Dienstag, 22. April 2025

Kriterium des Wahren.

  Rainer Sturm, pixelio.de                              aus Philosophierungen

Veri criterium sit id ipsum fecisse.
Kriterium des Wahren sei, es selber geschaffen zu haben. 
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Giambattista Vico, Liber Metaphysicus
De antiquissime Italiorum sapientia liber primus,
München 1979, S. 44/45 


Nota I. - Vicos Philosophie war ausdrücklich gegen Descartes gerichtet. Dessen rationalistischer Auffassung nach wäre das Wahre mit den Mitteln der Mathematik zu erkennen, denn die sei es, in der die res cogitans mit der res extensa zusammen-hinge und die beider Abkunft vom selben Schöpfer ausweise. Vicos Ablehnung war eine fromme; niemandem käme es zu, dem Schöpfer in die Karten zu blicken, denn erkennen könne jeder nur, was er selber gemacht hat.

Im 20. Jahrhundert galt der schon zu Lebzeiten kaum beachtete Vico als der Vor-läufer von Diltheys "verstehender" hermeneutischen Geisteswissenschaft. Das ist nicht falsch, aber pointierter ist die Einsicht, er habe der... Transzendentalphiloso-phie den Weg gewiesen. Pointierter, weil ja doch Descartes als der gilt, der die Er-kenntnisfähigkeit im ego cogito gegründet habe. Dessen eingedenk wird man hin-zufügen: Aber Vico hat es mit dem ego facio überboten.

Allerdings hat er der Tanszendentalphilosophie den Weg über Kant hinaus zu Fichte gewiesen. Populär wurde Vicos Philosophie dann doch noch in der ver-einfachten Formel Verum et factum convertuntur.
18. 5. 19 

Nota II. - Wahres Wissen ist: etwas selber gemacht haben, sagt Giambattista Vico. Von der Welt kann ich daher nichts wissen, nur wer sie gemacht hat, könnte es. Gemacht habe ich aber meine Vorstellungen, nämlich um des Machens willen. Ich weiß etwas, wenn meine Vorstellungen mir erlauben, dasjenige zu machen, was ich mir dank ihrer vorstelle. Ob oder ob nicht erweist nicht die Vorstellung selber, denn die ist grenzenlos; sondern ihre Umsetzung in Raum und Zeit; in der Materie

Das ist kein zufällig von außen hinzutretendes Kriterium, sondern der bestimmende Zweck, um den es von Anfang an ging. Zum bloßen Anschauen bräuchte ich keine Vorstellung, da reicht anschauen.

Soviel zum pp. Denkzwang. Ob meine Vorstellungen in einander aufgehen, kann allein ich selbst herausfinden: indem ich es versuche; denn ich habe sie zur Welt gebracht und kann es praktisch beurteilen. Dass es mir nur so und nicht anders gelingt, ist der einzige Maßstab.

Mit einer Schere kann ich Papier oder Kleiderstoff schneiden, zur Not auch ein Schräubchen eindrehen; einen Nagel in die Wand schlagen oder ein Stuhlbein absägen schon nicht mehr. Habe ich die Schere selbst hergestellt, weiß ich es im voraus, denn wozu sie taugen sollte, war mein Zweck. Die Sache mit dem Schräub-chen ist ein unvorhergesehener Grenzfall, da muss ichs machen wie alle andern: muss ich ausprobieren.
 JE 21. 2. 21

 

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