Sonntag, 3. August 2025

Eine quantenmechanische Struktur des Kosmos

Viele Wellen und Kugeln dazwischen 
aus spektrum.de, 30. 1. 2025       Die Raumzeit könnte eine quantenphysikalische Struktur haben.       zu J. Ebmeiers Realien 

Nichtkommutative Geometrie
Eine quantenmechanische Struktur des Kosmos
Laut einer Theorie der Quantengravitation könnten sich Raum und Zeit auf kleinster Skala wie Quantenteilchen verhalten. Dafür muss eine neue Art der Geometrie her, die erst vor wenigen Jahren entwickelt wurde.


von Albert Much

Seit mehr als 100 Jahren suchen Fachleute nach einer Theorie, welche die zwei Säu-len der modernen Physik miteinander vereint: Einsteins allgemeine Relativitätsthe-orie und die Quantenphysik. Eine solche Theorie der Quantengravitation könnte erklären, was während des Urknalls geschah und einen Blick in das Innere Schwar-zer Löcher ermöglichen. 

Im Jahr 1915 stellte Albert Einstein die allgemeine Relativitätstheorie vor. Mit dieser Theorie der Schwerkraft stellte er die damaligen Vorstellungen von Raum und Zeit auf den Kopf. Demnach prägt Materie die Form der Raumzeit, die wiederum die Be-wegung der Materie beeinflusst. Dieses Wechselspiel beschreiben die so genannten einsteinschen Feldgleichungen. Die Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie lassen sich sehr genau überprüfen. Ein Meilenstein war unter anderem der Nach-weis von Gravitationswellen im Jahr 2015.

Die Gravitation sticht als einzige der vier Grundkräfte heraus: Anders als der Elek-tromagnetismus und die Kernkräfte scheint sie nicht den seltsamen Regeln der Quantenphysik zu folgen. Viele Physiker sind davon überzeugt, dass eine Theorie der Quantengravitation für ein vollumfängliches Verständnis unserer Welt nötig ist.

Die in den 1920er Jahren entwickelte Quantenmechanik beschreibt hingegen das Verhalten von Materie auf kleinster Skala, etwa wie Elementarteilchen wechselwir-ken. Ein zentrales Prinzip ist der Welle-Teilchen-Dualismus: Objekte wie Elektro-nen und Photonen zeigen je nach Experiment Teilchen- oder Welleneigenschaf-ten – ein Phänomen, das sich eindrucksvoll im Doppelspaltexperiment zeigt. Zu-dem treten bestimmte physikalische Größen wie die Energie nur noch häppchen-weise (»quantisiert«) auf. Die Quantisierung der Energie beseitigte unter anderem die Widersprüche des klassischen Atommodells. In diesem wurden Atome wie ein Sonnensystem dargestellt, bei denen Elektronen einen großen Kern umkreisen. Allerdings würde in diesem Fall das negativ geladene Teilchen durch die kreisför-mige Bewegung Strahlung aussenden und Energie verlieren, wodurch es innerhalb kürzester Zeit in den Atomkern stürzen würde. Die Quantenmechanik erklärt, warum dieser Kollaps ausbleibt

Beide Theorien, die allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenphysik, funkti-onieren für sich genommen sehr gut. Doch es gibt Fälle, in denen sowohl Quan-teneffekte als auch eine stark gekrümmte Raumzeit zum Tragen kommen. Deren Beschreibung erfordert eine Theorie der Quantengravitation.

Erste Hinweise darauf fand der berühmte Physiker Stephen Hawking in den 1970-er Jahren, als er das Verhalten von Quantenteilchen in der Nähe von Schwarzen Lö-chern untersuchte. Er erkannte dabei, dass Schwarze Löcher langsam Energie in Form von thermischer Strahlung abgeben, bis sie irgendwann vollständig verdampft sind – einschließlich der in ihnen enthaltenen Information. Das bedeutet, es lässt sich nicht mehr nachvollziehen, welche Objekte in das Schwarze Loch gefallen sind. Ein grundlegendes Prinzip der Quantenphysik besagt jedoch, dass Information nie-mals verschwinden kann. Dieser Widerspruch zwischen der allgemeinen Relativi-tätstheorie und der Quantenphysik, das »Informationsparadoxon«, deutet auf ein tief greifendes Problem hin. Es liefert einen ersten Anhaltspunkt für eine Theorie der Quantengravitation: Sie sollte in der Lage sein, diesen Widerspruch aufzulösen.

In eine solche Theorie wird auch Hoffnung gesetzt, um die Unendlichkeiten im Inneren Schwarzer Löcher oder beim Urknall zu beseitigen. Das Auftreten solcher Singularitäten zeigt an, dass die verwendeten Theorien zusammenbrechen – und durch neue ersetzt werden müssen.

Vereinigungen

Im Lauf der Zeit haben Fachleute erkannt, dass es äußerst hilfreich ist, etablierte Theorien miteinander zu vereinigen. Beispiele hierfür sind die Verbindung von Elektrostatik und Magnetismus zur elektromagnetischen Kraft durch James Clark Maxwell und Michael Faraday, die Verbindung von Raum und Zeit zu einer Raum-zeit durch Albert Einsteins spezielle Relativitätstheorie sowie die Verbindung von Energie – sprich Bewegung kleiner Teilchen – und Temperatur durch Ludwig Boltzmann. Zudem gelang es Fachleuten erst, eine funktionierende Quantentheorie elektromagnetischer Teilchen zu konstruieren, nachdem sie den Elektromagnet-ismus mit der schwachen Kernkraft verbanden. Diese »elektroschwache« Theorie lässt sich mit der starken Kernkraft zum Standardmodell der Teilchenphysik ver-einigen.

Allerdings hat sich die Verbindung von Quantenphysik und Schwerkraft als extrem schwierig erwiesen. Das liegt unter anderem daran, dass sich beide Theorien grund-legend voneinander unterscheiden. Die allgemeine Relativitätstheorie beschreibt das Zusammenspiel von Materie und Raumzeit durch geometrische Größen wie Krüm-mung. Dabei sind Raum und Zeit eng miteinander verwoben. In der Quantenme-chanik spielt die Raumzeit unterdessen keine Rolle. Sie fußt auf abstrakten Objek-ten, so genannten Operatoren. Zum Beispiel lassen sich manche beobachtbaren Größen nicht mehr durch Zahlen oder Funktionen beschreiben, sondern durch unendlich große Matrizen. Damit sind experimentelle Ausgänge nicht mehr ein-deutig beschreibbar – man kann nur Wahrscheinlichkeiten für mögliche Messer-gebnisse angeben. Das sind nur wenige von vielen Gründen, die eine Vereinigung beider Theorien so schwer machen.

Inzwischen gibt es viele Ansätze, die eine Quantengravitationstheorie hervorbrin-gen sollen. Die Stringtheorie greift beispielsweise auf winzige Fäden zurück, die sich durch eine hochdimensionale Raumzeit bewegen, während die Schleifen-quantengravitation Zeit und Raum als Geflecht aus kleinsten Ringen beschreibt. Einen weiteren spannenden Ansatz bietet der Bereich der nichtkommutativen Ge-ometrie. Bei diesem verleiht man Zeit und Raum quantenmechanische Eigenschaf-ten und begründet damit eine neue Form der Geometrie, aus der eine Theorie der Schwerkraft hervorgehen könnte.

Quantenteilchen in gekrümmter Raumzeit

Vor einem großen Sprung zu einer Quantenversion der Schwerkraft kann es helfen, einen Zwischenschritt einzulegen. Eine Theorie, die als erste Näherung der Quan-tengravitation gilt, ist die Quantentheorie auf gekrümmten Raumzeiten. Hier ist die Gravitation – und damit die Raumzeit – noch immer klassisch und nicht quanten-mechanisch. Aber man untersucht, wie sich Quantenteilchen in einer gekrümmten Raumzeit verhalten. Allerdings wird der Einfluss ignoriert, den die Quantenteilchen auf die Raumzeit haben. Die sich dabei ergebenden Gleichungen heißen semiklassi-sche Einstein-Gleichungen. Diese erste Näherung hat zu wichtigen Einsichten ge-führt, wie zu Hawkings Entdeckung der thermischen Strahlung von Schwarzen Lö-chern oder zur Beschreibung des frühen Universums und extremer astrophysika-lischer Umgebungen.

