ausGeschmackssachen
Thomas Girtin, The white house
...Vielmehr
juckt mich das Eigentümliche der 'ästhetischen Wirkung' (wie ich das
hilfsweise nenne) beim Betrachter, und dabei geht es viel mehr um das
Werk selbst als um die Absicht des Künstlers (die doch auf so
verschiedene Art und Weise in den Blick des Betrachters eingehen kann).
Diese pp. ästhetische Wirkung geschieht nicht als die Übertragung einer
Information X aus einem Speicher A (dem Gegen-stand) in einen Speicher B
(den Betrachter); sondern als dessen persönliche Wert-Schätzung. Nicht receptio, sondern conceptio.
Das Verwunderliche
ist nun, daß einem Künstler gelingt - wenn es gelingt -, das, was er
'gemeint' hat, so darzustellen, daß der Betrachter dasselbe 'meint'! Das
My-sterium ist dabei aber weder das Gemeinte selbst, noch der
Gegenstand, an dem es dargestellt ist; sondern die gelungene Wahl der
Darstellungsmittel. (Nämlich eines andern Mittels als des
sprachlichen.)
Ein
solches Gelingen ist darum verwunderlich, als das Besondere der
sprachlichen Darstellungsmittel ihre Fähigkeit zur Bestimmtheit ist -
nämlich ihre Diskursivität, die auf der Digitalität sprachlichen
Ausdrucks beruht; sodaß ein sprachlicher Aus-druck, dem es nicht gelingt,
im Angesprochenen dieselbe Vorstellung zu erzeugen, als mißlungen gilt;
während die ästhetische Darstellungsweise analog, anschaulich und eo
ipso uneindeutig ist. Verwunderlich also, wenn ein uneindeutiges
'Zeichen' vom 'Empfänger' genau in dem Sinn 'decodiert' wird, wie es vom
'Absender' ge-meint war.
Daß dies einem Künstler tatsächlich 'immer
wieder' gelingt, gilt daher als seine Kunst. Seine Kunst, die nicht
gelingen könnte ohne die ästhetische Qualität seines Werks; aber nicht
schon diese ästhetische Qualität selber ist! ...
aus Zwischenbericht in Über das Ästhetische
Postscriptum.
Dass
aber der Betrachter das Werk so 'versteht', wie der Maler es 'gemeint'
hat, ist ja so wenig selbstverständlich, dass die gewöhnlichste Frage
in der Gemäldegalerie lautet,Was will der Künstler uns sagen? Fiele die Antwort darauf klar und deutlich
aus, müsste man das Werk für verunglückt halten - es sei denn, Mehrere
gäben klar und deutlich mehrere verschiedene Antworten. Dann wär wieder
alles in Ordnung.
4. 12. 20
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