Mittwoch, 30. April 2025

Better late than never.


aus welt.de, 30. 4. 2025                                                                                zu öffentliche Angelegenheiten

Juso-Chef hält Untergang der SPD für möglich

Jusos-Chef Philipp Türmer hält es nicht für ausgeschlossen, dass die SPD in den kommenden Jahren verschwindet. „Es kann sein, dass es immer weiter runtergeht, sodass wir irgendwann darüber reden. Das kann sein und das macht mir riesige Sorgen“, sagte er dem „Spiegel“. Und weiter: „Es gibt keine Ewigkeitsgarantien für Parteien.“

 

Nota. - Hundertfünfzig Jahre sind längst zu viel.
JE

 

Nervus vagus und Plexus solaris.

                                             zu Jochen Ebmeiers Realien

Die Hirnforschung hat in den letzten Jahrzehnten spektakuläre Fortschritte ge-macht, die nach und nach in die Allgemeinbildung eingehen. Das hat aber auch eine Kehrseite: indem es nämlich unsere Selbstwahrnehmung unmerklich in eine Schief-lage bringt. War in den achtziger Jahren viel Getös um ein sogenannte Bauchgefühl, hinter dem alle "kopfigen" Gehirnfunktionen als Kleinkrämerei erschienen, ist seit-her fast in Vergessenheit geraten, dass der Mensch außer aus einem Gehirn auch in einem Leib besteht.

Das ist auch in pedantischster theoretischer Wissenschaft von Belang, weil es den ausschlaggebenden und unhintergehbaren Unterschied zur Künstlichen Intelligenz ausmacht - denn die hat keinen Leib als Sensorium und Informanten in der Welt wie die natürliche Intelligenz, und kein materielles Instrumentarium, mit dem sie selbstgesetzte Zwecke verwirk lichen kann; und darum wird sie auch kein Denkor-gan entwicklen, das Zwecke erfinden kann - und wird, streng genommen, selber gar nichts entwickeln.

Darum hier ein knapper Umriss dessen, was der
"denkenden" Maschine ewig fehlen wird:

Der Nervus vagus, auch bekannt als der zehnte Hirnnerv (N. X), ist ein wichtiger Nerv, der sich vom Gehirn bis in den Bauchraum erstreckt und viele innere Organe beeinflusst. Er ist der Hauptnerv des Parasympathikus und spielt eine entscheiden-de Rolle bei der Regulation von Herzfrequenz, Verdauung, Atmung und mehr.

Hauptfunktionen:

Regulation des parasympathischen Nervensystems:
Der Vagusnerv ist für Ruhe, Erholung und Verdauung zuständig.

Übertragung von Informationen:
Er übermittelt sensorische Informationen vom Gehörgang, Rachen und Bauchraum an das Gehirn.


Motorische Funktionen:

Verbindung zwischen Gehirn und Körper:
Der Vagusnerv ist ein wichtiger Kommunikationsweg zwischen Gehirn und Körper.

Stress und Emotionen:
Die Aktivität des Vagusnervs ist eng mit Stress und Emotionen verbunden.

Anlage verschiedener Erkrankungen:
Eine Dysfunktion des Vagusnervs kann mit verschiedenen Erkrankungen in Verbindung gebracht werden, wie Angst, Depressionen, Stress und chronische Krankheiten.

Beeinflussung innerer Organe:
Er beeinflusst Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung, Verdauung und vieles mehr.
 

Zusammenfassend: Der Vagusnerv ist ein vielseitiger und wichtiger Nerv, der für viele Funktionen des Körpers von Bedeutung ist. Er spielt eine zentrale Rolle in der Regulation des parasympathischen Nervensystems, der Kommunikation zwischen Gehirn und Körper sowie bei der Stressregulation und hat eine vielfältige Auswirkung auf den menschlichen Körper.



Das "Sonnengeflecht" (Plexus solaris) ist ein Nervengeflecht im menschlichen Körper, das sich zwischen dem Brustbein und dem Bauchnabel befindet. Es ist Teil des vegetativen Nervensystems und dient der Weiterleitung von Informationen zwischen dem Gehirn und den Eingeweiden sowie den Blutgefäßen im Bauchraum. Das Sonnengeflecht reguliert die Funktion der Bauchorgane und der Blutgefäße in der Bauchhöhle.

Informationen weiterleiten:
Das Sonnengeflecht leitet Informationen vom Gehirn zu den Bauchorganen und umgekehrt weiter.

Funktion der Bauchorgane regulieren:
Es hilft bei der Steuerung der Funktion der Bauchorgane, wie z. B. Verdauung, Atmung und Blutdruckregulation.

Blutgefäße im Bauchraum regulieren:
Es beeinflusst die Durchblutung der Bauchorgane und die Regulation des Blutdrucks.

Es liegt in der Tiefe des Oberbauchs, zwischen Magen und Hauptschlagader (Aorta).

Eng benachbart:
Es wird von zwei Nervengeflechten gebildet, dem Plexus mesentericus superior und dem Plexus coeliacus.

Einfluss des Vagusnervs:
Auch der Vagusnerv (Nervus vagus) spielt eine Rolle, indem er parasympathische Fasern zum Sonnengeflecht leitet.

Schmerzfortleitung:
Das Sonnengeflecht ist auch an der Fortleitung von Schmerzen aus dem Bauchraum ins Gehirn beteiligt.

Es ist wichtig zu beachten, dass die bewusste Steuerung des Sonnengeflechts nicht möglich ist, da es zum vegetativen Nervensystem gehört.
 