Quantenfeldtheorie

Eine Welle in einem unendlich großen Feld
Quantenfeldtheorie

/ CC BY-SA 4.0 (Ausschnitt)

Anfang des 20. Jahrhunderts entstand die Quantenmechanik – und revolutionierte die Vorstellung von Materie. Plötzlich war ein Elektron nicht mehr bloß ein punkt-förmiges Teilchen, sondern besaß in manchen Situationen Eigenschaften, die eigentlich lediglich Wellen innehaben. In den folgenden Jahren verallgemeinerten die Fachleute die quantenphysikalischen Konzepte, indem sie den Formalismus nicht nur auf die Mechanik, sondern auch auf den Elektromagnetismus und die Kernkräfte übertrugen.

Das führt jedoch schnell zu Problemen: Die Quantenmechanik an sich kann bei-spielsweise bloß Systeme mit einer festen Teilchenzahl beschreiben, die sich nicht ändert. Möchte man aber etwa ein Elektron und sein Antiteilchen, das Positron, beschreiben, die sich gegenseitig vernichten, braucht man eine allgemeinere Theo-rie.

Und so entwickelte sich die Quantenphysik weiter. In den 1950er und 1960er Jahren setzten sich so genannte Quantenfeldtheorien immer mehr durch. In diesen ist die Raumzeit niemals leer, sondern von verschiedenen Feldern durchzogen. Schwin-gungen darin entsprechen Teilchen oder Antiteilchen. Doch die Quantenfelder sind niemals ruhig: Sie sind der Theorie zufolge stets von kleinen Kräuselungen durch-zogen, die extrem kurzlebigen Teilchen entsprechen. Die »virtuellen« Teilchen las-sen sich nicht direkt detektieren – ihre Auswirkungen konnten aber bereits nachge-wiesen werden.

Bei solchen Überlegungen spielt die so genannte Zweipunktfunktion eine wichtige Rolle. Für zwei Punkte x und y liefert sie eine Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen am Punkt x erzeugt wird, zum Punkt y läuft und dort wieder vernichtet wird. Fach-leute konnten beweisen, dass die Zweipunktfunktion in gekrümmten Räumen jener in der flachen Raumzeit ähnelt, wenn die Punkte x und y nah beieinander sind. Die-ses Äquivalenzprinzip ist eines der Grundprinzipien der allgemeinen Relativitäts-theorie.

Möchte man jedoch zwei Orte genau auflösen, stößt man mit dem semiklassischen Ansatz wegen der heisenbergschen Unschärferelation unweigerlich auf Probleme. Die Unschärferelation besagt, dass sich Ort und Impuls niemals gleichzeitig genau bestimmen lassen. Das ist keine Folge von Messfehlern, sondern eine grundsätzli-che Eigenschaft der Natur. Das bedeutet: Je genauer man einen Ort vermisst, desto größer wird die Impulsunschärfe – und damit schwankt die Energie, was die Raum-zeitgeometrie an dem Ort beeinflusst. Zoomt man immer weiter an einen Ort her-an, kommt es irgendwann zum gravitativen Kollaps. Die Unschärfe des Impulses wird dann so groß, dass ein Schwarzes Loch entsteht. Das Phänomen heißt geome-trisches Messproblem und zeigt, dass es im Rahmen einer klassischen Gravitations-theorie keinen Sinn ergibt, über Raumzeitpunkte in diesem Bereich zu sprechen.

Eine Quanten-Raumzeit als Lösung

Eine quantenphysikalische Beschreibung der Raumzeit könnte solche Probleme be-seitigen. Unter anderem erscheint die Raumzeit dadurch körnig. Ähnlich wie viele Größen in der Quantenmechanik wird die kontinuierliche Raumzeit durch winzige Zellen von der Größe der Plancklänge (zirka 10-34 Meter) ersetzt.

Das löst das geometrische Messproblem: Da die Raumzeit gequantelt ist, besitzt die Natur eine begrenzte Auflösung. Gleichzeitig liefert das einen interessanten Ansatz für eine Quantengravitationstheorie. Da die einsteinschen Feldgleichungen die Ver-bindung zwischen Schwerkraft und Krümmung der Raumzeit beschreiben, sollte jede Theorie der Quantengravitation auch die Quantisierung der Raumzeit berück-sichtigen. Der Grundgedanke der nichtkommutativen Geometrie besteht darin, die Mathematik, auf der die Quantenphysik fußt, auf die geometrische Beschreibung der Raumzeit zu übertragen.

Darstellung von Kommutativität
Kommutativität

Kommutativität | In der Schule lernt man, dass die Reihenfolge beim Multiplizieren zweier Zahlen keine Rolle spielt, 5·3 = 3·5. Die Multiplikation von Zahlen ist daher kommutativ.

Das kann man mit einem mathematischen Trick machen, der als Nichtkommutativi-tät bezeichnet wird. In diesem Fall gehorchen die geometrischen Größen, die Zeit und Raum beschreiben, nicht mehr den gewohnten Rechenregeln. In der Quanten-physik trifft man ständig auf eine solche Nichtkommutativität. Zum Beispiel folgt die heisenbergsche Unschärferelation daraus, dass die Operatoren, die Ort und Im-puls beschreiben, nicht miteinander vertauscht werden können. Das heißt, es kommt etwas anderes heraus, wenn man erst den Ort und dann den Impuls misst, als wenn man die Messung andersherum vornimmt. Wären die Operatoren ver-tauschbar, also kommutativ, gäbe es keine heisenbergsche Unschärferelation.

Im Gegensatz zu anderen Ansätzen der Quantengravitation ist die nichtkommu-tative Geometrie recht jung. Der französische Mathematiker Alain Connes, der 1982 die Fields-Medaille erhielt, legte 1994 mit seinem Buch »Nichtkommutative Geometrie« den Grundstein für diesen neuen Zweig der Mathematik, der tiefgrei-fende Auswirkungen auf die theoretische Physik haben sollte. In seinem Werk führte Connes das Konzept ein, indem er den gewöhnlichen Begriff des Raums verallgemeinert. Wie sich herausstellt, spiegelt das eine quantenmechanische Sichtweise der Raumzeit wider.

Connes untersuchte auch, wie die nichtkommutative Geometrie aus physikalischer Sicht einen natürlichen Rahmen für das Standardmodell der Teilchenphysik und die Vereinigung von Schwerkraft und Quantenmechanik bieten kann. Damit begründe-te er das Gebiet der nichtkommutativen Quantengravitation. Hierbei ist besonders, dass die Schwerkraft nicht mehr wie bei Albert Einstein durch geometrische Grö-ßen wie die Krümmung beschrieben wird, sondern durch algebraische Zusammen-hänge: Wie lassen sich bestimmte Objekte miteinander verknüpfen? Von einem ein-zelnen Ansatz zu sprechen, ist allerdings irreführend. Inzwischen existieren etliche Theorien der nichtkommutativen Geometrie. Sie unterscheiden sich durch ihren mathematischen Zugang, aber die Grundidee einer Quanten-Raumzeit ist bei allen gleich.

Ein Ansatz ist beispielsweise die emergente Gravitation. Hier ist die Gravitation keine Grundkraft, sondern entsteht aus einer tieferen Quantenstruktur der Raum-zeit. In der nichtkommutativen Geometrie wird die Raumzeit durch nichtkommu-tative Rechenregeln ersetzt. Das erlaubt es, die Raumzeit auf kleinsten Skalen zu quantisieren und dabei die Begriffe von Punkten und Distanzen aufzugeben, die zum Messproblem führten. In diesem Rahmen lässt sich die Schwerkraft als Eigen-schaft dieser nichtkommutativen Struktur betrachten, ähnlich wie Temperatur in der Thermodynamik aus der mikroskopischen Bewegung von Molekülen hervorgeht.

Ein weiterer Ansatz besteht darin, die Multiplikation in physikalischen Theorien zu verallgemeinern und der Raumzeit dadurch eine Quantenstruktur zu verleihen. Das so genannte Sternprodukt erweitert die Multiplikation, indem man vom Kommuta-tivgesetz ablässt, während die Assoziativität (also A · (B · C)= (A · B) · C) weiter-hin gültig ist. Wendet man ein Sternprodukt auf eine Theorie an, ergibt sich da-durch oft ihre quantisierte Version. Zum Beispiel lässt sich auf diese Weise die newtonsche Mechanik in die Quantenmechanik überführen.
 

