
von Manon Bischoff
Wie schnell ist das Licht? Das hängt ganz vom Medium ab, durch das es sich bewegt. Durch das Vakuum flitzen Photonen mit knapp 300 000 Kilometern pro Sekunde und erreichen damit eine Grenzgeschwindigkeit, wie Albert Einstein feststellte: Nichts und niemand scheint diese überschreiten zu können. Doch schickt man Licht durch eine Substanz oder ein Material, wird es gebremst. Teil-weise sogar so stark, dass es komplett stehenbleibt.
Die Zeitverzögerung, die ein Lichtstrahl durch ein Medium erleidet, weist allerdings eine Seltsamkeit auf: Wenn man sie berechnet, enthält sie einen imaginären Anteil – also die Wurzel einer negativen Zahl. Bislang haben Fachleute diesen Teil einfach ignoriert und als mathematische Kuriosität abgetan. Doch nun haben die Physikerin Isabella L. Giovannelli und ihr Kollege Steven M. Anlage von der University of Maryland erstmals in einem Experiment gezeigt, dass auch der imaginäre Anteil eine reale physikalische Bedeutung hat. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachjournal »Physical Review Letters« veröffentlicht.
Es ist nicht die erste Überraschung, die Lichtteilchen beim Durchwandern von Medien bereithalten. Im Jahr 2024 konnten Forschende zum Beispiel zeigen, dass die Zeitverzögerung von Photonen negativ sein kann. Bisher wurde aber der imaginäre Beitrag zur Zeitverzögerung, die Wurzel aus einer negativen Zahl, meist ignoriert. 2016 legte eine Forschungsarbeit nahe, dass der imaginäre Wert bei glockenförmigen Lichtpulsen eine physikalische Bedeutung haben könnte: Den Berechnungen zufolge hängt sie mit der Frequenzverschiebung des Pulses zusammen. Denn wenn man einen Lichtpuls durch ein Medium schickt, tritt es mit einer leicht verschobenen Frequenz wieder heraus. Dieser Frequenzunterschied hängt laut den Fachleuten mit dem imaginären Anteil der Zeitverzögerung zusammen.
Nun haben Giovanelli und Anlage diese These in einem Experiment überprüft. Dafür haben sie einen Lichtpuls durch zwei verbundene Koaxialkabel unterschiedlicher Länge geschickt – einen ringförmigen Aufbau, der in der Vergangenheit gut untersucht wurde und für den sich die erwartete Zeitverzögerung berechnen lässt. Und tatsächlich konnten sie die gemessene Frequenzverschiebung mit der dazugehörigen imaginären Zeitverzögerung in Zusammenhang bringen. »Damit können wir einer abstrakten, aber in der Praxis nützlichen Größe eine physikalische Bedeutung geben«, schreiben die beiden Autoren in ihrer Arbeit.
Bislang gilt der nachgewiesene Zusammenhang zwischen imaginärer Zeit und Frequenzverschiebung nur für Lichtpulse, welche die Form einer Gauß-Glocke haben. In künftigen Arbeiten wollen Giovannelli und Anlage deshalb herausfinden, ob der imaginäre Anteil der Zeitverzögerung auch für andere Pulsformen eine relevante Bedeutung hat.
Nota. - Verstehe ich es recht? Bislang gilt doch die Lichtgeschwindigkeit - die ab-solute im Vakuum - als Maß der Zeit; aber hier nun ist sie selber die Zeit - und zwar die wirkliche im gegebenen Medium. Lese ich nicht richtig, oder ist obiger Bericht missverständlich formuliert?
JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen