Donnerstag, 19. Juni 2025

Wandernder Homo sapiens .

Auf nach Asien: Künsterische Darstellung einer Gruppe afrikanischer H. sapiens auf dem Weg hinüber zur arabischen Halbinsel 
aus FAZ.NET, 19. 6. 2025                                                                 zu  Philosophierungen  zu Jochen Ebmeiers Realien 

Von Afrika nach Amerika
Neuigkeiten über die Ausbreitung des Homo sapiens über die Erde: Sein Siegeszug bereitete sich schon in Afrika vor – und nach Nordamerika kam er tatsächlich viel früher als lange gedacht

Wir sind alle Afrikaner. Dieser Befund ist keine 40 Jahre alt. Noch bis zur Jahrtau-sendwende war die These, die Spezies Homo sapiens sei auf dem afrikanischen Kon-tinent entstanden, heftig umstritten. Doch immer präzisere Funddatierungen und genetische Informationen aus fossilem Knochen haben von der konkurrierenden Hypothese einer multiregionalen Abkunft der modernen Weltbevölkerung von älteren, archaischen Formen des Genus Homo an verschiedenen Orten der Erde wenig übrig gelassen. Alle heutigen Menschen stammen ganz überwiegend von Leuten ab, die vor 50.000 Jahren Afrika verließen.

Doch Homo sapiens war schon lange davor aus Afrika hinausgezogen. So gibt es Hinweise auf seine Anwesenheit in Griechenland vor mehr als 200.000 Jahren, in China vor mehr als 80.000 und sogar in Australien vor rund 65.000 Jahren. Aller-dings waren diese frühen Migrationswellen in einem gewissen Sinne nicht nachhal-tig: Sie hinterließen keine nachweisbaren Spuren im Genom der heutigen Men-schen.

Warum nicht? Oder anders gefragt: Warum klappte die Eroberung der Welt und die vollständige Verdrängung aller anderen Homininenformen – etwa des Neanderta-lers in Europa – dann am Ende doch? Was machte den Auszug vor 50.000 Jahren so besonders? Bisherige Erklärungen postulierten werkzeugtechnische Innovatio-nen oder die Ausbildung eines fitteren Immunsystems nach der Vermischung mit außerafrikanischen Homininen. Doch für ersteres gibt es keine Indizien und zu letzterem muss auch in früher ausgewanderten Populationen gekommen sein, ohne dass es sie schließlich vor dem Verschwinden rettete.

Eroberung neuer Nischen in Afrika

Eine Gruppe um die maltesische Archäologin Eleanor Scerri, Leiterin der For-schungsgruppe für Paläosysteme am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena, sowie des Evolutionsbiologen Andrea Manica von der Universität Cambridge hat nun in Nature neue Ergebnisse veröffentlicht, die diese Frage beantworten hel-fen.

Die Forscher kompilierten dazu eine Datenbank hinreichend genau datierter ar-chäologischer Daten aus ganz Afrika während der jüngsten beiden Eiszeiten, zwi-schen 120.000 und 14.000 Jahren vor heute. Dies kombinierten sie mit Informati-onen aus Klimasimulationen, welche Aufschluss über die Entwicklung der verschie-denen ökologischen Nischen in diesem Zeitraum geben. Das erlaubte ihnen nach-zuverfolgen, wann Menschen in Afrika welche Nischen besetzten und darin über-leben konnten.

„Ökologen haben erst vor rund 25 Jahre begonnen solche korrelativen Methoden zur Modellierung von Nischen zu nutzen“, schreibt der Paläohistoriker William Banks vom Centre National de la Recherche Scientifique in Bordeaux in einem be-gleitenden Kommentar in Nature und nennt die Arbeit des Teams um Scerri und Manica ein Beispiel dafür, wie leistungsfähig solche interdisziplinären Ansätze in der Archäologie und Anthropologie sein können.

Frühste Ornamente: Die Verzierungen auf diesem sieben Zentimeter langen Stück Ocker aus der Blombos-Höhle in Südafrika ritzten Angehörigen des Homo sapiens vor rund 70.000 Jahren.
Frühste Ornamente: Die Verzierungen auf diesem sieben Zentimeter langen Stück Ocker aus der Blombos-Höhle in Südafrika ritzten Angehörigen des Homo sapiens vor rund 70.000 Jahren. 

Tatsächlich konnten die Autoren damit nachweisen, dass das von Menschen besetz-te Nischenspektrum sich vor etwa 70.000 Jahren deutlich auszuweiten begann und dieser Vorgang bald eine Dynamik entfaltete, die vor 50.000 Jahren ihren Höhe-punkt erreichte – gerade um die Zeit des folgenreichen Auszugs aus Afrika.

