Freitag, 4. April 2025

Einbilden und verständigen.

gralsbaum                                                                       aus Neuromantiker

Es ist nicht wahr, dass die Vernunft an den Wörtern hängt. Die Mittei-lung der Vernunft hängt an den Wörtern: die Verständigung, der Ver-stand.

Auch die Bilder können mitgeteilt werden, im Zeitalter ihrer techni-schen Reproduzierbarkeit zumal. Aber es gibt keine Gewissheit, ob sie so ankommen, wie sie losgeschickt wurden: ob der emp Fänger sie so auffasst wie der ent Sender sie abgelassen hat. Das analogische Denken fordert die Einbildungskraft heraus, und auf die ist nur sehr unter-schiedlich Verlass: bei dem einen schafft sie viel, vielleicht zu viel, bei dem andern wenig... Und ob, das lässt sich vom Sender gar nicht kon-trollieren.

In einem Lebensverbund (‚Gesellschaft‘), der auf Arbeitsteilung be-ruht, kann aber das Gelingen der Mitteilung nicht dem Zufall über-lassen bleiben. Die ganzen Bilder müssen – durch Abstraktion/Re-flexion – zu vielen einzelnen Zeichen zerlegt und mit einer Gebrauchs-anleitung zu ihrer Rekomposition ausgestattet werden: lauter Bedeu-tungsatome („Informationen“), die nach allgemeinen, d. h. öffentlichen, nämlich zwingenden und kontrollierbaren Denkgesetzen zusammenge-setzt sind: der Logik.

mitteilen

Die Begriffe und die Logik sind in der Tat pragmatische Produkte: Sie bewähren sich – täglich aufs Neue – als Medien der Verständigung.

Aber das, worüber Verständigung geschieht; das, was mitgeteilt wird, das sind 1.) Anschauungen und 2.) Vorstellungen, die „zuerst“ als Bil-der „da“ waren. Mit den Zeichen und ihren Verbindungsregeln werden sie nur „beschrieben“.

Und selbstredend kann es gelingen – nämlich diesem oder jenem -, dass aus dem freien Gebrauch der Zeichen und Verbindungsregeln neue Bil-der sichtbar werden. Aber sie schaffen die Bilder nicht, sondern sie füh-ren, d. h. verführen... die Einbildungskraft!

Der Verstand kann den Blick frei machen – nämlich durch die im zu langen Gebrauch opak gewordenen Bilder hindurch; aber sehen muss jeder selbst.

times square

Allerdings ist es wahr – und insofern haben die Lamentationen der Postman & Co. was für sich -, dass es kaum noch ein Bild gibt, das nicht schon tausendmal „da war“ – und darum tausendmal bezeichnet wurde. Der vergesellschaftete Einbildner kann gar nicht anders als die im Verkehr bewährten Zeichen „immer schon“ in die Bilder mit hin-einzusehen – was deren ‚Gehalt‘ aber nicht vermehrt, sondern im Gegenteil schmälert: indem auf diese Bedeutung besondern abgesehen wird, wird von jeder andern – eben auch denkbaren – abgesehen.

Kritisches Denken ist nur in einem flachen Verständnis dasjenige, das sich auf die Prüfung beschränkt, ob die Zeichen auch wirklich alle nach den Regeln der Kunst (dem Denkgesetz) zusammengesetzt sind. Im ausgezeichneten Sinn ist das kritische Denken dasjenige, das den Ge-brauch der im Verkehr bewährten Zeichen immer wieder mit dem Anblick der Bilder vergleicht. Das ist keine diskursiver, sondern ein intuitiver Akt. Ob in den Bildern „mehr“, das heißt was andres zu sehen ist, als die konventionellen Zeichen herausholen, ist ein ästhe-tisches Urteil, kein logisches.

kartoffel

Das ist im übrigen, was man Witz nennt, und das Vermögen dazu heißt Humor.
8. 4. 07 

 

 

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