Freitag, 6. Juni 2025

Die Zeit wurde relativ.

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aus scinexx.de, 6. 6. 2022                                                                 zu Jochen Ebmeiers Realien

Die Zeit wird relativ
Einsteins erste Veröffentlichung der Speziellen Relativitätstheorie

Die dritte Veröffentlichung Einsteins in seinem „Annus mirabilis“ 1905 ist die bis heute folgenreichste. Am 26. September 1905 erscheint sie unter dem wenig spekta-kulären Titel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“. Darin steckt Einsteins Spezi-elle Relativitätstheorie – nicht weniger als eine Revolution des physikalischen Welt-bilds. Durch sie bleibt nichts mehr so, wie es einmal war und selbst vermeintlich eherne Grundlagen der Physik geraten ins Wanken.

Laserstrahl
Zu Einsteins Zeit galt die Lichtgeschwindigkeit als variabel. Dieser Laserstrahl müsste sich demnach je nach Tempo seiner Quelle oder des Beobachters unterschiedlich schnell ausbreiten.

Worin schwingt eine Lichtwelle?

Bis zum Jahr 1905 beruhen die Vorstellungen von Licht, Zeit und Raum auf Kon-zepten, die bis in die Antike zurückgehen. Demnach ist die Zeit konstant, die Ge-schwindigkeit des Lichts aber nicht, Dieses breitet sich geradlinig und in alle Rich-tungen aus und verhält sich dabei wie eine Welle – so die Beobachtungen. Doch woraus besteht diese Lichtwelle? Bei anderen Wellenarten wie den Wellen auf einem Teich oder den Schallwellen wird die Welle durch Schwingungen eines Mediums gebildet – dem Wasser oder der Luft.

Solche Wellen sind abhängig von der Dichte und Art des Mediums – und von der Bewegung der Quelle. Dadurch klingt beispielsweise die Sirene eines Feuerwehr-wagens höher, wenn er uns entgegen kommt, und tiefer, wenn er sich wieder von uns entfernt. Ähnlich ist es beim Licht – so die vorherrschende Lehrmeinung zu Einsteins Zeit. Demnach sind elektromagnetische Wellen Schwingungen in einem unsichtbaren, aber alles erfüllenden Trägermedium, dem Äther. Und wie beim Schall muss auch Lichtgeschwindigkeit je nach Umstand und Bewegung der Quelle variabel sein.

Doch leider passt diese Annahme nicht zu dem, was immer mehr Experimente aufdecken: Maxwells Gleichungen zu elektromagnetischen Wellen legen nahe, dass die Lichtgeschwindigkeit eine Konstante sein muss. Ein Experiment der Physiker Albert Michelson und Edward Morley beweist schon in den 1880er Jahren, dass zumindest das Sonnenlicht nicht von einem Äther beeinflusst werden kann. Und noch merkwürdiger: Die Frequenz des Lichts scheint sich auch dann nicht zu verändern, wenn wir ihm entgegenkommen oder vor ihm wegfahren.

WIe schnell ist das Licht?
Entgegen gängiger Annahme verändert sich die Geschwindigkeit eines Lichtstrahls nicht, wenn Quelle oder Beobachter sich bewegen. 

„Fruchtloses Grübeln“

Damit ist klar: Irgendetwas stimmt mit den gängigen Vorstellungen zum Licht und seiner Ausbreitung nicht. Aber was? Auch Einstein hat zunächst Probleme, eine Lösung zu finden: „Ich hatte das Gefühl, dass ich es mit einem extrem schwierigen Problem zu tun hatte“, beschreibt Einstein im Januar 1922 in einem Vortrag. „Fast ein Jahr lang verbrachte ich mit fruchtlosem Grübeln.“

Doch dann kommt dem Physiker die entscheidende Inspiration bei einem Gespräch mit einem Freund. „Meine Lösung betraf das Konzept der Zeit: Zeit kann nicht absolut durch sich selbst definiert sei. Es gibt eine unauflösliche Verbindung zwischen Zeit und Signalgeschwindigkeit“, erklärt Einstein. Licht hingegen ist – wie er erkennt – sehr wohl absolut. Sie bleibt immer konstant, egal, ob sich die Lichtquelle oder der Beobachter bewegen oder nicht. Innerhalb von fünf Wochen entwickelt eine physikalische Herleitung seiner Idee und reicht sie am 30. Juni 1905 zur Veröffentlichung ein.

Elektrodynamik bewegter Körper
Anfang von Einsteins Fachartikel zur „Elektrodynamik bewegter Körper“, erschienen am 26. September 1905 in den „Annalen der Physik“. 