Quelle: Wikipedia.

Glauben oder wissen.

onlylyon                                                                                     zu Philosophierungen

Die Neue Zürcher brachte zum Hl. Nikolaus ein salbungsvoll gravitätisches Stück zu dem längst erschöpft geglaubten Thema Wissen und Glauben, und es kam, Sie werden's kaum für möglich halten, zu dem überraschenden Schluss, dass beide einander nicht nur nicht ausschlössen, sondern "einander fordern"!

Ich habe das andernorts dokumentiert, aber nicht ohne Kommentar: 


...Ob es eine rationale Theologie geben kann, ist eine - na, sagen wir mal: nicht so vordringliche Frage. Ihr mag man sich zuwenden, wenn man die durchaus vor-dringliche Frage beantwortet hat, ob es eine rationale Philosophie geben kann. Die Frage ist freilich soweit geklärt, als es eine solche ja gibt; ich meine eine, die nicht auf dem (einen oder andern) Glauben beruht, sondern vom Wissen ausgehend im Wissen verbleibt. Das ist die Kritische alias Transzendentalphilosophie. Sie handelt nicht von Gott und der Welt - dazu müsste sie nämlich allerhand glauben -, sondern von unseren Vorstellungen von Gott und der Welt, denn die allein sind uns be-kannt.

Diese Unterscheidung - zwischen den Dingen selbst und dem, was wir uns darunter vorstellen - ist für die exakten Wissenschaften (in denen zum Beispiel der erwähnte Urknall vorkommt) ohne Belang: Sofern und solange sie diese ihre Vorstellung mit ihren andern Vorstellungen (immer wieder aufs Neue) in Einklang bringen kann, hat sie ihr Geschäft besorgt.

Wieweit die Gesamtheit ihrer Vorstellungen mit der Gesamtheit der vorgefundenen - na, nennen wir's ruhig:
Welt übereinstimmt, ist keine Frage des theoretischen Glau-bens, sondern der pragmatischen, denkpraktischen Bewährung. Solange die neuge-wonnenen Vorstellungen sich ins vorhandene Gebäude (alias "Standardmodell") einfügen lassen, ohne dass dadurch immer neue unprüfbare Zusatzannahmen not-wendig würden, tut es seine Dienste und darf weiterhin als "einstweilen endgültig" angenommen werden. Bis eines Tages ein Modell in Vorschlag gebracht wird, das alles Bekannte und vieles Neue einfacher darstellen kann. Auch an dieses muss dann niemand glauben, es wird reichen, wenn es sich denkpraktisc bewährt.

Mit der rationalen Philosophie ist es was Anderes. Die Prätention, die Vorstellungs-gebäude der exakten Wissenschaften einem Wahrheitsurteil zu unterziehen, hat sie mit Kants kritischer Wendung abgelegt. Für die realen Wissenschaften ist sie eine kritische Instanz, die lediglich, aber immerhin über die immanente Konsistenz der theoretischen Modelle mitzu-reden hat, und nicht über ihre metaphysische Endgül-tigkeit.

Doch auch gegenüber den
Sinnsuchern und Sinnerfindern ist sie kritische Instanz. Sie ist nicht Fleisch von ihrem Fleisch, sie reden nicht von Gleich zu Gleich; "auf Augenhöhe", wie der Flachmann sagt. Ihnen allen sagt sie, ohne Ausnahme: Tut nicht so, als hättet ihr für eure Sinnbehauptungen belastbare Gründe. Ihr habt Mo-tive, und die hat jeder. Dass eure Motive besser sind als die der andern, muss sich zeigen.Wenn ihr sie stattdessen unter vorgeschützten Gründen versteckt, von denen man nichts wissen und die man nur glauben kann, werden sie es nötig haben. Wir jedenfalls können vor euch nur warnen.

Ich bin Atheist von Hause aus und in einer sprichwörtlich gottlosen Stadt großge-worden, ich habe keine Rechnungen zu begleichen, ich bin kein Antiklerikaler, und als studiertem Historiker ist mir die Bedeutung des Christentums für Entstehung und Gegenwart des Abendlands ganz und gar bewusst. Ich bin auch der Meinung, dass die Kirchen den Platz, den sie in unserer Kultur einnehmen, gefälligst auszu-füllen haben.

Ganz entschieden bin ich aber auch der Meinung, dass der am besten dafür geeig-nete Ort die Kirchen sind. Wenn ihnen die inzwischen zu leer sind, müssen sie sich was einfallen lassen, um sie wieder zu füllen (und das wird ihnen, da war ich mit Be-nedikt einer Meinung, nicht gelingen, wenn sie Hinz und Kunz nach dem Munde reden). Was ich dagegen überhaupt nicht dulden mag, ist die ersatzweise Verpfaf-fung des öffentlichen Lebens in Deutschland, an der wohlbemerkt die Lutherischen viel kräftiger drehen als die Ultramontanen.

Lassen wir die Kirche im Dorf und die Pfaffen in ihren Tempeln.
6. 12. 14

 

Dienstag, 29. April 2025

Kultur gedeiht nicht als Made im Speck.

                                    zu öffentliche Angelegenheiten
Noch nie hat es der Kunst, der Literatur oder der Philosophie gutgetan, wenn sie aus dem Vollen schöpfen, und das heißt aus vollen Trögen schlemmen konnten. Kulturschaffer, die satt und zufrieden sind, bringen nichts hervor, wonach Andern dürsten könnte. 

