Mittwoch, 23. April 2025

Musik wirkt physiologisch.

Apoll mit Kithara
aus Tagesspiegel, 23. 4. 2025                                                                                            zu Geschmackssachen,

Musik kann wie Sex wirken: Forschende entdecken ähnliche Pro-zesse im Gehirn
Musik berührt. Doch was dabei im Gehirn passiert, ist mehr als nur Emotion. Forschende haben nun entdeckt: Lieblingssongs aktivieren dasselbe System wie Sex – mit überraschenden Folgen.
 
Von Simone Humml
 
Musik kann gute Laune machen und zu wahrhaften Gänsehautmomenten führen. Wie das funktioniert, haben finnische Forscher nun analysiert. Schon länger war bekannt, dass Musik auf das Opioidsystem des Gehirns wirken kann, zu dem auch das Belohnungszentrum gehört. Dieses System ist auch an lustvollen Emotionen beteiligt, die mit überlebenswichtigen Verhaltensweisen wie Essen und Sex verbunden sind.

Die Studie des Teams um Vesa Putkinen von der Universität Turku zeigt direkt, wie das Hören von Lieblingsmusik die Opioidrezeptoren im Gehirn aktiviert, zumindest bei Frauen. Die Forschenden hatten unter anderem bei 30 Frauen mit verschiedenen bildgebenden Methoden aufgezeigt, welche Hirnregionen beim Hören ihrer Lieblingsmusik aktiv sind.

„Diese Ergebnisse zeigen zum ersten Mal direkt, dass das Hören von Musik das Opioidsystem des Gehirns aktiviert“, sagte Putkinen. „Die Ausschüttung von Opioiden erklärt, warum Musik so starke Glücksgefühle hervorrufen kann, obwohl sie keine primäre Belohnung wie Nahrung oder sexuelle Lust darstellt, die für das Überleben oder die Fortpflanzung notwendig sind.“ Die Opioide des Körpers sind Nervenbotenstoffe.

Das Hören der Lieblingsmusik beeinflusst demnach die Freisetzung von Opioiden in mehreren Hirnregionen, die an Emotionen und Belohnung beteiligt sind. Darunter ist der Orbitallappen (orbitofrontaler Cortex), der sich direkt über der Augenhöhle vorn im Schädel befindet.

Angenehme Gänsehautmomente

Frühere Studien hatten gezeigt, dass er auch bei der Freude am Essen und sexuellen Reizen besonders aktiv ist. Eine weitere durch Musik aktivierte Hirnregion ist der Mandelkern (Amygdala). Diese zentrale Verarbeitungsstation für von außen kommende neue Informationen spielt eine Rolle für Emotionen.

Die Opioidfreisetzung im sogenannten Nucleus accumbens, der zum Belohnungssystem gehört, hing eng mit der Anzahl der angenehmen Gänsehautmomente zusammen, die die Teilnehmerinnen beim Musikhören erlebten – je mehr Opioide freigesetzt wurden, desto mehr dieser Momente verspürten sie. Das Team präsentiert die Ergebnisse im „European Journal of Nuclear Medicine and Molecular Imaging“.

Die Daten zeigten nach Auskunft der Forscher, dass auch kulturell erlernte Belohnungsfaktoren wie Musik das Opioidsystem aktivieren können. Frühere Studien hatten das für biologisch besonders bedeutende Faktoren wie Nahrungsaufnahme, Sexualverhalten und soziale Interaktion gezeigt.

Darüber hinaus hingen individuelle Unterschiede in der Anzahl der Opioidrezeptoren mit der Hirnaktivierung beim Musikhören zusammen: Je mehr solche Rezeptoren die Teilnehmerinnen hatten, desto stärker erfreut reagierte ihr Gehirn auf die Musik. Das kann nach Angaben des Teams erklären, warum manche Menschen Musik intensiver genießen als andere.

Musik kann auch Schmerzen lindern

„Das Opioidsystem des Gehirns ist auch an der Schmerzlinderung beteiligt“, ergänzte Mitautor Lauri Nummenmaa, ebenfalls von der Universität Turku. „Auf Grundlage unserer Ergebnisse könnten die bislang beobachteten schmerzlindernden Effekte von Musik durch musikinduzierte Opioidreaktionen im Gehirn erklärt werden.“

Das Hören angenehmer Musik lindert früheren Studien zufolge chronische sowie postoperative Schmerzen und verringert bei Patienten den Bedarf an opioidhaltigen Schmerzmitteln. (dpa)

 

 

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