
aus spektrum.de, 27. 6. 2025 Welche geometrische Form man bei der Coffer-Illusion wahrnimmt, könnte von der Kultur geprägt sein, in der man lebt oder aufgewachsen ist. zu Jochen Ebmeiers Realien
Was du siehst, verrät, wo du herkommst
Rechtecke oder Kreise? Was Menschen bei einer optischen Täuschung sehen, lässt einer Studie zufolge Rückschlüsse darauf zu, woher sie stammen. In einem Experiment von Forscherinnen und Forschern der Harvard University und der London School of Economics gaben 81 Prozent der Betrachterinnen und Betrachter aus den USA und Großbritannien an, in der so genannten Coffer-Illusion nur Rechtecke zu sehen, während 48 Prozent der Menschen aus namibischen Dörfern nur Kreise wahrnahmen. Weniger als zwei Prozent von ihnen sahen ausschließlich Rechtecke. Nur Kreise wiederum sah keiner der Teilnehmer aus den USA oder Großbritannien.
Die Umwelt beeinflusst die Wahrnehmung
Die
Befunde legen nahe, dass die Umgebung, in der Menschen aufwachsen oder
leben, eine Rolle für die Wahrnehmung spielt. Menschen, die umgeben von
rechteckiger Architektur wie Hochhäusern leben, erkennen entsprechende
Formen offenbar auch leichter. Die traditionellen Dörfer des indigenen
Himba-Volkes in Namibia haben dagegen eher runde Hütten als Behausungen.
Dies erklärt auch die Antwort einer von dort stammenden Teilnehmerin,
die zwar Kreise wahrnahm, aber gleichzeitig antwortete, sie würde in dem
Bild Häuser erkennen.
Hochhäuser oder Hütten? | Menschen erkennen bei dieser optischen
Illusion Verschiedenes. Denn kulturelle Erfahrungen prägen unsere
Wahrnehmung. Nach
der ersten Antwort fragten die Wissenschaftler, ob die Teilnehmer noch
weitere Formen in dem Bild erkennen können. Bei der Gruppe aus den USA
und Großbritannien sahen etwa 17 Prozent zuerst Rechtecke und später
Kreise. 3 Prozent sahen erst Kreise und dann Rechtecke. 48 Prozent der
Himba gaben an, erst Kreise und danach die Rechtecke zu sehen, weniger
als 3 Prozent sahen anfangs Rechtecke und dann Kreise.
Die
Antworten einer dritten Gruppe stützen ebenfalls die Annahme des Teams.
Menschen aus Namibia, die nicht auf dem Land, sondern in städtischer
Umgebung mit mehr rechteckigen Strukturen leben, nahmen die
entsprechende geometrische Form öfter wahr: 19 Prozent sahen nur Kreise,
67 Prozent zuerst Kreise, dann Rechtecke, und 13 Prozent zuerst
Rechtecke und dann Kreise. Die Ergebnisse sind bislang noch in keinem
Fachjournal, sondern als so genannte Preprint-Studie online
veröffentlicht.
Die visuelle Wahrnehmung werde im Allgemeinen als Mechanismus angesehen, der für alle Bevölkerungsgruppen gleich sei, heißt es in der Studie. Diese Annahme sei so stark verankert, dass die Wissenschaft nicht einmal versucht habe, kulturelle Auswirkungen auf die Wahrnehmung zu untersuchen.
Seine Erkenntnisse sieht das Team als wichtigen Beleg dafür, dass kulturelle Erfahrungen bei der menschlichen Wahrnehmung sehr wohl eine wichtige Rolle spielen. »Das zeigt, wie wichtig Vielfalt ist«, wird der beteiligte Psychologe Michael Muthukrishna von der London School of Economics im Fachjournal »Science« zitiert. »Wenn man versucht, sich ein vollständiges Bild von der Welt zu machen, sollte man einige Leute im Raum haben, die Kreise sehen, wenn man selbst nur Rechtecke sieht.« (dpa/lib)
Nota. - Kreise? Man mags nicht glauben - ich sehe keine.
JE
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