Freitag, 23. Mai 2025

Die Aura des Singulären.

                                                                               zu Geschmackssachen

Noch das Beste von dem überschätzten Walter Benjamin ist nur halbklug: das Wort von der Aura des Kunstwerks. Ihm zufolge stamme sie aus der Vergötzung des gro-ßen Künstlers, dessen eigne Hand man darin erkenne.

Das ist noch ganz Oberfläche. Dahinter, besser: tief darinnen steckt das Bestreben der ästhetischen Anschau- ung, das Objekt 'ganz an sich', nur als es selbst, als ein Singulum wahrzunehmen. Nicht erst als Werk, schon als Ästhetikon soll es einzig-artig sein und mit nichts anderem vergleich- oder gar verwechselbar. Da ist die Ei-genhändigkeit des Werks nur ein Surrogat für die ungenügende Ausgezeichnetheit des ästhetischen Objekts.

Noch das heute fast unerfüllbare Begehr nach der Neuheit des Kunstwerks ist nur ein lascher Ersatz für die Singularität des ästhetischen Erlebens. Was neu ist, ist 'noch nie dagewesen'; wird aber, zumal im Zeitalter seiner technischen Reprodu-zierbarkeit, sogleich tausendfach kopiert, und wird entwertet.

Die Erwartung eines einmaligen ästhetischen Erlebens kann sich immer weniger an die Kunst richten - und das merkt man ihr schon lange an
.
aus e. Notizbuch, 9. 10. 19

Nachtrag. 

Und mittlerweile ist so vieles "schon dagewesen" und in Internet schon von so Vie-len gesehen worden, dass keiner mehr ganz sicher ist, ob er es - und sei es in unvoll-endetem Modus - nicht längst irgendwoher kannte. Ferruccio Busoni, der selber am Untergang der Tonalität mitarbeiten wollte, sagte der Zwölftonmusik ihren öffent-lichen Misserfolg voraus: "Man weiß bei keinem Stück, ob man es schonmal gehört hat oder nicht." Von wem es stammen mag, darf einem da zu Recht gleichgültig sein.

Ich schrieb mal, Kunst sei, was Künstler machen. Aber wenn nicht einmal mehr die Werke unverwechselbar sind, sind es die Künstler schon gar nicht, und ob man da-zugehört, entscheidet der volatile Marktwert.



 

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