Alhambra zu Geschmackssachen
Kant unterscheidet eine pulchritudo adhaerens, die an einer Sache erscheint, von einer pulchritudo vaga, die ohne den Vorwand eines Gegenstands 'für sich allein' erscheint. An eine ungegenständliche, "abstrakte" Kunst hat er dabei noch nicht gedacht, sondern allenfalls an die wuchernde Ornamentik in den islamischen Län-dern, wo ein Bildverbot herrscht.
Landschaftskunst hat er offenbar nicht gekannt, war in Deutschland auch noch nicht in Mode. Er bemerkt nur beiläufig, dass ihm das wilde Hochgebirge und das aufgewühlte Meer "grässlich" vorkommen.
Wie ist es aber mit Landschfatsbildern: Ist ihre Schönheit, wenn man eine solche an ihnen erkennt, an ihrem Gegenstand adhaerens, oder weil sie ja im Auge des Be-schauers liegt, vaga?
Die Schönheit eines Machwerks - Bild oder Statue - ist auch insofern nicht vaga, weil sie ja von einem Macher beabsichtigt und gemeint wurde. Sie wird dem Be-trachter an- und zu gemutet. Er mag sich angwidert abwenden und sagen, der Künstler habe sich vergriffen, sei's in seinen Mitteln, sei's in seinem Geschmacksur-teil. Aber die Anmutung schlicht übersehen kann er nicht, und wenn er sie auch nur mit einem Achselzucken quittieret.
Das ist mit einem Naturgegenstand anders. Den hat keiner gemacht oder gemeint. Man kann ihn, wenn man ihn überhaupt bemerkt, als unerheblich unbeachtet links liegen lassen. Nicht aber, wenn es sich um ein als Lebensmittel nützliches Produkt handelt; da könnte man sagen 'brauch ich nicht', aber wie es gemeint hat, drängt sich "von alleine" auf.
Nicht so ein Berg, ein Tal, ein Wasserlauf, eine Wolkenformation. Die Frage, ob sie schön sind, drängt sich nicht auf, man muss sie sich selber stellen; und das tut man nur, wenn man gerade nichts besseres zu tun hat.
Wenn man dann Schönheit an ihnen findet, ist sie mehr vaga als die Arabesken der Alhambra.
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