aus spektrum.de, 29. 6. 2025
In der Mathematik wird schon lange diskutiert, ob eine Zahl etwas ist, das in der echten Welt tatsächlich existiert. Oder ist es nur ein abstrakter Begriff, um Mengen zu beschreiben? Abseits dieser philosophischen Überlegungen gibt es klare Definitionen, was »natürliche« und »reelle« Zahlen sind. Erstere sind die, mit denen wir zählen, also die ganzen positiven Zahlen. Letztere enthalten auch die negativen, die rationalen und die irrationalen Zahlen.
Man kann das Konzept der Natürlichkeit aber auch anders auffassen und sich fragen, wie leicht eine Zahl durch grundlegende Operationen wie Addition und Multiplikation erzeugt werden kann – beziehungsweise ob das überhaupt möglich ist. Der Bruch ⅔ ist zum Beispiel die Lösung der Gleichung 3x-2=0. Genauso lässt sich die Wurzel aus 3 als Lösung der Gleichung x²-3=0 beschreiben.
Je nach Zahl sind unterschiedlich viele Rechenschritte nötig, um sie zu erzeugen. Jede Zahl, die so konstruiert werden kann, wird algebraische Zahl genannt. Mathematisch etwas exakter sind algebraische Zahlen diejenigen reellen (oder komplexen) Zahlen, die Nullstellen eines Polynoms mit rationalen Koeffizienten sind.
Wenn
die Mathematik eine Zahlenmenge auf diese Weise definiert, stellt sich
natürlich die Frage, ob es Zahlen gibt, die nicht algebraisch sind. Und
wie sich herausstellt, gibt es sie. Sie werden transzendente Zahlen
genannt. Den zugehörigen Beweis führte der französische Mathematiker
Joseph Liouville im Jahr 1844. Bis heute sind diese Zahlen schwer
fassbar geblieben. Erst im 20. Jahrhundert fand man einen Weg, um eine
große Menge dieser Zahlen zu beschreiben. Zentral dafür ist diese
Formel:
Sie
steht im Zentrum des Satzes von Gelfond-Schneider. α und β sind dabei
komplexe algebraische Zahlen. Der Wert von α darf nicht 0 oder 1
betragen und β muss irrational sein. Ist das der Fall, dann ist der
Ausdruck »α hoch β« wie oben aufgeführt auf jeden Fall transzendent
Diese Aussage bewies der russische Mathematiker Alexander Gelfond 1935 und kurz danach folgte unabhängig davon ein weiterer Beweis von Theodor Schneider. Beide haben damit Hilberts siebtes Problem gelöst, also eine der 23 Fragestellungen, die David Hilbert im Jahr 1900 auf dem Internationalen Mathematikerkongress vorgestellt hatte. Hilbert wollte wissen, ob diese Potenz immer transzendent ist und erhoffte sich daraus tiefer gehende Erkenntnisse über das, was Zahlen eigentlich ausmacht.
Hilbert selbst hat 1893 einen Aufsatz mit dem Titel »Über die Transcendenz der Zahlen e und π« veröffentlicht (wobei schon früher nachgewiesen wurde, dass die beiden Zahlen transzendent sind). Mit dem Satz von Gelfond-Schneider konnte man nun aber ebenfalls komplexere Ausdrücke untersuchen. Gelfond bewies schon 1929, dass e hoch π transzendent ist. Hierzu muss man die Potenz nur ein wenig umformen und erkennen, dass sie gleich -1 hoch -i ist. Da die imaginäre Einheit i algebraisch ist, sind die Voraussetzungen des Satzes von Gelfond-Schneider erfüllt und die Potenz e hoch π ist transzendent.
So ganz im Griff haben wir die transzendenten Zahlen aber immer noch nicht. Es ist zum Beispiel weiterhin offen, ob π hoch e eine transzendente Zahl ist. Auch bei π hoch π oder e hoch e konnte die Transzendenz noch nicht nachgewiesen werden.
Wir wissen allerdings, dass es mehr als genug transzendente Zahlen gibt. Georg Cantor bewies im Jahr 1874 nicht nur (ebenfalls) die Existenz dieser Zahlen, sondern konnte darüber hinaus noch zeigen, dass es mehr transzendente als algebraische Zahlen gibt. Und da letztere Menge abzählbar unendlich groß ist, gibt es demnach überabzählbar viele transzendente Zahlen. Die natürlichen Zahlen sind also nur ein verschwindend geringer Teil der mehr als unendlich großen Menge aller anderen Zahlen.
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