aus welt.de, 5. 3. 2025 zu öffentliche Angelegenheiten
Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer sieht Deutschland und Europa durch das Agieren von US-Präsident Donald Trump massiv gefährdet. Er fordert in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ die Wiedereinführung der Wehrpflicht sowie Gespräche über eine Ausweitung des französischen und britischen Atomschirms auf ganz Europa.
„Nun ist eingetreten, was ich lange befürchtet hatte: Der Westen ist beendet, und zwar von innen heraus, nicht durch eine auswärtige Macht. Das ist ein unfassbarer Vorgang“, sagte Fischer über den Eklat im Weißen Haus beim Treffen von Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. „Die schlimmste Folge dieses Eklats ist der völlige Zusammenbruch jedes Vertrauens in diesen Präsidenten.“
Ab jetzt müssten die Regierungen Europas immer zwei Optionen bedenken: „Eine mit den USA in der Nato, als Bündnispartner, aber in einer zweiten Option, als Rückversicherung, immer auch ohne Rückbindung an die USA.“
Fischer fordert eine massive Aufrüstung in Deutschland und Europa. „Was ist die Alternative? Die Alternative heißt Unterwerfung“, warnte er, „Unterwerfung unter die Vorherrschaft der Großmächte und ihrem Diktat“. Sollten die USA die Unterstützung der Ukraine einstellen, müsste Europa das ausgleichen.Um die historischen Ausmaße der außenpolitischen Krise zu verdeutlichen, sagte Fischer: „An den nächsten Bundeskanzler, also mit hoher Wahrscheinlichkeit Friedrich Merz, wird ein Maßstab angelegt werden wie an den ersten Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer. Das ist die Messlatte.“ Deutschland müsse zu einer Militärmacht werden.
Der Grünen-Politiker fordert im Interview schnelle Verhandlungen über eine Ausweitung des französischen und britischen Atomschirms auf ganz Europa: „Die beiden Nuklearmächte Frankreich und Großbritannien sollten sich möglichst schnell in Verhandlungen mit der EU darüber begeben. Nicht als Alternative zur amerikanischen Sicherheitsgarantie, sondern als Option Nummer zwei. Der einfachste Weg wäre, wenn die nationalen Sicherheitsschirme in Frankreich und Großbritannien ausgedehnt würden. Man müsste sich über die Finanzierung einigen. Über die Verfahren. Ich halte das für unverzichtbar“, erläuterte Fischer. „Dass ich mal öffentlich für diese Dinge eintrete, hätte ich in meinen schlimmsten Albträumen nicht gedacht. Aber das ist die Realität.“
Die Aussetzung der Wehrpflicht bezeichnete Fischer als „großen Fehler“, der schnell korrigiert werden müsse. Man kann mit angezogener Handbremse, gerade auch finanziell, nicht gegen globale Großmächte bestehen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen