aus futurezone, 4. 8. 2025 Calcium zu Jochen Ebmeiers Realien
Ein Forschungsteam hat bei Untersuchungen von Calcium-Isotopen
unerwartete Anomalien festgestellt. Diese könnten auf das Wirken einer
bislang unbekannten Naturkraft oder auf Grenzen des Standardmodells der
Teilchenphysik hindeuten.
Ein internationales Team von Forschenden hat bei
hochpräzisen Messungen an Calcium-Isotopen Unregelmäßigkeiten entdeckt,
die auf das Wirken einer bislang unbekannten Naturkraft hindeuten
könnten. Diese Ergebnisse stellen das derzeitige Verständnis der
fundamentalen physikalischen Kräfte infrage und deuten mögli-cherweise
auf eine neue Physik oder bislang übersehene Schwächen im Standard-modell der Teilchenphysik hin.
Physik-Durchbruch mittels King-Plots
Im Zentrum der Studie
steht eine ausgeklügelte Analysemethode namens King-Plot-Analyse. Dabei
werden sogenannte Isotopenverschiebungen untersucht – minimale
Unterschiede in den Frequenzen, mit denen Elektronen zwischen
Ener-gieniveaus in Atomen springen, abhängig davon, welches Isotop (also
welche Mas-se) das Atom hat.
Nach den Vorhersagen des
etablierten Standardmodells der Teilchenphysik sollten sich diese
Verschiebungen bei einem Vergleich mehrerer Isotope in einer geraden
Linie darstellen lassen, wenn man zwei verschiedene Übergänge
betrachtet. Diese Linearität ist ein Prüfstein für die Gültigkeit des
Modells.
Das Team um Dr. Alexander Wilzewski vom Institut für
Experimentelle Quanten-metrologie (QUEST) an der Physikalisch-Technischen
Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig führte extrem präzise Messungen an
einfach (Ca+) und vierzehnfach geladenen Calcium-Ionen (Ca14+)
durch. Mithilfe modernster Verfahren – darunter die
Quantenlogikspektroskopie – erreichten sie eine Genauigkeit im
Sub-Hertz-Bereich. Das bedeutet: Sie konnten Frequenzunterschiede
kleiner als ein Hertz messen.
Das Ergebnis:
Eine signifikante Abweichung von der erwarteten Linearität, mit einer
statistischen Signifikanz von über 1.000 Standardabweichungen. Eine
solch hohe Signifikanz macht Zufall oder Messfehler als Ursache
praktisch unmöglich.
Eine
denkbare Ursache für diese Abweichung wäre die Existenz eines bisher
unbe-kannten Bosons – eines Teilchens, das eine neue, fünfte Kraft
zwischen Elektronen und Neutronen vermittelt. Eine solche Kraft würde
die vier bekannten Grundkräfte ergänzen und das Tor zu einer „neuen
Physik“ öffnen.
Die vier Grundkräfte der Physik sind:
- Gravitation, die alle Massen anzieht und für die Bewegung von Planeten sorgt
- Elektromagnetische Kraft, die zwischen geladenen Teilchen wirkt und z. B. Licht und Elektrizität erklärt
- Starke Kernkraft, die Protonen und Neutronen im Atomkern zusammenhält
- Schwache Kernkraft, die bei radioaktivem Zerfall eine Rolle spielt
Jede dieser Kräfte wirkt auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlicher Stärke, prägt aber gemeinsam das Verhalten aller Materie im Universum.
Doch es gibt auch konventionelle
Erklärungen abseits der spekulierten fünften Kraft: Effekte wie die
Massenschiebung zweiter Ordnung oder die Kernpolari-sierung – beide
innerhalb des Standardmodells bekannt, aber schwierig zu be-rechnen –
können ebenfalls zu Nichtlinearitäten führen. Auch nach Einbeziehung
dieser Effekte blieb allerdings ein Rest der beobachteten Abweichung
bestehen.
Strengste Schranken für neue Kräfte
Um
herauszufinden, ob ein neues Boson tatsächlich für die Nichtlinearität
ver-antwortlich sein könnte, erweiterten die Forschenden ihre Analyse mit
einem sogenannten Generalized King Plot (GKP). Dabei bezogen sie einen
dritten atomaren Übergang in Ca+ ein. Diese Methode erlaubt es, verschiedene Quellen der Nichtlinearität besser voneinander zu trennen.
