südl. Gazastreifen zu öffentliche Angelegenheiten
Der Krieg zwischen Persien und Israel geht nicht um das Verhältnis der beiden Länder, sondern um den Platz Israels in der Region und der Welt, das ist eine Bin-senweisheit. Völkerrecht und diplomatische Winkelzüge sind nicht die geigneten Objektive, um einen Augenblickszustand zu inspizieren. Man muss schon die Ge-schichte bemühen, um den heutigen Tag zu bewerten.
Das Kernproblem ist das Existenzrecht Israels.
Wer zuerst dort gewesen ist, ist historisch nicht ausschlaggebend - doch Araber waren es jedenfalls nicht. Das ist keine Bezeichnung einer Ethnie oder einer staatlichen Einheit, sondern ein Name für die, die Arabisch sprechen. Die arabi-sche Sprache ist entstanden mit dem Islam - nämlich beide aus Mohammeds Vortrag des Koran.
Wohl hatte man dort seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden diverse semitische Idiome verwendet, doch Hebräisch war schon zu Jesu Zeiten in Palästina - der Name bedeutet aber nicht Judenland, sondern Philisterland, und die Philister hatten keine semitische Sprache - und zu Jesu Zeiten war auch in Israel und Judäa Hebrä-isch nicht mehr üblich, sondern Aramäisch, das auch die Gemeinschaft der Apostel benutzte.
Eine jüdische Staatlichkeit gab es seit dem Aufstand gegen Rom und der Zerstö-rung des Tempels im Jahr 70 n. Chr. nicht mehr,* doch wenn ein Großteil der mo-saischen Glaubensgemeinschaft sich seither in eine Diaspora zerstreute, geschah das nicht aus freien Stücken, sondern als Widerstand gegen koloniale Zwangsherr-schaft.
Die Herrschaft Roms ging in die Herrschaft von Byzanz über, und als das islami-sche Heer in Palästina einfiel, stieß es dort auf Ostrom und nicht auf Israel und Judäa.
Die Juden haben seither um die Rückkehr nach Jerusalem gebetet, aber nicht ge-kämpft - dafür haben sie sich allerorten in ihre neue Heimat zu gut eingefügt; als teils unterdrückte, teil privilegierte Minderheit.
Nota bene: Dass den venezianischen Juden die Insel Ghetto in der Lagune als Wohnort angewiesen wurde, war keine Unterdrückung, sondern ein Vorrecht: Dort durften sie nach mosaischem Recht ihre eigene Gemeinde bilden und waren an die Gesetze des christlichen Umlands nicht gebunden. Die prekäre Stellung zwischen den Gesetzen und nur halb der christlichen Obrigkeit untertan und mit dem un-christlichen Recht zum Geldverleihen gegen Zins ausgestattet, hatten sie immer wieder Anlass, sich verfolgt und unterdrückt zu fühlen. Umso größeren Wert legten sie auf ihre familiären, konfessionellen und kulturellen Verbindungen über die Gren-zen der christlichen Reiche hinweg.
Das hat sie bei den andern in zusätzlichen Verruf gebracht, und die Geschichte des christlich-westlichen Antisemitismus war eine Schraube ohne Ende. Es war aber das halbasiatische Zarenreich, das den Pogrom zum politischen Herrschaftsinstrument machte - und unvermeidlich im Zionismus eine Gegenwehr hervorrief.
Die Balfour-Deklaration war eine diplomatische Finte, um die Allianz der Mittel-mächte mit dem Osmanischen Reich zu schwächen, aber die osteuropäischen Zio-nisten nahmen sie für bare Münze. Als Großbritannien das Völkerbundsmandat für Palästina erhielt, geriet es in die Klemme. Im Nahen Osten hatten sie die Osmanen nicht zuletzt wegen der Unterstützung durch arabische Stämme und Dynasten be-siegt, und nun saßen sie zwischen den Stühlen. Doch kein Problem: Die einen ge-gen die andern ausspielen war das Geheimnis britischer Kolonialpolitik immer ge-wesen. Warum nicht zwischen Arabern und Juden in Palästina? Freilich orientierten sie ihre Palästina-Politik nicht im mindesten an der Judenverfolgung in Deutschland.
