Dienstag, 6. Mai 2025

Abstrakter Expressionismus.


Helen Frankenthaler,  Off White Square, 1973                                                                                       

Wenigstens einmal zu viel habe ich auf diesem Blog geschrieben, die Ungegenständ-lichkeit sei eine unumgängliche Versuchung der Malerei gewesen, habe sich aber schon bald ebenso unumgänglich in einer Sackgasse festgefahren. Das war eine europäische Sichtweise, die mit dem imperialen Comeback der Abstraktion nach dem II. Weltkrieg nicht gerechnet hat. 

Die war aber, wie der Sieg über die Wehrmacht, aus Amerika herübergekommen - wo sie allerdings gerade erst brandneu das Licht der Welt erblickt hatte. Der Ab-strakte Expressionismus war in der Tat die erste wirklich autochthone Kunstrich-tung Nordamerikas gewesen - alles zuvor Echo oder Randbemerkung zu europäi-schen Vorgängern. Dieser explodierte am Kriegsende förmlich, und dass er wie alles Amerikanische, z. B. Cool Jazz und Boogie Woogie, nach Europa schwappte, war weniger ein spezifisch malerisches als vielmehr allgemein politisches, gesell-schaftliches und kulturelles Phänomen; und betraf den öffentlichen Geschmack überhaupt. Nicht eine Neuerfindung der Ungegenständlichkeit durch die befreiten Maler, sondern ein weltpolitischer Umschwung allererster Ordnung hat die fast to-talitäre Herrschaft der Abstraktion in den fünfziger und sechziger Jahren begrün-det.

Eine Lücke in meinem Horizont habe ich erst anlässlich von Helen Frankenthaler bemerkt. Vor einer näheren Anschauung des Abstrakten Expressionismus haben mich Pollock und Motherwell (mit dem Helen F. verheiatet war) abgeschreckt. Doch Willi Baumeister hatte meine kriegerische Aversion gegen die Fünfziger Jahre, in denen ich aufgewachsen bin, bereits aufgeweicht.


 

 

 

 

 

 

Judit Reigl, Dominanzzentrum, 1958

Bevor ich obigen Ausstellungsbericht las, war mir der Name Judit Reigl nie begeg-net. Im Barberini ist nur das eine Dominanzzentrum von 1958  - es gibt davon etli-che Varianten - zu sehen, die andern Bilder von Judit Reigl habe ich im Internet zu-sammengesucht. Die Freude über eine weitere ganz unerwartete Offenbarung wur-de gedämpft von der Erkenntnis, dass die Künstlerin eine ganze Reihe von Malwei-sen versucht hat, von denen manche dann doch so läppisch ausfielen wie das meiste ihrer zeitgenössischen Kollegen. 

Und zum Abschluss doch noch ein Pollock:

Jackson Pollock, Painting, 1943        Wie Sie sehen, mehr surreal als abstrakt. Vom Himmel gefallen sind die Abstrakten Expressionisten auch nicht; nicht einmal aus ihrer Mutter Erde gesprossen.

Kommentar zu Abstrakter Expressionismus im Potsdamer Barberini. JE 30.05.2022    



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