Natürlich ist bei Kürzungen ihr Krakeel am hörbarsten, weil der schrillste. Aber von dem, was sie einstreichen, erblühen sie nicht, sondern an dem, was ihnen einfällt. Und danach müssen sie dürsten.

Nota. - Erinnert Sie mein obiges Bild an eine Wurstkette? Sie sollten sich besser ein Netzwerk darunter vorstellen. JE

Ästhetische Betrachtung ist Anschauung gegebener Verhältnisse.

  C. D. Friedrich                              aus Ästhetik und Erkenntnis.
 
... Ästhetische Betrachtung ist Anschauung gegebener Verhältnisse. Sie geschieht ohne andere Absicht als eben die: Verhältnisse anzuschauen.

Ob sie eine natürliche (primäre) oder eine künstliche (sekundäre) ist, hängt davon ab, ob 'der Mensch' als ursprünglich absichtsvoll oder als ursprünglich betrachtend aufgefasst wird. Das ist so simpel nicht, wie es scheint. Denn der ursprüngliche Mensch lebte mit seiner Umwelt im Einklang, mit ihr hatte er natürlichen Stoff-wechsel, aber darüber hinaus gehende Zwecke setzte er sich nicht. Die semantische Falle: In diesem Zustand war er ursprünglich, aber noch kein Mensch. Die Homini-sation war der Prozess, in dem der Mensch seinen ursprünglichen Naturzustand verließ und sich in der Fremde Zwecke setzen musste.

Doch viel weiter als das sich Darbietende abzuweiden reichten seine frühesten Zwecke nicht. Noch heute verbringen die wenigen überlebenden und in unwirt-liche Gegenden abgedrängten Jäger-und-Sammler-Völker weniger Zeit mit dem Nahrungserwerb als ein Bürger der Industriegesellschaft. Ihr Leben ist noch keines-wegs von morgens bis abends "verzweckt", Muße haben sie reichlich. Hätten unsere Vorfahren nicht durch neugieriges Betrachten der Erscheinungen ihren Gesichts-kreis erweitert, hätten wir nie Gelegenheit bekommen, uns über Erkennen und An-schauen Gedanken zu machen.

Doch die Erfindung der Arbeit wurde zu einem Flaschenhals. Die Zeit wurde knapp, der Horizont wurde eng. Das müßige Betrachten wurde zum Privileg der Herrschenden, und weil sie, wenn sie nicht Krieg führten, nichts besseres zu tun hatten, konnten sie es kultivieren.

Da sind wir nur. Zweckhaftes Erkennen und uninterssiertes Anschauen haben sich getrennt und unabhängig von einander fortentwickelt. Auf der einen Seite die Indu-strie, auf der andern die Kunst. Aber im wirklichen Leben nehmen sie keineswegs denselben Rang ein. Der Mensch in der Arbeitsgesellschaft ist in erster Linie ab-sichtsvoll, Betrachten ist ein Luxus, den er sich allenfalls nach getaner Arbeit leisten kann. Oder weil er den herrschenden Klassen angehört und andere für sich arbeiten lässt.


Nachtrag. -
Dass ästhetische Betrachtung weniger Werten von Qualitäten als insbe-sondere Anschauung von Verhältnissen ist, hat zuerst J. F. Herbart bemerkt; siehe Praktische Philosophie. Qualifizieren von Verhältnismäßigem - das ist ein origi-neller Gedanke.
3. 1. 19 


Montag, 28. April 2025

Cimabue malte nicht in Siena


aus FAZ.NET, 28. 1. 2025                                Maestà                                 

Cimabue im Louvre
Als Kaiser Napoleon den „Ochsenkopf“ stahl
Er gilt als Erfinder der italienischen Frührenaissance: Eine fulminante Ausstellung im Louvre wirft neues Licht auf den Maler Cimabue.
 
Von Bettina Wohlfarth, Paris

Von Cimabue wurden nur wenige dokumentarische Spuren überliefert. Umso größer war in der Vergangenheit die Versuchung, Legenden um sein Leben zu ranken. Durch Zu- oder Abschreibungen blieb auch der schmale Werkkorpus lange Zeit im Unklaren. Heute herrscht über etwa zehn Tafelgemälde Einigkeit, außer-dem stammen eine Freskengruppe in Assisi und Mosaike in Florenz und in Pisa von Cimabue.

Es gibt nur vier Dokumente, in denen der Maler zu Lebzeiten erwähnt wurde, entweder unter seinem tatsächlichen Namen Cenni di Pepo oder unter dem Spitznamen Cimabue, mit dem er schließlich in die Kunstgeschichte einging. Womöglich könnte dieser buchstäbliche „Ochsenkopf“ den Eigensinn und die Beharrlichkeit des Künstlers bezeichnen. ­Dokumentiert wurde, dass er aus Florenz stammte, sich um 1272 in Rom aufhielt, 1301 in Pisa lebte und 1302 starb. Das Geburtsjahr des Florentiners, 1240, nennt erst Giorgio Vasari, der dreihundert Jahre später seine berühmten Viten mit Cimabue beginnen lässt.