Das Ergebnis:
Ermöglicht
wurde diese Entdeckung durch Methoden, wie sie auch in den präzise-sten
Atomuhren oder in der Quanteninformationsverarbeitung zum Einsatz
kom-men. Die Ionen wurden auf nahezu den absoluten Nullpunkt
heruntergekühlt, und mithilfe der Quantenlogikspektroskopie konnte das
Team Eigenschaften mit bisher unerreichter Genauigkeit vermessen.
Fünfte Kraft ist nicht bewiesen
Noch ist die Existenz einer neuen Kraft nicht bewiesen. Aber die Messungen zei-gen eindeutig, dass entweder neue physikalische Phänomene existieren – oder dass unser bestehendes Modell an seine Grenzen stößt und weiterentwickelt werden muss.
Das Forschungsteam plant, die theoretischen Modelle insbesondere zur Kernpo-larisierung weiter zu verbessern und zusätzliche atomare Übergänge mit vergleich-barer Präzision zu untersuchen. Bestätigen sich die aktuellen Ergebnisse, könnte das ein historischer Schritt hin zu einer erweiterten Beschreibung der Naturgesetze sein – und unser Bild vom Aufbau der Materie und des Universums grundlegend verän-dern.
Mit einer
Abweichung von über 900 Standardabweichungen setzt das Ergebnis neue
Maßstäbe in der Präzisionstestung des Standardmodells – und zwingt die
Physik, entweder bisher unterschätzte Effekte wie die Kernpolarisation
neu zu berechnen oder ernsthaft über eine bislang unbekannte
fundamentale Kraft nach-zudenken.
Weitere Präzisionstests
Experimente an Ytterbium-Ionen (Yb+) liefern ein wichtiges Gegenstück zu den Calcium‐Messungen: Eine im Februar 2025 erschienene Studie kombinierte drei hochpräzise Übergänge in neutralem Yb+ und in hochgeladenen Yb13+-Ionen.
Obwohl die gemessene King-Plot-Nichtlinearität mit ≈ 2 σ deutlich
kleiner war als bei Calcium, erlaubte sie, die Kopplung eines
hypothetischen skalaren Bosons an Elektronen und Neutronen im
Massenbereich von zehn Kiloelektronenvolt pro Quadrat der
Lichtgeschwindigkeit (keV/c2) bis einen MeV/c2 um fast eine Grö-ßenordnung enger zu begrenzen.
Bereits 2022 hatte ein japanisches Team eine 3 σ-Abweichung in einem generalized King-Plot aus drei Yb-Übergängen berichtet und damit den Weg für solche kom-plementären Tests gewiesen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachjournal Physical Review X.
Quelle: „Nonlinear Calcium King Plot Constrains New Bosons and Nuclear Properties“ (Physical Review Letters, 2025); „Probing New Bosons and Nuclear Structure with Ytterbium Isotope Shifts“ (Physical Review Letters, 2025); „Observation of Nonlinearity of Generalized King Plot in the Search for New Boson“ (Physical Review X, 2022)
Nota. - Was den Quanten recht ist, darf den Kräften billig sein.
Auch das ist nicht spöttisch gemeint. Die Generalprämisse ist doch: Es gibt einen Kosmos, und der ist ein System: ein Makrozustand über mannigfaltigen Mikrozu-ständen. Wenn im Makrozustand vier Kräfte inbegriffen sind, würde er ein anderer, wenn eine fünfte Kraft hinzuträte. Mit andern Worten: Alles käme ganz neu auf die Waage.
Das ist, nach den Aussagen der Physiker, der gegenwärtige ZuStand der Wissen-schaft. Wie ich schon sagte: Das gereicht ihr zur Ehre.
Stürzt aber den Reste der Welt in Verwirrung. Physik und Welt werden damit zu-recht kommen - wenn noch nicht heut, dann morgen. Philosophie ist einstweilen nicht gefragt, nur Forschung.
Der Satz, dass Alles mit Allem zusammenhänge, wird nur noch sarkastisch ge-braucht - weil er auf Faktisches bezogen ist. In kosmischen Modellen hängt aber Alles von Allem ab; denn da geht es um Vorstellungen, und so käme zum Schluss vielleicht doch die Philosophie wieder rein - nicht von der Seite, sondern von hin-ten.
JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen