aus scinexx.de, 18. 6. 2025 Drei Viertel aller normalen Materie
im Kosmos steckt nicht in Himmelskörpern oder Galaxien, sondern im
diffusen intergalaktischen Medium, wie ein Kartierung enthüllt. zu Jochen Ebmeiers Realien
Jetzt haben die Astronomen ein Werkzeug gefunden, mit dem sich diese verborgene Materie kartieren lässt: Fast Radiobursts (FRB). Die ultrakurzen, aber energiereichen Radioblitze legen Milliarden Lichtjahre zurück und passieren dabei auch die weiten intergalaktischen Räume. Wenn sie dabei auf Materieteilchen treffen, werden die Radiowellen leicht gestreut. Ihr Frequenzspektrum verbreitert sich dadurch ähnlich wie ein Prisma das Sonnenlicht in seine Farben aufspreizt. Das Maß dieser Dispersion verrät den Astronomen, wie viel Materie dieser Radiopuls begegnet ist.
Für ihre Kartierung werteten Connor und sein Team 69 Fast Radiobursts aus verschiedenen Entfernungen aus. Die nächsten stammen aus einer nur rund 11,7 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie, der weiteste FRB hat bis zu uns rund 9,1 Milliarden Lichtjahre zurückgelegt. Aus Entfernung und Dispersion dieser kosmischen Radioblitze ermittelten die Astronomen die Dichte und Menge der Baryonen im intergalaktischen Medium.

Das Ergebnis: Der mit Abstand größte Teil der normalen Materie steckt weder in Sternen, Planeten noch anderen festen Himmelskörpern. „Unsere Analysen legen stattdessen nahe, dass mehr als 90 Prozent der Baryonen im Kosmos in kalten Gasen oder im diffusen, ionisierten Zustand vorliegen“, berichten Connor und seine Kollegen. Nur rund neun Prozent aller Materie findet sich den neuen Daten zufolge innerhalb von Galaxien. 15 Prozent kommt in den gasreichen Halos der Galaxien vor.
Der große Rest jedoch – 76 Prozent aller normalen Materie im Universum – verbirgt sich im weiten Raum zwischen den Galaxien. Diese Baryonen verteilen sich im intergalaktischen Medium. „Beim jahrzehntealten Problem der fehlenden Baryonen ging es immer um die Frage, wo diese Materie steckt“, erklärt Connor. „Jetzt wissen wir dank der Fast Radiobursts: Drei Viertel der Baryonen schweben zwischen den Galaxien.“
“Dies ist ein Triumph der modernen Astronomie“, ergänzt Koautor Vikram Ravi vom California Institute of Technology. „Wir beginnen nun, die Struktur und Zusammensetzung des Universums in ganz neuem Licht zu sehen – dank der Fast Radiobursts. Diese ultrakurzen Blitze erlauben es uns, auch die unsichtbare Materie zu erfassen, die die weiten Räume zwischen den Galaxien füllt.“ Die neuen Erkenntnisse können nun dazu beitragen, die kosmische Geschichte, das Wachstum und die Verteilung von Galaxien und andere Fragen der Kosmologie aufzuklären.
Die Astronomen planen bereits, ihre Baryonen-Kartierung noch weiter auszuweiten. Dabei helfen soll unter anderem ein in der Wüste von Nevada geplantes Radioobservatorium aus 2.000 einzelnen Fünf-Meter-Antennen. „Radioteleskope der nächsten Generation wie das DAS-2000 und andere werden tausende Fast Radiobursts pro Jahr detektieren“, sagt Ravi. (Nature Astronomy, 2025; doi: 10.1038/s41550-025-02566-y)
Quelle: Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian, California Institute of Technology
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