aus spektrum.de, 17.05.2010 zu Jochen Ebmeiers Realien, zu öffentliche Angelegenheiten; zu Levana, oder Erziehlehre
Pubertierendes Gehirn belohnt Gefahr
Nach
und nach bestätigen auch Hirnforscher, was viele Eltern längst geahnt
haben: Im Gehirn von Pubertierenden geht so manches drunter und drüber.
Als Hauptur-sache wird der Hirnumbau beim Übergang zum Erwachsenenleben
vermutet; dabei werden neue Nervenverknüpfungen geschaffen, alte
verschwinden, und insgesamt schrumpft die so genannte graue Substanz des
Gehirns, während die schnellere, wegen ihrer Myelinhüllschicht weiße
Substanz zunimmt. Das zwischenzeitliche Provisorium sorgt allerdings für
Probleme. Fatalerweise reift in der Baustelle im Kopf zum Beispiel das
Hirnareal besonders langsam, das für das analytische Überdenken der
eigenen Handlungen zuständig ist: der präfrontale Kortex.
Neben
der Fähigkeit zur reiflichen Überlegung macht Heranwachsenden aber auch
das Versagen einer weiteren Kontrollinstanz zu schaffen, die die
Motivation austa-riert, eine womögliche gefährliche Handlung mit
ungewissem Gewinn durchzufüh-ren, meinen nun Jessica Cohen von der
University of Californis in Los Angeles und ihr Team.
Im
Zentrum dieses Prozesses steht dabei eine Art Suchtkreislauf im Gehirn
der Jugendlichen: Ihr Belohnungszentrum verlangt nach einem immer
höheren Einsatz, um auf biochemischen Weg den gleichen Grad innerer
Befriedigung zu erreichen. Hauptverantwortlich ist dafür der
Neurotransmitter Dopamin und seine Andock-stellen: Weil in der
Umbruchphase der Pubertät zunächst immer weniger Rezepto-ren auf diesen
Transmitter reagieren, fühlen sich die Betroffenen subjektiv immer
weniger bestätigt. Cohen und Co fragten nun aber detaillierter, auf
welche Art das Belohnungszentrum aus dem Ruder läuft, um Heranwachsende
zu einer Reihe höchst riskanter Handlungen zu treiben. Die
Wissenschaftler führten dazu Ver-gleichsexperimenten mit Erwachsenen,
Jugendlichen und Kindern im Magnetreso-nanztomografen durch.
Offenbar, so die Forscher, liegt die Ursache für das charakteristische
risikosuchende Verhalten von Heranwachsenden tatsächlich in einer
schlecht justierten besonderen Region des Belohnungszentrums, des
Striatums, die weder junge Kinder noch Erwachsene so benutzen wie
Heranwachsende. In dem fraglichen Abschnitt wird offenbar zuviel Dopamin
ausgeschüttet, wenn eine riskante Handlung subjektiv erfolgreich
abgeschlossen wird. Dies motiviert aber dazu, ähnliche Handlungen erneut
durchzuführen und – wegen des Gewöhnungseffekts – bald sogar, die
Risiken nochmals zu steigern, um den gleichen Belohnungskick zu
erfahren.
Damit sei, so die Forscher, der Funktionsmangel im
Teilaspekt der "prediction error response" – also der Vorhersage des
Fehlersignals, einem der Teilaspekte im klassi-schen Modell des
Belohnungslernens – zu finden. Mit Hilfe dieses Fehlersignals wird nach
einer Handlung Bilanz darüber gezogen, ob die erwartete (interne)
Beloh-nung mit tatsächlich subjektiv wahrgenommenen Belohnung nach
Abschluss einer Tätigkeit übereinstimmt – tut sie es nicht, so passen
wir unsere Erwartungen im Normalfall an.
Jugendliche reagieren
allerdings nicht mit angepasster Erwartungshaltung, sondern mit noch
riskanteren Handlungen. Alternativ, so fassen Cohen und Kollegen
zu-sammen, hätte die übertriebene Risikobereitschaft auch durch eine
andere, vielleicht ebenfalls im pubertären Hirnumbau bedingte
Verrechnungsschwäche erklärt wer-den können – zum Beispiel dadurch, dass
die Heranwachsenden sich des Risikos einer Handlung nicht wirklich
bewusst sind. Dies treffe allerdings wohl weniger zu: Vielmehr braucht
das pubertierende Gehirn die durchaus wahrgenommene Gefahr womöglich
sogar, um dem aus dem Ruder gelaufenen zu starken Bedürfnis nach
biochemischer Belohnung den nötigen Anreiz zu liefern. (jo)
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