Lichtgeschwindigkeit wird absolut…

Im September 1905 erscheint Einsteins Theorie unter dem Titel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“. In ihr stellt der Physiker zwei grundlegende Postulate auf. Erstens: Die Gesetze der Physik gelten unverändert in jedem inertialen Bezugssystem – unabhängig davon, ob sich ein Objekt oder Beobachter bewegt oder nicht. Damit erweitert Einstein die für die Mechanik Newtons ohnehin schon geltende Prämisse auf die gesamte Physik, einschließlich der elektromagnetischen Strahlung.

Einsteins zweites Postulat: “Licht breitet sich im leeren Raum mit einer konstanten Geschwindigkeit c aus, die unabhängig vom Bewegungszustand des aussenden Körpers ist“, so der Physiker in seinem Artikel. Das Licht breitet sich demnach im Vakuum immer mit rund 300.000 Kilometer pro Sekunde aus – selbst dann, wenn die Lichtquelle schnell auf mich zufliegt oder ich neben dem Lichtstrahl her rase. „Es ist dieses zweite Postulat, das als radikal gilt“, erklärt Clifford Will von der Washington University in St. Louis. „Denn die unmittelbare und tiefgreifende Konsequenz dieses Postulats ist, dass Zeit seinen absoluten Charakter verliert.“

…Zeit und Raum werden relativ

Einsteins spezielle Relativität stellt damit alle bisherigen Wahrheiten auf den Kopf. Zeit und Raum, die zuvor als feste, konstante Größe galten, sind nun plötzlich relativ – abhängig von der Geschwindigkeit des Messenden. Das Licht hingegen, das zuvor als variabel galt, ist nun das Maß aller Dinge, der unveränderliche Fixpunkt aller Messungen. Einstein selbst sagte später: „Früher hat man geglaubt, wenn alle Dinge aus der Welt verschwinden, so bleiben noch Raum und Zeit übrig. Nach der Relativitätstheorie verschwinden aber Raum und Zeit mit den Dingen.“

Optische Strontium-Atomuhr
Mit optischen Atomuhren, wie dieser Strontium-Atomuhr lässt sich die Einsteinsche Zeitdehnung heute messen.

Daraus folgen zwei Dinge: Zum einen vergeht die Zeit für ein Objekt oder eine Person langsamer, wenn sie sich schnell bewegen. Diese relativistische Zeitdehnung lässt sich heute beispielsweise mithilfe von stark beschleunigten Teilchen messen. So haben beispielsweise Myonen – durch kosmische Strahlung in der Erdatmosphäre erzeugte „schwere Brüder“ des Elektrons – eigentlich nur eine Lebensdauer von rund 2,2 Mikrosekunden. Trotzdem schaffen sie es, bis zur Erdoberfläche eine Strecke zurückzulegen, für die sie rund 50 Mikrosekunden brauchen. Möglich ist dies nur deshalb, weil die Myonen so schnell sind, dass für sie die Einsteinsche Zeitdehnung gilt – ihre „Zerfallsuhr“ tickt dadurch langsamer.

Das Phänomen der Längenkontraktion

Die zweite Konsequenz: Relativistische Geschwindigkeiten scheinen den Raum in Bewegungsrichtung zu verkürzen. Messen wir ein Objekt in Ruhe, hat es die maximale Länge. Bewegt es sich aber relativ zu uns, erscheint es umso kürzer, je höher die relative Geschwindigkeit ist. Anders als die Zeitdehnung ist dieser relativistische Effekt selbst mit moderner Technik kaum direkt messbar – die nötigen Geschwindigkeiten sind zu hoch, das Ausmaß der Längenverkürzung zu gering.

Ein Indiz für die Längenkontraktion liefern aber Kollisionen von auf fast Lichtgeschwindigkeit beschleunigten Schwerionen in Teilchenbeschleunigern wie dem Large Hadron Collider (LHC) bei Genf. Den Energien und Zerfallsprodukte dieser Ionen zufolge müssen sie vor der Kollision in Längsrichtung abgeflacht sein – entsprechend den Vorhersagen von Einsteins spezieller Relativität.

Eine weitere, lange nur theoretisch vorhergesagte Folgeerscheinung der Längenkontraktion, den Terrell-Penrose-Effekt, wurde Anfang 2025 nachgewiesen. Nach diesem lässt sich die relativistische Verkürzung eines Objekts bei fast Lichtgeschwindigkeit nicht fotografieren. Die physikalischen Gesetzmäßigkeiten bewirken stattdessen, dass das Objekt in den Aufnahmen verdreht statt verkürzt erscheint. Mithilfe von Lasern und Highspeed-Kameras haben Physiker diesen Effekt zum ersten Mal direkt visualisiert – und damit die theoretischen Vorhersagen bestätigt. 

Spezielle Relativitätstheorie sichtbar gemacht.

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