Mittwoch, 5. März 2025

Bloß keine neuen Schulden.

Sisyphus, Breslau                                    zu öffentliche Angelegenheiten 

Das Keynes-Modell sei gescheitert, hört man allenthalben. Es ist aber nirgends aus-geführt worden. Vorgesehen war Schulden machen und Investitionen wagen in schlechten Zeiten - und in besseren Zeiten die Schulden wieder abtragen. Das ist gesunder Hausfrauenverstand. Nach über einem Dreivierteljahrhundert zeigt sich unterm Strich: Schulden wurden überall akkumuliert, sodass die Zinsen inzwischen die Mittel auffressen, die für den Schuldendienst nötig wären - und Investitionen auch in guten Zeiten überhaupt nur durch weitere Schulden möglich bleiben. 

Das Keynes'sche Programm wurde erdacht, als in aller Welt die Angst vor der In-flation in den Knochen steckte. Bloß keine Schulden machen war Dogma, aber der Liberalismus war nicht geeignet, die Wetwirtschaftskrise - vom Schwarzen Freitag 1929 bis in den Weltkriegsboom hinein - auch nur ein wenig abzumildern. Der Mar-shall-Plan war die globale Wende: Wenns irgendwo mit der Wirtschaft hakt, muss der Staat ran. Das Wettrüsten während des Kalten Kriegs war ein Marshallplan in Permanenz: ein kaum verhohlenes neues Dogma.

So kann's nicht ewig weitergehen, wohl wahr. Und jetzt kommen sie her und su-chen Heil in der... Rückkehr zum alten Dogma. Das ist Irrsinn. Wirschaftspolitik als Hin und Her von einem Dogma zu dem andern?

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Politik ist eine praktische Disziplin. Zur Erinnerung: Praktisch ist nach Kant das, "was durch Freiheit möglich ist". Und Freiheit heißt Wählen der gewollten Zwecke. Nichts ist 'praktischer' als das Politische. 

Politisch ist Ökonomik als Wahl von Zwecken und nicht als Wahl von Methoden und Verfahrensweisen - die wäre bloß technisch

Die Begriffsverwirrung ist schon alt. Sie beginnt spätestens mit Ricardos Über die Grundsätze der Politische Ökonomie und der Besteuerung. Da gehen die Grund-sätze der Besteuerung unmittelbar aus der Theorie hervor. 

Ein anderes Eingreifen des Staates ins Wirtschaftsgeschehen als das Erheben von Stuern konnte sich der Freihandelsapostel Ricardo gar nicht vorstellen, sonst hätte er das ebenfalls aus seinen theoretischen Grundsätzen ableiten müssen. 

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Politische Ökonomie ist seit ihren Begründern Dr. Quesnay und Adam Smith die theoretische Darstellung des Systems der bürgerlichen Marktwirtschaft. Wäre sie wirklich ein System, in dem alle seine Konstituenten einander begründen, so wäre sie mindesten logisch unanfechtbar, und man könnte aus ihrer historischen Gege-benheit gültige Schlüsse ziehen - nicht nur für die Besteuerung, sondern für alles, was sonst noch 'durch Freiheit möglich' wäre. 

Gerade auf diese theoretisch-praktische Konsequenz bezog sich die Kritik der Poli-tischen Ökonomie von Karl Marx. Sie entlarvte das theoretische System als eine interessierte Täuschung

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Seither ist Volkswirtschaftslehre nichts anderes mehr als Wirtschaftspolitilogie. Sie kann beschreiben, was heute galt, aber vielleicht gestern noch nicht und morgen nicht mehr. Wird sie von historisch gebildeten oder womöglich von sachlich inter-essierten Autoren betrieben, fragt sie nach den je gegebenen Umständen. Wäre sie politisch-ökonomisch interessiert, fragt sie nach den zu wählenden Zwecken.

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Die heute zu wählenden Zwecke kommen in den mathematischen Modellen von gestern naturgemäß nicht vor. 

Der erste - natürlich unausgesprochene - Satz der Kritik der Politischen Ökonomie lautet: Wirtschaft ist ein reales Geschehen, da kommt es auf Glaubenssätze nicht an. Da sind auf der eine Seite die je - heute und nicht gestern und vielleicht auch nicht morgen - gegebenen Fakten, und die heute und nicht gestern, und morgen schon ganz anders gestellten Aufgaben

Die uns heute gegebenen Fakten sind in der Tat Sache von Ökonomen, ein solcher bin ich nicht, in Details darf ich mich gar nicht einlassen. Aber die aufgegebenen Zwecke sind Sache unserer Wahl, und dazu bin ich aufgerufen wie jeder andere:

Noch nie seit 1948, dem Beginn des Kalten Kriegs, stand so viel auf dem Spiel wie heute. Es geht um die Weltordnung, die wir wollen, und die nur möglich wird, wenn wir sie wollen, und das ist keine Angelegenheit von Wirtschaftspolitologen und Kame-ralisten, sondern Sache der res publica.

 

 

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