Was die Kunst darstellt, ist Schein. Tut sie mehr als das, ist es zu wenig, nämlich Handwerk.
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Ein Steinzeitmensch schnitzt sich aus Holz einen Löffel. Der hat eine Form, ob er darauf geachtet hat oder nicht. Geachtet hat er auf die Funktion. Eine Form hat das Schnitzwerk ipso facto. Und die ist sein Schein: Welche immer die Funktion ist - sie erscheint; nicht als sie selber, sondern als etwas Anderes. Funktion gibt es nicht ohne Schein.
Gibt es Schein ohne Funktion? Die ungegenständliche Malerei vor hundert Jahren muss das angenommen haben. Und es mag ja auch sein, dass dieses oder jenes Werk keinerlei Anderes bei sich führt; nicht Dekoration, nicht Agitprop und nicht-mal Kitsch. Aber es erscheint in einer Welt, die bis an die Ränder angefüllt ist von Menschenwerk mit Funktion. Wo sich ein Stück bloßer Schein dazwischendrängelt, tut es das nur - oder dürfte es nur - in polemischer Absicht: Es hat keinen Bezug vielleicht auf eine bestimmte Funktion; aber immerhin auf die Fungibilität selbst. Mehr als eine Anmerkung kann er nicht sein.
Das ist auf die Dauer seinerseits zu wenig. Der fleißige Surrealismus wurde bald öde; die ungegenständliche Kunst hat auch nicht lange bestanden, Jackson Pollock hat sie unter die Erde gebracht. Als Dekoration kümmert sie weiter vor sich hin.
Denn Stachel der Kunst ist: Ihr Schein ist ein Schein von wirklich Erscheinendem; nämlich das Andere seiner Funktion. Genauer gesagt: an seiner Funktion. Die bleibt Bezugspunkt der Andersheit, sie wäre ja sonst leer.
5. 2. 22
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