aus Neue Zürcher Zeitung, 30. Januar 2010 Paul Cézanne, La carrière de Bibémus, 1895
Zum Verhältnis von Diskurs und Malerei
Noch
in der Gotik war die Schrift selbstverständlich Teil der Malerei. In
den illusionistischen Bildräumen der Renaissance aber hatte sie keinen
Platz mehr. Das änderte sich erst wieder mit der Kunst der Moderne, in
der die Schrift auf neue Weise wieder auftaucht – nicht immer in
eindeutiger Art allerdings.
Von Peter Bürger
Geprägt
durch die Moderne, wie wir sind, erscheint uns alles Diskursive, d. h.
das Gegenständliche und das Erzählende, immer noch als etwas der Malerei
Fremdes – und dies obwohl mit Pop-Art und Neuen Wilden der Gegenstand
und seither auch die Erzählung in die Malerei zurückgekehrt sind. Wie
eng einst die Verschränkung von Bild und Schrift war, ist für uns daher
schwer nachzuvollziehen. ...

Braque, Geige und Krug
Antoni Tàpies
Rothko
Cy Twombly, Virgil
Norbert Schwontkowski
Vilhelm Hammershøi, Wohnzimmer aus Geschmackssachen
Versuchen
wir mal ganz vorsichtig, uns dem Thema zu nähern. Lassen Sie's mich so
sagen: Ich glaube, man wird der künstlerischen Intention Cy Twomblys
nicht gerecht, wenn man über seine Werke - und namentlich dieses - so
viele Worte macht. Mit Norbert Schwontkowski mag das anders sein, viel
habe ich von ihm noch nicht gefunden. Worte machen ist aber das Geschäft
sowohl der Kunsthistoriker als auch der ästhetischen Theorie.
Bleibt die Frage, ob es so viele sein müssen.
Im
vorliegenden Fall: Der Text ist bloß scheinbar komplex, in Wahrheit
aber nur vertrackt und umständlich. Das liegt an der Prämisse - die
Sprache des Autors ist ganz verständlich. Und die Prämisse ist: Sache
der Kunst wäre es (irgendwie), 'uns mit Hilfe von Bildern über unsere
Welt zu verständigen'. Und es ist klar: Wo es um Verständigen geht, wird
ohne diskursive Rede nichts zu machen sein. Und mit diskursiver Rede
wird zum Zwecke der Verständigung am meisten zu erreichen sein, wenn sie
sich an die Schärfe des Begriffes hält und auf Bilder ganz verzichtet.
Zum Zweck der Verständigung haben wir die Wissenschaft. Wenn man Kunst
überhaupt braucht - was diskutabel ist -, dann jedenfalls zur
Verständigung nicht.
Wenn
die Bilder aber zur Verständigung über die Welt dienen sollen, dann
müssen sie, wie der Begriff in diskursiver Rede, eine identifizierbare
Bedeutung haben, die man aus ihnen lesenkann, so als hätte sie einer hinein geschrieben. Ja,
und so war es auch in der Kunst bis zur Renaissance, und auch seither
hat die Kunst sich erst langsam und unter Wehen aus ihrer Befangenheit
in den mondänen Bedeutungen gelöst. Ich habe zu zeigen versucht, wie es
insbesondere die Landschafts-Malerei war,
die es erlaubt hat, das ästhetische Moment der Kunst von seinen
thematischen Verstrickungen zu entbinden. Sie zu befreien aus dem
engstirnigen Dogma, sie habe 'der Verständigung über die Welt' zu
dienen!
Die Freisetzung des Ästhetischen aus
den Zweckmäßigkeiten ist ein Gewinn und kein Verlust. Und unter diesem
Gesichtspunkt hat die zeitweilige Aufgabe der Gegenstände in der Malerei
des zwanzigsten Jahrhundert in der Tat zu einer Verarmung geführt -
aber ganz anders, als Peter Bürger es sich erklärt. Sache der Kunst ist
es nicht, an der Stelle der von Zwecken verödeten Welt eine andere,
schönere zu erfinden: auch dazu sind die diskursiven Disziplinen besser
geeignet; sondern neben und außer der sattsam bekannten Zweckmäßigkeit
der Dinge ihren ästhetischen Schein zur Anschauung zu bringen. Dazu
könnten wir sie brauchen in einer Welt, in der die Arbeit aufgehört haben wird, der Sinn des Lebens zu sein. Aber dienen dürfte sie auch und gerade dann nichts und niemandem.

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