd. 6, Stuttgart 1950 (Cotta) , S. 285 
[46] ebd, S. 287 
[47] ebd, S. 290f. 
[48] Fichtes Grundlagen der gesamten Wissenschaftslehre erschienen seit dem Frühjahr 1794 bogenweise als Handschrift für seine Zuhörer. Neu: Hamburg 1979 (PhB); auch in: Fichte, Sämtliche Werke Bd. I, Berlin 1971. – Beide waren Professoren in Jena, Schiller für Geschichte, Fichte für Philosophie. 
49] Schiller aaO, S. 305-310                                                                                                              
aus Schillers Spieltrieb  

Nachtrag. 

"Die Doppelnatur des Menschen" ist keine Natur-, sondern eine Refle-xionsbestimmung. Erst nachdem die Menschen die Welt, in der sie die-se und jene Zwecke zu verwirklichen haben, je nach den Mitteln, die sie dazu einzusetzen finden, in Geist und Soff unterteilt hatten, kamen die auf den Einfall, auch sich selber diese beiden Bestimmungen zuzu-rechnen als zwei verschiedene, aber unvermeidlich komplementäre "Vermögen".


Um wirklich zu spielen, muss der Mensch, solange er spielt, wieder Kind sein.

Johan Huizinga, Homo ludens


Zweierlei will der echte Mann: Gefahr und Spiel.  ...  Im echten Manne ist ein Kind versteckt, das will spielen." 

Nietzsche, Reden Zarathustras


Die Freude am Spiel ist das schlechterdings ästhetische Vermögen: die Bereitschaft, die 'Sachen' nicht nur so anzuschauen, sondern so für wahr zu nehmen, als ob sie 'an und für sich selber' wären; nämlich ohne irgend ein Verhältnis zu irgend einem Andern, und vor allem nicht: zu meinem 'Bedürfnis'. Es ist eo ipso die Kraft zur Abstraktion und ergo der Reflexion. Kurz, am "Grunde" der Vernunft steht das Spiel – als die spezifisch männlich-kindliche Leistung

Der Gedanke, dass die Dinge so, wie sie im Fluss des Geschehens erscheinen, eben nicht 'an und für sich' sind, ist alles andere als ein naturwüchsiger; er kommt un-deutlich erst bei den ionischen Naturphilosophen und ausdrücklich erst bei den Eleaten vor.                                                                                 aus Über das Spielen.

 

Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

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