Aber die Juden wurden - nach der europäischen Shoah wohl begreiflich - militant. In einem gewissen Sinn beruhte die Gründung des Staates Israel mehr auf der öf-fentlichen Meinung der Welt, als auf einem wirklichen, auf dem Schlachtfeld ge-prüftern Übergewicht der jüdischen Eingeborenen und jüdischen Neusiedler.
Der kurze militärische Konflikt von 1948, der die Proklamation des Staates Israel besiegelte, erwis - wie danach immer wieder - die Zersplitterung der Gegenparteien. Jeder Machthaber behauptete, die Interessen der arabischsprachigen Palästinenser zu vertreten doch stets so, dass es seine eigne Herrschaft nicht beschädigte: Zuerst, solange man den israelischen Sieg 'nicht anerkannte', mochte man die vertriebenen Palästinenser in Lagern zur Rückkehr bereithalen. Aber seither - seit einem Dreivier-teljahrhundert - ist das offenkundig zu einer zynischen Lüge geworden. Dass "die Palästinenser" noch heute, seit Generationen, in Lagern leben, verdanken sie, vor-sichtig ausgedrückt, den umliegenden Araberstaaten mindestens ebensosehr wie dem Staat Israel. Denn ihre Integration hätte deren Machthaber um ihren zeitlosen bonapartistischen GEGNER gebracht - und zudem die inneren sozialen Verwer-fungen, die der Bonapartismus gerade vertuschen soll, verschärft.
Eine schlimme Sache. Und das Schlimmste daran ist, dass es die Palästinenser ab-sichtlich davon abgehalten hat, sich eine eigene repräsentative Führung zu schaf-fen.
Anwärter auf die Anführer einer palästinensischen Nation gab es reichlich; immer merh oder minder gewalttätige und selbst kriminelle, nämlich bewaffnete Banden, die einander aufs Blut bekämpften und sich den "palästinensischen Massen", einge-keilt in ihren Lagern, von oben als Führung zu oktroyieren anboten.
Das ist aktuell - aber schon seit Jahrzehnten - der Kern des Palästina-Poblems: dass die Palästinenser keine eigenständige politische Größe darstellen, mit der irgendwer irgendwelche Verträge abschließen könnte, die eine Aussicht hätten, eingehalten zu werden. Alle möglichen Anrainer, bzw. deren Atokraten, haben ein unmittelbares Interesse daran, den explosiven Status quo aufrecht zu erhalten, und seit Jahr und Tag dringender das religiös entlehrte Mullah-Regime in Persien.
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Dass die Regierung Netanjahu alles getan hat, die Situation zu verschärfen, und al-les unterlassen hat, was sie hätte entspannen können, kann ich schlecht bestreiten. Das hat dazu geführt, Exzesse en détail schon fast für normal zu halten - was frü-her auf israelischer Seite ganz undenkbar war. Aber heute ist die Lage so, wie sie ist. In keiner Weise kann man Israel dafür Vorwürfe machen, dass es seit dem 7. Okto-ber 2024 mit allen verfügbaren Mitteln bestrebt ist, die Hamas zu vernichten. Dass Persien es für richtig hielt, militärisch einzugreifen, liegt zweifelsfrei an den inneren Nöten des Mullahregimes.
Aber dessen Überlebenssorgen dürfen nicht die ganze Region in Brand setzen. Der Rauch würde uns bis nach Deutschland den Atem verschlagen.
Merz hat es am diplomatischen Seichtsprech fehlen lassen, aber in der Sache stimmt es schon: Diesmal verrichten die Amis die Drecksarbeit für uns alle.
*) Im nördlichen Kaukasus gab es im 8. - 10. Jahrhundert das Khanat der Chasaren, die in ihrer Mehrheit der mosaischen Konfession angehörten. Die Chasaren waren ein Turkvolk, das aus Zentralasien zugwandert war, und zählen nicht wirklich zur Diaspora. Vieles liegt noch im Dunkeln.
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