Eine Fliege auf der Nasenspitze

Vasari zufolge malte der junge Giotto eines Tages heimlich eine Fliege auf die Nase einer Figur des Meisters. Cimabue hielt sie für echt und wollte sie wegscheuchen. Mit diesem Späßchen hatte Giotto den Lehrer metaphorisch aus dem Feld geschlagen. Indirekt erzählt die Anekdote, dass die von Cimabue eingeführte realistischere, naturalistischere Art der Darstellung die symbolisch-schematische Malerei der mittelalterlichen Ikonen endgültig abgelöst hatte. Diesen Weg in die Renaissance zeigt die Ausstellung im Louvre unter dem Titel „Cimabue neu sehen – Zu den Ursprüngen der italienischen Malerei“.

Geißelung Christi: Cimabue malte die Szene aus der Passion um 1280 auf Holz

Die Schau versammelt etwa vierzig Werke um zwei hauseigene Tafelgemälde des Florentiner Meisters, die in den vergangenen Jahren eingehend im Labor des Louvre untersucht und perfekt restauriert wurden: die monumentale Maestà, die Cimabue für die Kirche San Francesco in Pisa geschaffen hatte und Napoleon 1813 in den Louvre verschleppen ließ, außerdem ein kleines Tafelgemälde, das die „Verspottung Christi“ zeigt.

Letzteres gehörte zu einem Andachtsdiptychon mit Szenen der Passions­geschichte und wurde erst 2019 in einem Auktionsinventar in Frankreich als ein Cimabue erkannt. Der Louvre hatte die Tafel – als nationales Kulturgut eingestuft – nach der Versteigerung zum erzielten Preis von gut 24 Millionen Euro erworben. Die beiden Bildwerke wurden bei der Restaurierung von Übermalungen und Schichten oxidierten Lacks befreit, die mit den Jahrhunderten die Farben verdunkelt hatten. Feine Nuancen, Details und Inschriften sind nun sichtbar geworden. Durch die eingehende Befassung mit den beiden Gemälden konnten neue Erkenntnisse zu Cimabues künstlerischen Innovationen gewonnen werden, die nun in der vom Louvre-Kurator Thomas Bohl ausgerichteten Ausstellung und dem begleitenden Katalog vorgestellt werden. Immerhin versammelt die Schau sechs Werke des toskanischen Meisters.

Cimabue, Verspottung Christi

Außergewöhnliche Leihgaben

Das künstlerische Umfeld in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, als Cimabue seine Ausbildung begann, wird durch außergewöhnliche Leihgaben veranschaulicht. Die „Kreuzigung“ von Giunta Pisano (um 1250), der als Lehrmeister Cimabues gilt, wurde vom Nationalmuseum in Pisa trotz ihrer Fragilität nach Paris geschickt. Die Gestaltung der Gesichtszüge und des Körpers der Jesusfigur sind noch stilisiert und schemenhaft.

Gern hätte man sie im Vergleich neben Cimabues „Triumphkreuzen“ aus Arezzo (um 1270) und Florenz (um 1287) gesehen, die leider nicht verliehen wurden. Mehrere Maestà-Darstellungen – darunter die „Kahn-Madonna“ und die „Mellon-Madonna“ aus der Washingtoner National Gallery oder eine Jungfrau mit Kind des anonymen Meisters von Bigallo – zeigen, dass der byzantinische Stil und die maniera greca der orientalischen Ikonenmalerei für die religiösen Gemälde der toskanischen Künstler noch bis über die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts hinaus Vorbild standen. Die Andachtswerke galten als Acheiropoíeta, als nicht von Menschenhand geschaffen.

Ein Hauch von Weltlichkeit

Cimabue führte in den hieratischen Darstellungsstil der religiösen Szenen etwas Weltliches ein. Zu seiner Zeit wurde das Renommee der Künstler wichtig, die deshalb nach Originalität suchten. Seine etwa vier auf drei Meter große Maestà, die in leuchtenden Farben neu erstrahlend im Mittelpunkt der Ausstellung steht, wird auf 1280 datiert. Die Franziskaner-Brüderschaft in Pisa hatte Cimabue als damals wichtigsten Maler der Toskana mit der Ausführung beauftragt. Durch die jüngsten Untersuchungen, die Reste von Eisenhalterungen zutage brachten, ergab sich, dass die monumentale Tafel auf dem Lettner der Kirche San Francesco hing.

Figuren mit Volumen vor Goldgrund: Von Engeln umgebende thronende Muttergottes mit Jesuskind
Figuren mit Volumen vor Goldgrund: Von Engeln umgebende thronende Muttergottes mit Jesuskind

Cimabue erfand für das geläufige Thema eine neue Darstellungsweise, ließ Volumen der Körper entstehen, malte in fast realistischer Anatomie etwa die Hände und gab seinen Figuren, der Jungfrau mit dem Kind und den sechs umgebenden Engeln, einen emotionalen Ausdruck. Ein Vergleich mit anderen Gemälden, die von den Achtzigerjahren des dreizehnten Jahrhunderts an das Thema „Jungfrau und Kind“ behandeln, macht deutlich, wie Cimabues Einfluss die Darstellungsweise veränderte, lebendiger werden ließ und etwa seinen Nachfolger Duccio beeinflusste.

Zum ersten Mal werden in der Ausstellung die drei bekannten kleinformatigen Tafelgemälde des einst aus acht Bildern bestehenden Andachtsdiptychons (etwa 1285 bis 1290) zusammen gezeigt. Alle drei wurden in jüngerer Zeit wiederentdeckt. Die „Geißelung Christi“ tauchte 1950 auf und befindet sich heute in der New Yorker Frick Collection, während „Jungfrau und Kind mit zwei Engeln“ aus der National Gallery in London 1999 entdeckt wurde. Bei der vom Louvre kürzlich erworbenen „Verspottung Christi“ treten durch die Restaurierung nun die Farben in ihrer ganzen Subtilität hervor.

Cimabue, Mutter Gottes 

Erst jetzt sieht man, wie ausdrucksstark die Gesichter der aufgewiegelten Volksmenge gemalt wurden. Cimabue gab seinen Figuren mit blauen, violetten und orangefarbenen Tuniken die Kleidung seiner Zeit und legte trotz Kleinformat Wert auf realistische anatomische Details. Neue Erkenntnisse zur Optik ließen ihn erste perspektivische Darstellungen verwenden. Dante Alighieri, der 1265 in Florenz geboren wurde und den „Ochsenkopf“ Cenni di Pepo durchaus gekannt haben könnte, erwähnt den Maler im elften, den Hochmütigen gewidmeten Gesang des Purgatoriums seiner „Göttlichen Komödie“ als einst größten Meister, dessen Stern jedoch sank, als er von seinem Schüler Giotto übertroffen wurde.

„Cimabue neu sehen – Zu den Ursprüngen der italienischen Malerei. Im Louvre“, Paris; bis zum 12. Mai. Der Katalog kostet 42 Eur
 
 
Nota. - Zu den Ursprüngen der italienischen Malerei, heißt die Austellung. Soll das heißen, dass die Art und Weise, wie vor Cimabue gemalt wurde, nicht "italienisch" war? Das wäre nicht einmal falsch, denn es wurde im Stil der griechischen Ikonen gemalt. Träger dieser Kunst waren die ostgotischen Herrschaften in Norditalien gewesen mit ihrem Zentrum in Ravenna. 

 
Nicht nur den Begriff Renaissance - rinascità - hat Vasari geprägt, sondern auch die gängigen Vokabeln maniera greca und stilo gotico für die vorangehende Kunstepo-che - und Anklänge an Chartres und Reims sucht man daher in Italien vergeblich.
 
Die leb- und körperlosen byzantinischen Heiligenbilder sind mit Cimabue schlag-artig aus Italien verschwunden, und Giotto hatte freie Bahn.
JE, 28. 1. 2025
 


 

Lewotobi Laki-laki auf Flores.



Der Beginn der Malerei, wie wir sie kennen.

Thronende Muttergottes, Maestà des Duccio, ca. 1283 aus welt.de, 27. 4. 2025       Thronende Muttergottes, Maestà des Duccio, ca. 1283

„Siena – The Rise of Painting“
Der Beginn der Malerei, wie wir sie kennen
Selten hat eine Ausstellung christlicher Kunst die Kritiker so einhellig begeistert wie „Siena – The Rise of Painting“ in der National Gallery London. Das hat Gründe, denn so gut wie her verstand man fast noch nie, was zur Kunst der Renaissance führte.
Von Boris Pofalla

Die ganze Welt schaut dieser Tage nach Rom. Den Papst zu beerdigen und seine Nachfolge zu regeln ist ein Schauspiel, dessen Rituale nicht nur 1,4 Milliarden Katholiken in seinen Bann ziehen. Wenn sich 134 Kardinäle zum Konklave treffen, um den neuen Papst zu wählen, dann tun sie das unter einem der berühmtesten Kunstwerke der Menschheit, Michelangelos Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle.

Dass herausragende religiöse Kunst selbst bei Atheisten eine starke Wirkung entfaltet, kann man gerade auch im eher protestantischen London erleben. Selten hat eine Ausstellung christlicher Kunst die Kritiker so einhellig begeistert wie „Siena – The Rise of Painting“. Der linksliberale „Guardian“ nannte sie atemberaubend und die „New York Times“ sprach von der Ausstellung der Saison – zuvor war „Siena“ im Metropolitan Museum in New York zu sehen gewesen. Der Kritiker der „Times“, Holland Cotter, hob die „besondere emotionalen Intensität der Bilder“ hervor, die zweihundert Jahre vor den Werken Michelangelo, Raffael und Leonardo da Vincis gemalt wurde, und zu einer Zeit, als die Päpste gerade in Avignon residierten.

Tatsächlich ist „Siena – Der Aufstieg der Malerei“ eine überwältigende und berührende Schau – und ein kleines Wunder. Die kleine Stadt in der Toskana war im 14. Jahrhundert, dem Trecento, die Kapitale der Kunst. Späteren Zeitgenossen galt der Sieneser Stil als zu gotisch, zu flach und zu dekorativ – der Geschmack der Kunstgeschichte orientierte sich lange an der Hochrenaissance und damit an Rom und Florenz.

Die Künstler des frühen 14. Jahrhunderts erzeugten keine plausiblen Bildräume, spielten aber schon mit perspektivischen Effekten. Statt mit Ausblicken auf Landschaften hinterlegten sie ihre Darstellungen religiöser Szenen mit Blattgold, und bei der Wiedergabe kostbarer Stoffe machte ihnen keiner etwas vor. Auch Elfenbein, Marmor und Silber kamen zum Einsatz. Die Materialien und Einflüsse fanden ihren Weg wie die Pilger, denn Siena lag an der Via Francigena, die von England durch Frankreich und die Schweiz nach Rom führte.

