aus welt.de,&Der Große Kurfürst bei Fehrbellin – Gemälde von Wilhelm Camphausen (1878) zu öffentliche Angelegenheiten
In Staub mit allen Feinden Brandenburgs! – Mit diesen Worten lässt der Dichter Heinrich von Kleist sein 1809/10 verfasstes Drama „Prinz Friedrich von Homburg“ enden. Der Ruf, von allen Akteuren ausgebracht, wurde zu einem patriotischen Postulat. Denn als Kleist sein Werk schrieb, war Preußen nach der vernichtenden Niederlage von Jena und Auerstedt 1806 ein Satellitenstaat Napoleons I. Für die Befreiung von der Fremdherrschaft mobilisierte der Autor die Erinnerung an eine Schlacht, aus der die Hohenzollern mehrere Generationen zuvor als Sieger hervorgegangen waren, nur dass damals nicht die Franzosen, sondern die mit ihnen verbündeten Schweden die Gegner gewesen waren. Diese Schlacht von Fehrbellin am 28. Juni 1675 wurde damit zu einem Symbol für Preußens furiosen Aufstieg zu Großmacht, die es nun zu restituieren galt.
Das hatte allerdings mehr mit einem Mythos als mit der Realität zu tun. 1675 regierte der „Große Kurfürst“ Friedrich Wilhelm (1620–1688) mit Brandenburg einen mittelgroßen Staat, den der Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ruiniert hatte. Damit dies nicht noch einmal geschehen würde, setzte der Kurfürst auf eine leistungsfähige Verwaltung und eine aktive Wirtschaftspolitik im Sinne des Merkantilismus. Die damit generierten Mittel sollten es ihm ermöglichen, ein stehendes Heer aufzubauen, mit dem zum einen ein absolutistisches Regime gegen die Stände installiert werden konnte, zum anderen Brandenburg nicht mehr als Spielball der Großmächte herhalten musste.
Um das zu erreichen, legte Friedrich Wilhelm eine enorme Arbeitsleistung an den Tag. In den 1670er-Jahren zählte seine Armee rund 30.000 Mann. Die Infanterie verfügte über moderne Steinschlossgewehre, und die Artillerie führte Standardkaliber. Offiziere wurden auf einer Kadettenschule professionell ausgebildet, was die Moral der niederen Dienstgrade stärkte. Desertionen, in den Armeen des Barock an der Tagesordnung, hielten sich in Grenzen. Allerdings konnte der Kurfürst diese Truppe nur unterhalten, indem er Bündnisse mit Großmächten schloss, die den ehrgeizigen Hohenzoller mit Subsidien unterstützten.
So verhalf er 1658 mit seiner Stimme dem Habsburger Leopold I. zur Kaiserkrone, was dieser entgalt, indem er Polen zum Verzicht auf die Lehnshoheit über das Herzogtum Preußen drängte und die Hohenzollern damit in ihrem östlichsten Land souverän wurden. Als Ludwig XIV. von Frankreich 1672 mit seinem Einfall in die Niederlande den Holländischen Krieg (bis 1679) auslöste und Leopold schließlich den Reichskrieg gegen den Bourbonen erklärte, entsandte Friedrich Wilhelm seine Armee an den Rhein, wo sie unter kaiserlichem Kommando kämpfte.
Über welche Möglichkeiten die französische Politik verfügte, musste der Kurfürst bald erfahren. Denn Ludwig aktivierte den alten Partner Schweden, der umgehend mit einer Armee in Brandenburg einfiel, obwohl beide Länder im Jahr zuvor ein Schutzbündnis geschlossen hatten. Das skandinavische Königreich gehörte mit Frankreich zu den Siegern des Dreißigjährigen Krieges und Garanten des Westfä-lischen Friedens. Als Hegemonialmacht der Ostsee galt es zudem als führende Militärmacht des Kontinents.
Im Dezember 1674 marschierte eine Armee von rund 15.000 Mann von Schwedisch-Pommern in die Uckermark, während der Kurfürst mit dem Gros seiner Armee, rund 20.000 Mann, im Elsass stand. Ihm blieb zunächst nur, sowohl „Adel als Unadel“ aufzurufen, „alle Schweden, wo sie selbiger mächtig werden können, nieder(zu)machen und ihnen die Hälse (zu) brechen“.
Sobald es die Witterung zuließ, eilte er 1675 in Gewaltmärschen nach Norden. Obwohl er nur 7000 Reiter und einige Kanonen bei sich hatte – die Infanterie hing einige Tag zurück –, konnte der Brandenburger bei Rathenow und Nauen überraschte schwedische Detachements schlagen. Daraufhin beschloss der schwedische Feldmarschall Wolmar Wrangel, ein Halbbruder des berühmten schwedischen Reichsmarschalls Carl Gustav Wrangel, sich zunächst zurückzuziehen.
Am Morgen des 28. Juni nahmen beide Heere bei Fehrbellin ihre Schlachtordnung ein. Friedrich Wilhelms Infanterie war noch nicht eingetroffen, sodass er mit seinen 6000 Reitern den 11.000 Schweden Wrangels deutlich unterlegen war. Aber er hatte Glück. Im Morgennebel übersah sein Gegner einen Sandhügel, von dem aus die brandenburgischen Kanonen die schwedische Linie unter Feuer nahm. Um seinen Fehler ungeschehen zu machen, schickte Wrangel seine Kavallerie vor, die aber von den Brandenburgern unter Prinz Friedrich II. von Hessen-Homburg gestoppt wurden.
Verglichen mit anderen Schlachten des 17. Jahrhunderts waren das überschaubare Zahlen. Dass viele Zeitgenossen zumal im Heiligen Römischen Reich dennoch von einem „Glorieuse Victorie“ sprachen, den Friedrich Wilhelm in eigenem Namen über die führende Militärmacht Europas errungen habe, sagt einiges über das Echo der Schlacht aus. Die politischen Folgen waren gleichwohl gering. Im Frieden von Saint-Germain musste Brandenburg 1679 fast alle Eroberungen in Mecklenburg und Pommern wieder aufgeben.
Nota. - Es war nicht der Fehrbelliner Sieg selbst, sondern dass er den europäischen Durchmarschmarsch des hegemonialen Kriegsherrn beendet hat, was Friedrich Wilhelm zu einem großen Kurfürsten machte.
JE
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