Assoziativität

Assoziativität | In der Schule lernt man, dass die Reihenfolge beim Multiplizieren dreier Zahlen keine Rolle spielt, 2·(5·3) = (2·3)·5. Die Multiplikation von Zahlen ist daher assoziativ.

In einer Folge von zwei Veröffentlichungen im Jahr 2024 und 2025 habe ich auch ein Sternprodukt für gekrümmte Raumzeiten konstruiert – die bisherigen Beispiele hatten sich auf flache Raumzeiten bezogen. Mit diesem neuen Sternprodukt lässt sich eine quantisierte Version der zu Grunde liegenden Raumzeit erzeugen. Damit die Assoziativität A · (B · C)= (A · B) · C gewahrt wird, muss die Quanten-Raum-zeit eine Bedingung erfüllen: Ihre Quantenstruktur muss lokal (in kleinen Umge-bungen) wie eine flache Raumzeit aussehen – ähnlich wie beim Äquivalenzprinzip der allgemeinen Relativitätstheorie. Durch diese Gleichung ist es möglich, für jede Raumzeit eine Quantenversion explizit auszurechnen.

Nach diesem mathematisch anspruchsvollen Teil habe ich das Sternprodukt auf Quantenfeldtheorien mit gekrümmten Raumzeiten angewandt. Damit konnte ich beweisen, dass die so erhaltenen Zweipunktfunktionen ebenfalls das quantenfeld-theoretische Äquivalenzprinzip erfüllen. Für kleine Abstände verhalten sie sich wie bei flachen Raumzeiten. Damit erfüllen auch Quantenfelder auf quantisierten, ge-krümmten Raumzeiten eines der Grundprinzipien der allgemeinen Relativitätsthe-orie.

Nichtkommutative Kosmologie

Eine besondere Form der Raumzeit ist das 1988 vom späteren Nobelpreisträger Kip Thorne und seinem damaligen Doktoranden Mike Morris beschriebene Wurm-loch. Es stellt eine Art Tunnel in der Raumzeit dar, der zwei entfernte Punkte im Universum miteinander verbindet. Ein stabiles Wurmloch ist jedoch auf exotische Materie angewiesen, eine hypothetische Form von Materie mit negativer Energie-dichte. Nur das verhindert, dass die Wände des Wurmlochs zusammenfallen. Aller-dings lässt sich eine solche Art von Materie nur äußerst schwer mit den aktuellen physikalischen Theorien in Einklang bringen.

Wie sich herausstellt, ist exotische Materie vielleicht nicht die einzige Möglichkeit, hypothetische Wurmlöcher zu realisieren. Die Lösungen der nichtkommutativen Gleichungen zeigen, dass die Quantenstruktur der Raumzeit in großen Entfer-nungen zum Wurmloch verschwindet, in dessen Nähe jedoch maximal wird. Je mehr die Raumzeit zusammengedrückt wird, desto größer werden ihre Quan-teneffekte. Diese wirken abstoßend, so dass die Raumzeitwände des Wurmlochs auseinandergepresst werden. Dieser Druck könnte ein Wurmloch stabilisieren, ohne exotische Materie zu benötigen.

Eine weitere Lösung der allgemeinen Relativitätstheorie, die man sich mit der nicht-kommutativen Geometrie ansehen kann, ist das so genannte Friedmann-Robertson-Walker-Lemaitre-Modell oder kurz FRWL-Modell – das Fundament der modernen Kosmologie. Gemäß diesem kam es vor etwa 13,8 Milliarden Jahren zum Urknall, aus dem unser heutiges, sich ausdehnendes Universum hervorgeht. Das Modell passt zu den bisherigen Beobachtungsdaten wie der kosmischen Hintergrund-strahlung und sagt voraus, dass sich Galaxien von uns entfernen.
Wurmloch (Illustration)
Wurmloch | Es gibt Lösungen der einsteinschen Feldgleichungen, die Wurmlöcher erlauben. Durch sie wäre es zumindest rein theoretisch möglich, rückwärts in der Zeit zu reisen.