Unter den Eliten des 14. Jahrhunderts waren Werke aus Siena hochgeschätzt. Die damals schon sehr mobilen Könige, Kirchenfürsten und Hochadligen ließen sich in der toskanischen Stadt zusammenklappbare, in Leder gebundene Bildertafeln aus Holz anfertigen – Triptychen oder gar Polyptychen, also aus drei oder noch mehr Tafeln bestehende Gemälde, die oft mit Scharnieren verbunden waren. So zirkulierten die Meisterwerke von Duccio di Buoninsegna, Simone Martini, Pietro und Ambrogio Lorenzetti durch ganz Europa und stifteten Nachahmer. Am Hof des englischen Königs Richard II. etwa wurde um 1396 ein Diptychon für den persönlichen Gebrauch des Herrschers in Auftrag gegeben.

Die Eleganz des „Wilton Diptych“ und die geschickte Verwendung von Pigment auf Blattgold sprechen für Sienas Einfluss, so die Kuratoren. Man glaubt es ihnen. Gerade diese Begehrlichkeit und Beweglichkeit der Sieneser Kunst rettete sie aber nicht vor der Fragmentierung – so wurde das Hauptwerk der Ausstellung im 18. Jahrhundert in Dutzende Teile zersägt. Nach 250 Jahren der Versprengung ist Duccio di Buoninsegnas (1278-1319) über zehn Sammlungen in fünf Ländern verstreute „Maestà“ für den Hochaltar des Doms von Siena wieder vereint – soweit es eben geht. Fünf mal fünf Meter maß das Werk einst. Die thronende Madonna von Duccio ist eine großartige, komplexe Kunsterfahrung aus Tempera, Blattgold und geschnitztem Holz selbst als in Fragmenten. Eine künstlerische Neuheit war damals die Predella, also der flache Sockel, auf dem der Altaraufbau ruht und von dem in den Auftragsunterlagen nirgends die Rede ist – wahrscheinlich hat Duccio, der Lehrmeister Giottos, diese Lösung allein erfunden.

Die Maesta von Duccio di Buoninsegna (Ausschnitt)Die Maesta von Duccio di Buoninsegna (Ausschnitt)
Die erhaltenen Predellentafeln der Maesta von Duccio di BuoninsegnaDie erhaltenen Predellentafeln der Maesta von Duccio di Buoninsegna

Die erhaltenen Predellentafeln werden in der National Gallery und vor schwarzem Stoff gezeigt, von dem sich die vom vielen Gold leuchtenden Szenen abheben. Direkt vor oder hinter dem Altar betenden Priester hätten diesen untersten Teil der Maestà unmittelbar vor Augen gehabt – und auf der Rückseite etwa einen schwarzhäutigen, bärtigen und geflügelten Teufel gesehen, der Jesus in einer Felslandschaft sowie auf dem Dach des Tempels in Versuchung führt. Durch eine offene Tür blickt man in das Innere des von Säulen geschmückten Tempels, dessen Mosaikboden wiederum an die Kathedrale von Siena erinnert. Die Details sind umwerfend, die Farbgebung kräftig und doch subtil. Gemalt wurde vor allem nach Vorlagen, nicht nach der Natur, die Zentralperspektive war noch nicht erfunden. Dennoch war Duccio um 1310 bereits in der Lage, auch psychologisch anspruchsvolle und komplexe Handlungen über mehrere Bilder hinweg zu erzählen.

Drei verschiedene Blickpositionen

So etwa auf der Rückseite der Haupttafel: Die von Jesus beim Letzten Abendmahl vorhergesagten drei Verleugnungen durch Petrus noch vor Tagesanbruch sind sowohl simultan als auch in zeitlicher Reihenfolge dargestellt. Episode eins: Der Hohepriester Hannas befragt Jesus nach dessen Verhaftung in seinem Palast. Episode zwei: Petrus erreicht den Palast mit Verzögerung und wärmt sich gemütlich mit anderen Wartenden im Hof an einem offenen Feuer. Eine Dienerin des Palastes identifiziert ihn als Anhänger Jesu, doch Petrus verleugnet. Es sind also zwei Episoden aus unterschiedlichen Evangelien, die Duccio hier auf zwei Ebenen übereinander anordnet, doch es ist dasselbe Haus, in dem sich beides zugleich ereignet: Die denunzierende Dienerin deutet das Treppengeländer entlang nach oben, wo gerade Jesus verhört wird – die perspektivisch dargestellte Architektur rahmt beide Szenen ein.

Gleich daneben ist derselbe Raum auf zwei Bildtafeln zweimal dargestellt, aber die Handlung wechselt, denn es ist eine Sequenz: unten verhört Kajaphas Jesus, oben wird Jesus mit verbundenen Augen vor diesem gegeißelt. Petrus steht beide Male vor der Tür. Er verleugnet Jesus ein zweites und dann ein drittes Mal. Der Verrat wird wirksamer inszeniert als in einer reinen Repräsentation. Wie die Maestà im 14. Jahrhundert gewirkt haben mag, kann man in London zum ersten Mal seit 250 Jahren ansatzweise nachvollziehen. Damals, so die Co-Kuratorin der Schau, Joanna Cannon, „musste ein Gläubiger nahe an einem Altarbild stehen, das fast fünf Meter breit war, und um die ganze Bandbreite der Szenen erfassen zu können, war er gezwungen, sich zwischen mindestens drei verschiedenen Blickpositionen zu bewegen.“

Qualität und Komplexität machen dieses Werk einzigartig, doch die Form der Anerkennung wechselte mit der Zeit. Als Duccio seinen Auftrag im Jahr 1311 ausgeführt hatte, wurde das Kunstwerk in einer Art Prozession aus seiner Werkstatt und durch die Straßen von Siena getragen, begleitet von allen ehrbaren Bürgern der Stadt. Im 16. Jahrhundert wanderte die Maestà in eine Nebenkapelle ab um dann im 18. zerlegt zu werden. Dabei gingen mit der Zeit einige Tafeln verloren, andere landeten in Museen und Sammlungen.

