Donnerstag, 17. Juli 2025

Untersummativ?

Ein dreidimensionales, ineinander verschlungenes Band in leuchtenden Regenbogenfarben, das von Blau über Lila bis zu Gelb und Orange verläuft. Das Band bildet eine komplexe Knotenstruktur vor einem einfarbigen, korallenroten Hintergrund. Die glatte Oberfläche des Bandes reflektiert leicht das Licht, was dem Bild eine moderne und abstrakte Ästhetik verleiht.
aus spektrum.de, 16. 7. 2025                                                                               (zu Jochen Ebmeiers Realien)

Überraschung in der Knotentheorie 
Damit hat niemand gerechnet: Manchmal lassen sich zusammengesetzte Knoten leichter entwirren als die kleineren Einzelknoten, aus denen sie bestehen.

von Manon Bischoff

Wer schon einmal ein Gewirr aus Kabeln oder Schnüren auflösen musste, weiß: Je größer der Knoten, desto schwieriger ist die Aufgabe. Dieses Prinzip haben auch Mathematiker seit Jahrzehnten verinnerlicht. Doch nun haben Mark Brittenham und Susan Hermiller von der University of Nebraska-Lincoln in einer noch nicht begutachteten Veröffentlichung unendlich viele Beispiele für zusammengesetzte Knoten angegeben, die sich leichter entwirren lassen als die Einzelknoten, aus de-nen sie bestehen. Damit haben sie eine rund 90-jährige mathematische Vermutung widerlegt.

Mathematische Knoten unterscheiden sich von jenen, denen man im Alltag begegnet. In der Fachwelt zählen nur jene Kurven dazu, die keine losen Enden besitzen. Man müsste also die Enden der Schnürsenkel nach dem Verknoten miteinander verschmelzen, damit diese auch für Mathematiker als Knoten zählen.  


Im Alltag hat eine einfache Verschlingung offene Enden (links), die mathematische Version ist geschlossen (rechts).

Ein wichtiges Maß, um Knoten zu charakterisieren, ist hierbei die Entknotungszahl. Diese sagt aus, wie oft man einen Knoten durch sich selbst ziehen müsste, um ihn zu entwirren. Je mehr Schritte dafür nötig sind, desto komplexer ist der Knoten. Bislang hielt sich eine Überzeugung hartnäckig: Wenn man zwei Knoten miteinander verschmilzt – diese also jeweils an einer Stelle durchschneidet und die losen Enden zusammenfügt –, dann ist die Entknotungszahl des neuen Knotens mindestens so groß wie die Summe der Entknotungszahlen der beiden einzelnen Knoten. Sprich: Das Zusammenführen zweier Knoten führt stets zu mehr Chaos.

Doch diese erstmals im Jahr 1937 geäußerte Vermutung entpuppt sich als falsch. Brittenham und Hermiller fanden mit Hilfe von Computerunterstützung zusammengesetzte Knoten, deren Entknotungszahl kleiner ausfällt als die Summer der Entknotungszahlen der beiden Einzelknoten. Diese Funde konnten sie verallgemeinern und schließlich unendlich viele Beispiele für zusammengesetzte Knoten mit dieser Eigenschaft liefern. »Wir haben nach einem Gegenbeispiel gesucht, ohne wirklich zu erwarten, dass wir eines finden würden, weil diese Vermutung schon so lange bekannt war«, sagte Brittenham zu »New Scientist«. »Wir gingen davon aus, dass die Vermutung wahrscheinlich zutreffen würde. Unser Ergebnis war sehr unerwartet und sehr überraschend.« 

 

Nota. - Seit Aristoteles kursiert der Spruch, ein Ganzes sei mehr als die Summe seiner Teile. Das nennt man Übersummativität. Was genau drunter zu verstehen ist, wurde nie einvernehmlich festgestellt, aber mit Logik hatte es wohl nicht viel zu tun. Allgemein wird angenommen, die Mathematik sei die Feuerprobe der Logik, und mathematisch hat es keinen Sinn: Gemeint ist wohl "was Höheres". Es mag wohl nur bedeuten, dass zwei Ganze zu einander in Verhältnisse treten können, die mehr sind, als die möglichen Verhältnisse zwischen ihren Teilen. 

Ein Haufen Kieselsteine ist in gewisser Weise 'mehr', als die auf dem Boden zer-streuten Körnchen: Er hat eine Gestalt. Aber nur in der Anschauung. Als Begriff taugt er nichts. Die Frage, ab dem wievielten Teilchen eine bloße Anzahl ein Hau-fen ist, führt nur zu dem Ergebnis, dass man Anschauungen und Begriffe tunlichst nicht vermengen sollte.

Aber mathematisch scheint es nun so zu sein, dass ein Ganzes weniger sein kann als seine Teile. Was ist der Sinn? Was soll man sich darunter vorstellen? 

Dass es logisch keinen Sinn hat, scheint augenfällig. Höhere Mathematik ist nicht augenfällig. Anschauen, nämlich unterscheiden kann man die Einzelkno-ten in dem Groß(-Meta)Knoten nicht. Doch den Großknoten selbst kann man nicht nur an-schauen, sondern auch ununterschieden davontragen; und mit ihm die Einzelkno-ten. In dieser Hinsicht ist er mehr als die Summe seiner Teile. Wie kann es anders sein?

Vielleicht ist bloß das Verhältnis zwischen Mathematik und Logik anders, als man meint. In der Logik wird nur festgestellt, 'was der Fall ist', doch in der Mathematik wird operiert - und zwar durchgängig; womöglich ist es das Verschmelzen, das den Unterschied zwischen mathematischen und irdischen Knoten ausmacht und den ganzen Vergleich hinken lässt? Sandkörnchen sind nicht verschmolzen, sondern jedes 'für sich'; einen mathematischen Metaknoten gibt es in der Wirklichkeit gar nicht (jedenfalls nicht in einer Größenordnung, die das griechische Beiwort recht-fertigen würde)
JE 

  

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