Dennoch enthält das FRWL-Modell Lücken. Zum Beispiel kann es das Universum erst 10-36 Sekunden nach dem Urknall erklären. Es ist unklar, was davor passiert ist. Der Zeitpunkt 0 wird als Urknallsingularität bezeichnet, damals war die Dichte und Temperatur dem Modell zufolge unendlich. Eine weitere offene Frage betrifft die »inflationäre Phase«, die etwa 10-36 bis 10-32 Sekunden nach dem Urknall stattfand. Das Universum hat sich in diesem Zeitraum offenbar um das 1026-Fache vergrö-ßert. Was diese extreme Inflation hervorgerufen hat, ist bis heute unklar. Als mög-liche Ursache führte der Kosmologe Alan Guth im Jahr 1980 das so genannte In-flaton ein, ein hypothetisches Teilchen mit negativem Druck, das zu einer Art gra-vitativen Abstoßung führt. Ein Nachweis des Inflatons steht aber noch aus.

Eine Quantenraumzeit könnte die beschleunigte Expansion kurz nach dem Urknall erklären. Weil die Raumzeit zu diesem Zeitpunkt eng zusammengequetscht war, wurde sie wegen der nichtkommutativen Eigenschaften (ihrer Quantennatur) aus-einandergedrückt. In einer noch nicht begutachteten Arbeit habe ich das FRWL-Modell mit einer quantisierten Raumzeit untersucht. Wie ich feststellen konnte, verhindert die quantenmechanische Version der Raumzeit eine Urknallsingularität. Je weiter man in der Zeit zurückreist und je dichter der Raum gepackt ist, desto stärker wächst der Druck der Raumelemente, den die Quanteneffekte erzeugen. Dadurch wird eine unendlich hohe Dichte zum Zeitpunkt des Urknalls umgangen. Insbesondere deuten die Gleichungen auf eine minimale Größe des Universums hin, die ungefähr bei der Plancklänge liegt, sprich 10-34 Meter.

Die Quanteneigenschaften der Raumzeit hängen zudem umgekehrt von der Ver-größerung des Raums ab. Daraus lässt sich schließen, dass die Quantenstruktur der Raumzeit am Anfang des Urknalls abstoßend wirkte und nach der Expansion ver-nachlässigbar wurde. Das würde somit die anfängliche Ausdehnung des Alls erklä-ren, ohne ein zusätzliches Teilchen wie das Inflaton zu benötigen.

Interstellares Reisen

Reise zu fernen Sternen

Wurmlöcher gelten in der Sciencefiction als potenzieller Weg für interstellare Reisen diskutiert. Für das Überleben der Menschheit kann das in ferner Zukunft unabding-bar werden – wahrscheinlich, noch lange bevor sich in etwa fünf Milliarden Jahren die Sonne zu einem Roten Riesen verwandelt.

Der nächste bekannte Planet, den wir ansteuern könnten, befindet sich im Sternsy-stem Alpha Centauri und ist etwas mehr als vier Lichtjahre entfernt. Die derzeit schnellste Raumsonde ist die Parker Solar Probe mit einer maximalen Geschwindig-keit von 700 000 Kilometer pro Stunde. Damit bräuchten wir ungefähr 6542 Jahre, um den Planeten zu erreichen.

Ein weiteres viel versprechendes Sternensystem ist TRAPPIST-1, das sieben erd-ähnliche Planeten (drei in einer bewohnbaren Entfernung) um den ultrakalten roten Zwerg bindet. Das System ist ungefähr 40 Lichtjahre von uns entfernt. Falls die Menschheit eine Rakete besitzt, die sich mit dem 0,99-fachen der Lichtgeschwindig-keit fortbewegt (297 000 Kilometer pro Sekunde), ließe sich die Reise in weniger als 5,5 Jahren bewältigen.

Dafür wird aber ungeheuer viel Energie nötig sein. Mit einer Rakete wie der SpaceX Falcon 9 bräuchte man für die Beschleunigung zig Millionen Mal mehr Energie, als die stärkste jemals gezündete Atombombe (Zar-Bombe) entfacht hat. Daher gilt ein Tunnel in der Raumzeit, ein Wurmloch, als schnellerer, effektiverer und letztlich wohl einzig möglicher Weg für solche Reisen.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Ansätzen der Quantengravitation ist die nicht-kommutative Geometrie noch recht jung. Die mathematischen Grundlagen für eine solche Theorie mussten in den ersten Jahren nach der Entstehung erst einmal gelegt werden. Umso beeindruckender ist es, dass sich bereits mehrere Lösungen zu bestehenden Problemen abzeichnen, die zudem mit unserer physikali-schen Intuition übereinstimmen.