Ein weiteres Highlight der Ausstellung sind die gotischen Elfenbeinschnitzereien, die um 1300 aus Frankreich und dem Rheinland nach Italien kamen und dort wiederum die Kunst beeinflussten. Man glaubt kaum, wie genial Gestik, Mimik und Körpersprache von Menschen in diesem spröden Medium eingefangen wurden – die Elfenbeinschnitzerei scheint der Malerei um 1300 an Naturnähe voraus zu sein.

Polyptychon mit Szenen der Passion Christi aus Elfenbein, ca. 1350Polyptychon mit Szenen der Passion Christi aus Elfenbein, ca. 1350

Ein elfenbeinerner Christus am Kreuz ist wohl, wie der substanzielle Ausstellungskatalog nachweisen kann, zur Inspiration für Duccios Kreuzigungsszene auf der Rückseite seiner Maestà geworden. Die Arme, die Beugung der übereinandergeschlagenen Beine, überhaupt die ganze Ausführung der Kreuzigungsszene auf der Rückseite der Maestà ähnelt einer Kreuzigung, die zwischen 1296 und 1303 in Frankreich aus Elfenbein geschnitzt wurde und die den Mittelteil des Saint-Sulpice-Triptychons bildet (heute in Paris, Musée Cluny).

Wie man das wissen kann? Das hier ausgestellte Triptychon taucht 1311 in einem Inventar des Papstes auf. Und als Duccio nach einem Bild für die Dominikaner in Perugia arbeitete, befanden sich die päpstlichen Sammlungen wahrscheinlich gerade dort, wo Benedikt XI. 1304 begraben worden war – in Perugia. Hat sich die frühe italienische Malerei bei ihrem ersten Höhenflug von Mitteleuropa anstiften lassen? Vieles spricht dafür. Schon im Mittelalter wurden die Sammlungen der Kirche zum Motor für weitere Entwicklungen, die schließlich zur Renaissance führten.

„Siena. The Rise of Painting“, National Gallery London, bis 22. Juni, der fundierte Katalog kostet ca. 50 Euro

 

Nota. -  Die Malerei, "wie wir sie kennen", datiert wohl so recht erst mit der Durch-setzung des Tafelbilds, das unsere Sehgewohnheiten so gründlich formatiert hat, dass noch das Display des iPhones seine Form zitiert, im Lauf des 16. Jahrhunderts - als die Renaissance schon manierierte Züge der Überreife zeigte. Da war die "go-tisch"-griechische Malweise längst vergessen, aber das ist wahr: Sie musste es wer-den, um den Weg zu einer naturalistischen Sichtweise zu ebnen, ohne die hernach die Landschaft die Kunst nicht aus dem Käfig der Mimetik hätte lösen können.
JE

Ich bin kein Kunsthistoriker.

ausGeschmackssachen
Thomas Girtin, The white house

...Vielmehr juckt mich das Eigentümliche der 'ästhetischen Wirkung' (wie ich das hilfsweise nenne) beim Betrachter, und dabei geht es viel mehr um das Werk selbst als um die Absicht des Künstlers (die doch auf so verschiedene Art und Weise in den Blick des Betrachters eingehen kann). Diese pp. ästhetische Wirkung geschieht nicht als die Übertragung einer Information X aus einem Speicher A (dem Gegen-stand) in einen Speicher B (den Betrachter); sondern als dessen persönliche Wert-Schätzung. Nicht receptio, sondern conceptio.

Das Verwunderliche ist nun, daß einem Künstler gelingt - wenn es gelingt -, das, was er 'gemeint' hat, so darzustellen, daß der Betrachter dasselbe 'meint'! Das My-sterium ist dabei aber weder das Gemeinte selbst, noch der Gegenstand, an dem es dargestellt ist; sondern die gelungene Wahl der Darstellungsmittel. (Nämlich eines andern Mittels als des sprachlichen.) 

Ein solches Gelingen ist darum verwunderlich, als das Besondere der sprachlichen Darstellungsmittel ihre Fähigkeit zur Bestimmtheit ist - nämlich ihre Diskursivität, die auf der Digitalität sprachlichen Ausdrucks beruht; sodaß ein sprachlicher Aus-druck, dem es nicht gelingt, im Angesprochenen dieselbe Vorstellung zu erzeugen, als mißlungen gilt; während die ästhetische Darstellungsweise analog, anschaulich und eo ipso uneindeutig ist. Verwunderlich also, wenn ein uneindeutiges 'Zeichen' vom 'Empfänger' genau in dem Sinn 'decodiert' wird, wie es vom 'Absender' ge-meint war.

Daß dies einem Künstler tatsächlich 'immer wieder' gelingt, gilt daher als seine Kunst. Seine Kunst, die nicht gelingen könnte ohne die ästhetische Qualität seines Werks; aber nicht schon diese ästhetische Qualität selber ist!  ...



aus Zwischenbericht  in Über das Ästhetische

Postscriptum.

