aus scinexx.de, 20. August 2025 zu Jochen Ebmeiers Realien
Im Fokus der Analysen stand dabei der Gyrus supramarginalis (SMG). Dieses Hirnareal ist dafür zuständig, Bewegungen in Zusammenhang mit Gegenständen zu koordinieren, wie aus früheren Studien hervorgeht. Die zentrale Lage dieser Hirnwindung im linken unteren Parietallappen – etwas über und hinter dem linken Ohr – ist für diese Aufgabe wichtig. Denn dort laufen die Informationen aus mehreren Hirnregionen zusammen, darunter visuelle, haptische, motorische und andere Informationen über die aktuelle Lage des eigenen Körpers und des zu benutzenden Werkzeuges.
Die Analysen ergaben: Der Gyrus supramarginalis ist tatsächlich – wie vermutet – die zentrale Steuereinheit für kinematische Synergien bei komplexen Handbewegungen. Überraschenderweise setzt dieses Hirnareal die Hand-Choreografien dabei jedoch aus einem kleinen Set von nur wenigen Grundbewegungen zusammen. Diese bilden eine Art Alphabet aus Bewegungs-Bausteinen, die sich beliebig zusammensetzen lassen.
Ähnlich wie unser Gehirn aus Buchstaben geschriebene Wörter und aus Lauten gesprochene Wörter bildet, setzt es demnach auch Bewegungen aus Einzelkomponenten zusammen. „Aus diesem Set von Grundbausteinen konstruiert das Gehirn das volle Repertoire an Handlungen, die mit der menschlichen Hand ausgeführt werden können“, sagt Caglar. „Das legt nahe, dass der Gyrus supramarginalis als Montage-Zentrale fungiert und grundlegende Aktionselemente zu komplexeren, funktionellen Sequenzen kombiniert.“
Zwar können nicht alle Menschen gleichermaßen geschickt mit ihren Händen umgehen. Doch alle Menschen haben dieselben neuronalen Voraussetzungen, um verschiedenste Bewegungs-Choreografien zu lernen und mit ihren Händen auszuführen, schließt das Team. „Diese Studie bringt uns dem Verständnis der grundlegenden Prinzipien der Gehirnorganisation, die den Einsatz menschlicher Werkzeuge ermöglichen, einen Schritt näher“, sagt Caglar.
Zum Beispiel gibt es eine grundlegende Handposition, die sowohl bei der Nutzung einer Schere als auch einer Zange verwendet wird. Die zugehörigen Arm- und Fingerbewegungen unterscheiden sich zwar im Detail, doch der Hand-Bewegungs-Baustein des Zusammendrückens wird hierbei gemeinsam verwendet. Dasselbe gilt für die Drehung des Handgelenks bei der Nutzung eines Schraubendrehers und Korkenziehers.
Die Hand-Bewegung richtet sich dabei nach dem benutzten Gegenstand, nicht nach dessen Funktion, wie das Team feststellte. Zum Schneiden mit einer Schere ist beispielsweise eine ganz andere Handposition nötig als für das Schneiden mit einem Messer und das Drehen eines klassischen Spindelkorkenziehers unterscheidet sich von der Nutzung eines Flaschenöffners.
Diese Entdeckung erklärt auch, warum Menschen mit Apraxie scheinbar nicht zusammenhängende Gegenstände unterschiedlicher Funktion nicht benutzen können, wenn diese dieselbe Handbewegung erfordern. Bei dieser neurologischen Erkrankung ist die Zusammensetzung der Handbewegungen im Gyrus supramarginalis gestört. „Eine Schädigung dieses Gehirnbereichs kann es Menschen erschweren, komplexe Handlungen mit Objekten zu planen und auszuführen“, erklärt Koautor Jorge Almeida von der Universität Coimbra in Portugal.
Dieses natürliche Baukasten-Prinzip unseres Gehirns lässt sich nun auch nutzen, um Bewegungsabläufe von Robotern zu programmieren. „Damit kommen wir dem Ziel näher, künstliche Systeme zu schaffen, die ähnlich agil, effizient und intelligent agieren wie Menschen“, sagt Almeida.
Darüber hinaus können mit dem Wissen bessere bionische Prothesen entwickelt werden. „Wenn wir diese kinematischen Synergien direkt aus der neuronalen Aktivität abbilden können, könnten wir effizientere Gehirn-Maschine-Schnittstellen bauen, die es den Nutzern ermöglichen, Prothesen mit natürlicheren, präzisen und flexiblen Bewegungen zu steuern“, erklärt Almeida. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2025; doi: 10.1073/pnas.2421032122)
Quelle: Carnegie Mellon University

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen