aus scinexx.de, 22. August 2025, Die menschliche Sprache setzt sich aus kleinen Stücken zusammen, die in
einem universellen Rhythmus angeordnet sind. zu Jochen Ebmeiers Realien
Universelles Muster: Menschen weltweit sprechen in einem einheitlichen Grundrhythmus – unabhängig von ihrer Sprache. Denn die menschliche Sprache gliedert sich in kleine Toneinheiten, die stets demselben Takt folgen, wie eine Studie zeigt. Alle 1,6 Sekunden wechseln wir demnach von einem zum nächsten Sprachbaustein. Bemerkenswert dabei: Unser Gehirn schwingt im selben Takt. Das legt nahe, dass unser Gehirn den universellen Rhythmus der menschlichen Kommunikation steuert.
Wenn Menschen sich unterhalten, läuft das Gespräch stets wie ein Tanz ab: Es gibt fließende Phasen, unterbrochen durch Pausen, Betonungen und Wendungen. Je nach Sprache unterscheiden sich Lautstärke, Klang und Tempo dieses sprachlichen Tanzes, doch es gibt immer ein dynamisches Muster in der rhythmischen Abfolge der Äußerungen.
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Die Forschenden verglichen 48 verschiedene Sprachen
Forschende um Maya Inbar von der Hebräischen Universität Jerusalem haben nun untersucht, ob in der menschlichen Sprache möglicherweise ein universeller Rhythmus steckt, der in unserer Natur verankert ist. Dafür verglichen sie 668 Tonaufnahmen von Gesprächen, die Menschen weltweit in insgesamt 48 verschiedenen Sprachen führten. Darunter waren Weltsprachen wie Englisch ebenso wie seltene, vom Aussterben bedrohte Sprachen aus abgelegenen Regionen wie das indonesische Totoli. Die Sprecher waren zudem unterschiedlich alt.
Mit einem Algorithmus suchten Inbar und ihre Kollegen in diesen vielfältigen Aufnahmen nach sogenannten Intonationseinheiten – kleinen Sprachbausteinen und tonalen Sequenzen. Ein solcher „Sprachabschnitt wird mit einer einzigen, zusammenhängenden Tonhöhenkontur geäußert“, so die Forschenden. Innerhalb solcher Äußerungseinheiten werden die Silben zunächst schneller und lauter, dann langsamer und leiser. Das Team verglich nun, wie sich diese Einheiten je nach Sprachfamilie und Sprecher aneinanderreihen.
Dabei zeigte sich: Die Intonationseinheiten in menschlichen Gesprächen pulsieren stets im selben Takt – mit einer Frequenz von durchschnittlich 0.6 Hertz. Das bedeutet: Ungefähr alle 1,6 Sekunden wechseln wir in unseren Unterhaltungen von einem Sprachabschnitt zum nächsten. Die menschliche Sprache setzt sich demnach aus kleinen Stücken zusammen, die in einem universellen Rhythmus angeordnet sind.

Dieser Takt ist unabhängig von der verwendeten Sprache und dem Alter des Sprechers sowie unabhängig vom Rhythmus, in dem wir Silben aneinanderreihen. Letzterer hat eine Frequenz von durchschnittlich 6.77 Hertz. Je nach Sprache passen so mehr oder weniger Silben und Wörter in eine Intonationseinheit. Das erklärt, warum verschiedene Sprachen trotz desselben Grundtaktes der Intonationseinheiten ganz anders klingen. Die individuelle Sprachmelodie einer Person kommt dann durch leichte Variationen des Grundtaktes und des Silbentaktes zustande, wie die Forschenden erklären.
Eine weitere Erkenntnis: Der Takt der Intonationseinheiten beim Sprechen folgt einem ähnlichen niederfrequenten Rhythmus wie die Wellen unserer Gehirnaktivität, wenn wir jemandem zuhören und die gehörte Sprache verarbeiten, wie das Team feststellte. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Art und Weise, wie wir unsere Sprache steuern, nicht nur ein kulturelles Artefakt ist, sondern tief in der menschlichen Kognition und Biologie verwurzelt ist“, sagt Inbar.
Demnach besitzen Menschen einen natürlichen Sprachtakt, der nicht durch erlernte kulturelle Sprechweisen, sondern durch unser Gehirn vorgegeben sein könnte. In Folgestudien wollen Inbar und ihre Kollegen noch untersuchen, ob der Grundsprachtakt wirklich mit dem Takt unseres Gehirns und möglicherweise auch mit anderen Körperrhythmen wie Atmung, Herzfrequenz und Augenbewegungen zusammenhängt.
Die Erkenntnisse helfen aber bereits jetzt zu verstehen, wie Kinder sprechen lernen, wie wir uns in Dialogen mit dem Sprechen abwechseln und wie wir Informationen aus Gesprächen verarbeiten. Bei all diesen Prozessen spielen die Intonationseinheiten und ihr Takt eine wichtige Rolle, wie das Team erklärt. „Diese zeitliche Struktur kann helfen zu erklären, wie wir uns durch Gespräche sozial verbinden“, sagt Seniorautorin Ayelet Landau vom University College London.
Das Wissen könnte auch helfen, Sprachstörungen zu behandeln oder die Aussprache von KI-Systemen natürlicher zu gestalten. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2025; doi: 10.1073/pnas.2425166122)
Quelle: Hebräische Universität Jerusalem
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