
Begriffe ohne Anschauung sind leer, Anschauungen ohne Begriff sind blind.
Exakte Wissenschaft entstand, als Galileo begann, theoretische Modelle durch das physikalische Experiment zu überprüfen. Seither ist Erfahrung Fundament wissen-schaftlicher Theorienbildung, begriffliche Modelle sind ihr Werkzeug.
Die Gesellschaftswissenschaften, sagt Karl Marx, können nicht experimentieren. Ihnen müsse das Gedankenexperiment den wirklichen Versuch ersetzen.
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Keine Wissenschaft ist möglich von Gegenständen, mit denen man ihrer Natur nach keine Erfahrungen machen kann.
Wie ist es aber mit Dingen, mit denen wir zwar ihrer Natur nach Erfahrung haben können, aber nicht unserer Natur nach? Das begann mit dem Mond, auf dem wir nicht landen konnten. Inzwischen können wir das, aber nur unter gewaltigem Auf-wand. Technische Hilfsmittel müssen immer wieder Umwege eröffnen, wo ein di-rekter Zugang nicht möglich ist. Wir können nicht mit einem Thermometer auf die Sonne fliegen, um dort die Temperatur zu messen. Wir müssen sie aus andern Para-metern errechnen.
Errechnen? Ist das, was uns die Lücke in der Anschauung füllt, eine bloße Rechen-aufgabe? Eine Kombination gegebner Begriffe, die zu einer andern Kombination ebenso gegebener Begriffe lediglich ins Verhältnis gesetzt wird? Nein: Die Lücke, die zu füllen ist, ist die fehlende Anschauung. Was ins Gedankenexperiment von außen eingefügt werden muss, ist an Stelle der fehlenden äußeren Anschaunng eine aushelfenden "innere Anschauung"; oder sagen wir präziser: eineVorstellung. Die kann man nicht aus gegebenen Voraussetzungen hervor bringen. Die muss man sich für vor gestellte Zwecke ein fallen lassen.
PS. - Was etwa Schrödingers Katze anlangt: Ist wirklich das, was an sich wirklich ist? Oder ist wirklich nur, was von irgendeinem als wirklich wahrgenommen
wird? Mit andern Worten: Wie ein Gehirn arbeitet, ist eins. Wie wahr
die Bilder sind, die es hervorbringt, ist ein anderes. Und da wir andere
Bilder, als die, die unser Gehirn hervorbringt, gar nicht haben, ist
die Frage, ob und in welchem Sinn sie wahr wären, ohne Sinn.
Kommentar zu Gedanken-Experimente, JE, 19. 6. 22
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