Mittwoch, 6. August 2025

Die jüngste Sau durchs Dorf.

KI-generiertes Bild eines Calcium-Atoms  
aus futurezone, 4. 8. 2025                              Calcium                                                zu Jochen Ebmeiers Realien

Grenzen der Physik gesprengt? 
Forscher finden Hinweis auf bislang unbekannte Kraft
 
von Philipp Rall

Ein Forschungsteam hat bei Untersuchungen von Calcium-Isotopen unerwartete Anomalien festgestellt. Diese könnten auf das Wirken einer bislang unbekannten Naturkraft oder auf Grenzen des Standardmodells der Teilchenphysik hindeuten.

Ein internationales Team von Forschenden hat bei hochpräzisen Messungen an Calcium-Isotopen Unregelmäßigkeiten entdeckt, die auf das Wirken einer bislang unbekannten Naturkraft hindeuten könnten. Diese Ergebnisse stellen das derzeitige Verständnis der fundamentalen physikalischen Kräfte infrage und deuten mögli-cherweise auf eine neue Physik oder bislang übersehene Schwächen im Standard-modell der Teilchenphysik hin.

Physik-Durchbruch mittels King-Plots

Im Zentrum der Studie steht eine ausgeklügelte Analysemethode namens King-Plot-Analyse. Dabei werden sogenannte Isotopenverschiebungen untersucht – minimale Unterschiede in den Frequenzen, mit denen Elektronen zwischen Ener-gieniveaus in Atomen springen, abhängig davon, welches Isotop (also welche Mas-se) das Atom hat.

Nach den Vorhersagen des etablierten Standardmodells der Teilchenphysik sollten sich diese Verschiebungen bei einem Vergleich mehrerer Isotope in einer geraden Linie darstellen lassen, wenn man zwei verschiedene Übergänge betrachtet. Diese Linearität ist ein Prüfstein für die Gültigkeit des Modells.

Das Team um Dr. Alexander Wilzewski vom Institut für Experimentelle Quanten-metrologie (QUEST) an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig führte extrem präzise Messungen an einfach (Ca+) und vierzehnfach geladenen Calcium-Ionen (Ca14+) durch. Mithilfe modernster Verfahren – darunter die Quantenlogikspektroskopie – erreichten sie eine Genauigkeit im Sub-Hertz-Bereich. Das bedeutet: Sie konnten Frequenzunterschiede kleiner als ein Hertz messen.

Das Ergebnis:

Eine signifikante Abweichung von der erwarteten Linearität, mit einer statistischen Signifikanz von über 1.000 Standardabweichungen. Eine solch hohe Signifikanz macht Zufall oder Messfehler als Ursache praktisch unmöglich.

Eine denkbare Ursache für diese Abweichung wäre die Existenz eines bisher unbe-kannten Bosons – eines Teilchens, das eine neue, fünfte Kraft zwischen Elektronen und Neutronen vermittelt. Eine solche Kraft würde die vier bekannten Grundkräfte ergänzen und das Tor zu einer „neuen Physik“ öffnen.


Die vier Grundkräfte der Physik sind:

  • Gravitation, die alle Massen anzieht und für die Bewegung von Planeten sorgt
  • Elektromagnetische Kraft, die zwischen geladenen Teilchen wirkt und z. B. Licht und Elektrizität erklärt
  • Starke Kernkraft, die Protonen und Neutronen im Atomkern zusammenhält
  • Schwache Kernkraft, die bei radioaktivem Zerfall eine Rolle spielt
 
Jede dieser Kräfte wirkt auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlicher Stärke, prägt aber gemeinsam das Verhalten aller Materie im Universum.

Doch es gibt auch konventionelle Erklärungen abseits der spekulierten fünften Kraft: Effekte wie die Massenschiebung zweiter Ordnung oder die Kernpolari-sierung – beide innerhalb des Standardmodells bekannt, aber schwierig zu be-rechnen – können ebenfalls zu Nichtlinearitäten führen. Auch nach Einbeziehung dieser Effekte blieb allerdings ein Rest der beobachteten Abweichung bestehen.

Strengste Schranken für neue Kräfte

Um herauszufinden, ob ein neues Boson tatsächlich für die Nichtlinearität ver-antwortlich sein könnte, erweiterten die Forschenden ihre Analyse mit einem sogenannten Generalized King Plot (GKP). Dabei bezogen sie einen dritten atomaren Übergang in Ca+ ein. Diese Methode erlaubt es, verschiedene Quellen der Nichtlinearität besser voneinander zu trennen.

Das Ergebnis:

Die bislang strengsten Grenzen für die Stärke einer möglichen Kopplung eines hy-pothetischen skalaren Bosons an Elektronen und Neutronen – über einen großen Bereich möglicher Massen hinweg (von 10 Elektronenvolt bis 107 Elektronenvolt pro c2).

Ermöglicht wurde diese Entdeckung durch Methoden, wie sie auch in den präzise-sten Atomuhren oder in der Quanteninformationsverarbeitung zum Einsatz kom-men. Die Ionen wurden auf nahezu den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt, und mithilfe der Quantenlogikspektroskopie konnte das Team Eigenschaften mit bisher unerreichter Genauigkeit vermessen.

Fünfte Kraft ist nicht bewiesen

Noch ist die Existenz einer neuen Kraft nicht bewiesen. Aber die Messungen zei-gen eindeutig, dass entweder neue physikalische Phänomene existieren – oder dass unser bestehendes Modell an seine Grenzen stößt und weiterentwickelt werden muss.

Das Forschungsteam plant, die theoretischen Modelle insbesondere zur Kernpo-larisierung weiter zu verbessern und zusätzliche atomare Übergänge mit vergleich-barer Präzision zu untersuchen. Bestätigen sich die aktuellen Ergebnisse, könnte das ein historischer Schritt hin zu einer erweiterten Beschreibung der Naturgesetze sein – und unser Bild vom Aufbau der Materie und des Universums grundlegend verän-dern.

Mit einer Abweichung von über 900 Standardabweichungen setzt das Ergebnis neue Maßstäbe in der Präzisionstestung des Standardmodells – und zwingt die Physik, entweder bisher unterschätzte Effekte wie die Kernpolarisation neu zu berechnen oder ernsthaft über eine bislang unbekannte fundamentale Kraft nach-zudenken.

Weitere Präzisionstests

Experimente an Ytterbium-Ionen (Yb+) liefern ein wichtiges Gegenstück zu den Calcium‐Messungen: Eine im Februar 2025 erschienene Studie kombinierte drei hochpräzise Übergänge in neutralem Yb+ und in hochgeladenen Yb13+-Ionen. Obwohl die gemessene King-Plot-Nichtlinearität mit ≈ 2 σ deutlich kleiner war als bei Calcium, erlaubte sie, die Kopplung eines hypothetischen skalaren Bosons an Elektronen und Neutronen im Massenbereich von zehn Kiloelektronenvolt pro Quadrat der Lichtgeschwindigkeit (keV/c2) bis einen MeV/c2 um fast eine Grö-ßenordnung enger zu begrenzen.

Bereits 2022 hatte ein japanisches Team eine 3 σ-Abweichung in einem generalized King-Plot aus drei Yb-Übergängen berichtet und damit den Weg für solche kom-plementären Tests gewiesen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachjournal Physical Review X.

Quelle: „Nonlinear Calcium King Plot Constrains New Bosons and Nuclear Properties“ (Physical Review Letters, 2025); „Probing New Bosons and Nuclear Structure with Ytterbium Isotope Shifts“ (Physical Review Letters, 2025); „Observation of Nonlinearity of Generalized King Plot in the Search for New Boson“ (Physical Review X, 2022)

 

Nota. -  Was den Quanten recht ist, darf den Kräften billig sein.

Auch das ist nicht spöttisch gemeint. Die Generalprämisse ist doch: Es gibt einen Kosmos, und der ist ein System: ein Makrozustand über mannigfaltigen Mikrozu-ständen. Wenn im Makrozustand vier Kräfte inbegriffen sind, würde er ein anderer, wenn eine fünfte Kraft hinzuträte. Mit andern Worten: Alles käme ganz neu auf die Waage.

Das ist, nach den Aussagen der Physiker, der gegenwärtige ZuStand der Wissen-schaft. Wie ich schon sagte: Das gereicht ihr zur Ehre.

Stürzt aber den Reste der Welt in Verwirrung. Physik und Welt werden damit zu-recht kommen - wenn noch nicht heut, dann morgen. Philosophie ist einstweilen nicht gefragt, nur Forschung. 

Der Satz, dass Alles mit Allem zusammenhänge, wird nur noch sarkastisch ge-braucht - weil er auf Faktisches bezogen ist. In kosmischen Modellen hängt aber Alles von Allem ab; denn da geht es um Vorstellungen, und so käme zum Schluss vielleicht doch die Philosophie wieder rein - nicht von der Seite, sondern von hin-ten.
JE 

  

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