Das hat den erfolgreichen Exodus offenbar entscheidend vorbereitet, schließen die Forscher aus ihrer Analyse. „Diese vermehrte Fähigkeit, sich neuen Habitaten an-zupassen, von äquatorialen Wäldern bis zu Trockenwüsten, dürfte den menschli-chen Populationen die nötige ökologische Flexibilität gegeben haben, um mit den neuen Umweltbedingungen fertig zu werden, denen sie im Verlauf der Expansion aus Af-rika begegneten“, schreiben sie. „Das erlaubte ihnen dann den Erfolg, der früheren Migrationswellen versagt geblieben war“.

Ohne Nebeneffekte war diese neue Anpassungsfähigkeit indes nicht, wie die For-scher in ihrer Arbeit erwähnen. „Eine zweite Expansion ist dann von etwa 29.000 Jahren an zu beobachten“, schreiben Scerri und Kollegen. Dann, am Beginn der jüngsten Eiszeit, hätten Menschen sämtliche Regionen und Ökosysteme Afrikas besetzt und an deren Ende eine Reihe neuer Verhaltensweisen an den Tag gelegt. „Darunter teilweise Sesshaftigkeit, Hinweise auf dauerhafte soziale Netzwerke über weite Strecken hinweg und wachsende interterritoriale und interpersonale Gewalt“.

Wenig später sind die Nachfahren der Auswanderer dann bereits in der neuen Welt nachweisbar, wie eine andere in dieser Woche erschienene Studie nun abschließend gezeigt hat. Vor vier Jahren hatte ein Team um den britischen Geographen Matthew Bennett einen sensationellen Fund veröffentlicht: In Science berichteten sie über die Entdeckung menschlicher Fußspuren im versteinerten Ufersand eines ehemali-gen Sees im White Sands National Park im amerikanischen Bundesstaat New Mexi-co.

Das Sensationelle daran: ihrer Datierungen zufolge waren die Fußabdrücke zwi-schen 21.000 und 23.000 Jahre alt. Sie stammen damit aus der Zeit, an der die jüng-ste Eiszeit ihren Höhepunkt erreicht hatte. Bis dahin stand in allen Schul- und Lehrbüchern, die ersten Menschen hätten aufgrund der eiszeitlichen Vergletsche-rungen erst später nach Nordamerika einwandern können. Die frühesten gut do-kumentierten Jäger-und-Sammler, die Angehörigen der sogenannten Clovis-Kultur, traten denn auch erst vor etwa 13.000 Jahren auf.

Dies ist nun endgültig überholt. In Science Advances hat ein Team unter der Lei-tung von Vance Holliday von der University of Arizona ganz ohne Beteiligung des Bennett-Teams, mit neuen stratigraphischen Daten und der Radiocarbon-Analyse von 26 weiteren Proben in zwei verschiedenen Laboren das Alter jenes versteiner-ten Seeufers in New Mexico noch einmal unabhängig bestimmt. Es ist demnach definitiv zwischen 23.600 und 17.000 Jahre alt. So sicher wie man sich in der Na-turwissenschaft [!] überhaupt sein kann waren damals also schon Menschen in Amerika. Keine Dreißigtausend Jahre nach dem Aufbruch ihrer Vorfahren aus Afrika. 


Nota. - "Eroberung neuer Nischen"? Herr v. Rauchhaupt, das ist ein ganz falscher Zungenschlag. Nischen erobert man, um sich darin einzunisten. Was Sie uns hier berichteten, ist etwas ganz anderes. Eingenistet haben sich immer nur ein paar, die andern sind weitergezogen: Das ist es, worauf es gattungsgeschichtlich ankommt. Die menschliche Gattung hat sich erhalten und ausgebildet, indem sie sich über zehntausende von Jahren zum Homo vagans stilisiert hat. Zehntausende von Jah-ren, das ist evolutionär nicht viel? Genau; und darum handelt es sich auch um einen revolutionären Bruch - einen Sprung, und keinen graduellen Übergang: einen Ur- sprung.

Hätte der Mensch sich nicht zum Überleben in der Migration ermächtigt, gäbe es ihn heute nicht mehr. Genauer gesagt, alle anderen Zweige der Familie homo, die sich dazu nicht aufraffen konnten, sind untergangen.*  

Einen solchen Sprung hat auch keine andere Gattung unternommen. Die Wieder-käuer, die in Nordamerika und im Südteil Afrikas von Nord nach Süd und rück-wärts durch die ewiggleiche Steppe ziehen, tun nichts als das, den Jahreszeiten fol-gend. So unsere Zugvögel.

Eigentlich bildete der Übergang zur Vaganz in den Savannen, die durch den auf-rechten Gang erst möglich geworden war, den ersten Schritt zur Sonderstellung des Menschen unter den Lebewesen. Es zeichnet die menschliche Gattung aus, dass sie sich dazu ausgebildet hat, unter sämtlichen klimatischen und topographischen Be-dingungen zu überleben - indem sie sie notfalls nach ihre Bedürfnissen zu sekundä-ren Nischen einrichten.

*) Übrigens auch die Gruppen, die während der Wanderzeit in Nischen hängeglieben waren. Auch dort lebt heute nurmehr Homo sapiens; auch in Denisova und dem Neandertal. 
JE   

 

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