In Zukunft werden drei wesentliche Punkte über den Erfolg – oder Misserfolg – dieses Ansatzes entscheiden. Erstens, ergeben sich physikalisch sinnvolle Quanten-korrekturen zu den semiklassischen Einstein-Gleichungen? Zweitens, können wir mit den erhaltenen Theorien das Informationsparadoxon auflösen? Und drittens: Lässt sich ein messbarer Effekt vorhersagen, der bisher unentdeckt blieb? Denn wie jede Theorie muss sich auch diese letztlich an Beobachtungen überprüfen lassen. 

Einige Graphiken sind beim Formatieren leider verlorengegangen. Ich versuche, sie nachzuliefern. JE

 

Nota. - Als Kind habe ich jedes Wort, das ich neu kennenlernte, so rasch wie möglich selbst anzu-bringen gesucht. Heute ist mir so ein Glück widerfahren: Nichtkommutativ ist das Vorstellen im Unterscheid zu logischem Konstruieren - denn es geschieht wirklich, nämlich in der Zeit, und die läuft vorwärts; im Unter-schied zur Begriffskonstruktion, die zeitlos gilt: vor- und rückwärts.

Alles Räumliche lässt sich dagegen kommutativ ermessen. In eine Geometrie, die nichtkommutativ sein soll, hat man die Zeit klammheimlich schon eingeschmuggelt - nicht begrifflich durch Definition, sondern durch die unmerklich sich unterschie-bende Vorstellung. Denn dort herrscht Richtung.

Nun ist die Unterscheidung von Vortsellen und Begreifen selber eine begriffliche; logische. Im wirklichen Denken findet sie gar nicht statt.

Der westliche Denker kommt auf eine Welt, die weitgehend selbst schon begrifflich verfasst wurde. Deren Bestimmungen sind seinem individuellen Denken vorausge-setzt, zumal dem eines Forschers der exakten Naturwissenschaft - es ist unvermeid-lich ausgerichtet.

Und die Umkehrung gilt ebenso. Ein reines Begreifen kommt in der Wirklichkeit so wenig vor wie ein bloßes Vorstellen. Die Einführung einer nichtkommutativen Ge-ometrie ist ein krasses Beispiel. Wirkliches Denken ist projektiv und suchend: ge-richtet. Auf dem Weg kommen ihm alle möglichen Einfälle, die er nicht nach ihrer Herkunft befragt, sondern erst nur danach, ob sie beim Suchen hilfreich sind. So kritisch er sein mag - unbegriffene Vorstellunge mischen sich gottlob immer wieder ein, und er kann sie allenfalls hernach identifizieren im Labor seiner Reflexion.

Die Reflexion ist ein Glasperlenspiel von Prämissen. Nehme ich dies an, müsste ich jenes folgern; das aber widerspräche den Prämissen meines Nachbarn, der mich doch zugleich mit seinen Messungen in meinen Prämissen bestärkt; und wenn der Theorie irgendwo ein Verbindungsstück fehlt, schiebt man arglos eine Zusatzprä-misse nach und bedient sich dabei am anschaulichen Wortschatz der Umgangs-sprache. 

Das ist nicht zu beanstanden, wie will man anders vorwärtskommen? Aber es ent-spricht nicht dem öffentlichen Vertrauen in die Naturwissenschaft als einer exakten. Es ist eine Gewebe von Hypothesen, die einander stützen oder unter-laufen. Sie alle lassen sich nicht selber  erweisen, auch im sophistizierten Labor nicht; und mancher Laborversuch macht Prämissen denkbar - oder vorstellbar? -, an die noch gar keiner gedacht hat.

Ich bin nicht vom Fach, von sachlichen Einwürfen halte ich mich füglich fern. Ich kann nur von außen ein Getümmel wahrnehmen, das der Wissenschaft zur Ehre gereicht, den gesunden Menschenverstand aber auf eine arge Probe stellt. Der ist zwar deren Prämisse nicht; aber am Ende doch der, der die Noten verteilt.
JE 

 

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