Dass aber der Betrachter das Werk so 'versteht', wie der Maler es 'gemeint' hat, ist ja so wenig selbstverständlich, dass die gewöhnlichste Frage in der Gemäldegalerie lautet,Was will der Künstler uns sagen? Fiele die Antwort darauf klar und deutlich aus, müsste man das Werk für verunglückt halten - es sei denn, Mehrere gäben klar und deutlich mehrere verschiedene Antworten. Dann wär wieder alles in Ordnung. 
4. 12. 20 

 

 

Sonntag, 27. April 2025

Der Vermittler von Hirn und Leib.

Der Vagusnerv verbindet das Gehirn mit den Organen. 
aus Die Presse, Wien,  26.04.2025     Der Vagusnerv verbindet das Gehirn mit den Organen.     zu Jochen Ebmeiers Realien
 
Der Vagusnerv öffnet ein Tor zum Gehirn
Die Stimulation des Vagusnervs ist eine Therapie ohne Pille und ein Lichtblick für Menschen mit chronischen Schmerzen. Eine gezielte Personalisierung könnte die Wirkung noch steigern, sagt eine aktuelle Studie.

Der Vagusnerv ist ein langer und verästelter Teil des Nervensystems und verbindet das Gehirn über elektrische Impulse mit den Organen. Bei chronischen Krankheiten können sich die Impulse auf dem Weg zum Gehirn verlieren, sodass es die lebenswichtigen Körperfunktionen nicht mehr im Gleichgewicht halten kann. Hier setzt die elektrische Vagusnerv-Stimulation an, die körperliche und psychische Erkrankungen lindern kann. 

Das Besondere an dieser „elektrischen Pille“ ist, dass sie da hilft, wo nur noch Schmerztabletten wirken – oder nicht mehr. Anwendungsfelder sind chronische Schmerzen, Durchblutungsstörungen und Depressionen. In Deutschland sei etwa Migräne ein großes Thema und in den USA chronischer Schmerz in Zusammenhang mit Opioidabhängigkeit, erklärt Eugenijus Kaniusas vom Institut für Biomedizinische Elektronik an der TU Wien. Er begann schon vor 17 Jahren an der verblüffenden Therapiemethode zu forschen und konnte seither einen wichtigen Beitrag zur Begründung der biophysikalischen Wirkung leisten.

Hirn entscheidet, was passiert

Es gibt verschiedene Methoden der Vagusnerv-Stimulation – invasive und nicht invasive. Am Anfang standen implantierte Geräte, die jedoch u. a. den Nachteil haben, dass sie nicht nur sensorische, sondern auch motorische Nerven reizen. Der Reiz der motorischen Nerven kann zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Daher konzentriert sich die Forschung auf die Stimulation über die Haut, die es ermöglicht, exklusiv sensorische Nerven zu adressieren – vor allem am Ohr. Das sei insofern wichtig, als sensorische Nerven zum Gehirn hinführen und die therapeutische Wirkung über das Gehirn als natürliche Schaltstelle erzielt werden könne, so der Professor – und weiter: „Es wird also nicht das betreffende Organ oder die angegriffene Funktion stimuliert, wie dies bei Reizung der motorischen Nerven der Fall ist, sondern das Gehirn, das somit selbst entscheiden kann, was zu tun ist.“

Kaniusas forscht in der aurikulären Stimulation, bei der Stimulationsnadeln im Bereich der Ohrmuschel gesetzt werden – von wo ein Strang des Vagusnervs direkt ins Gehirn führt. Die Wirkung der Methode ist erwiesen, aber die Qualität der Ergebnisse nicht bei allen Patientinnen und Patienten gleich. Weshalb das Team um Kaniusas seit 2019 die Möglichkeit einer Personalisierung testete, indem die Reizintensität individuell auf den betroffenen Menschen und dessen Krankheitsverlauf abgestimmt wurde. Schon damals vermuteten sie, dass auch die physiologischen Rhythmen wie Herzschlag und Atem eine wesentliche Rolle spielen.

Im Rhythmus des Körpers

Eine Annahme, die Kaniusas 2025 in einer Studie mit dem Chirurgen József Constantin Széles (Privatklinik Wien) bestätigen konnte (Frontiers in Physiology). Gemeinsam zeigten sie erstmals, dass die Tore ins Gehirn mit jedem Herzschlag sozusagen auf- und zugehen. Erfolgt der Impuls dann, wenn die Tore offen sind, werde dieser im Gehirn wahrgenommen.

Ähnliches ist es beim Atemrhythmus, bei dem man Ein- und Ausatmung unterscheide und die Wirkung in einer Phase viel stärker ausgeprägt sei als in der anderen Phase. Mit diesem Wissen könne der Stimulus so gesetzt werden, dass er möglichst effizient vom Gehirn aufgenommen und entsprechend umgesetzt wird, so Kaniusas.

Die Wirkung des „Wundernervs“ beschreibt auch das im Jänner erschienene Buch „Die heilende Kraft des Vagus“ (Eco Wing) von Maximilian Moser (Med-Uni Graz).

 

Die Freigebigkeit Amerikas hat Europa verzwergt.

                                                 zu öffentliche Angelegenheiten

Von Woche zu Woche wird es deutlicher: Der gewaltige Schutzschirm, den Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg über Europa ausgespannt hat, war ein Danaergeschenk. Es hat die Europäer dazu verleitet, ihren Platz in der Welt aus den Augen zu verlie-ren. Da haben sie eine Menge gespart, aber nur an Geld. An Selbstständigkeit und - folglich - an Verantwortung haben sie verloren. Jetzt, wo im Weißen Haus ein über-geschnappter Privatunternehmer herrscht, ist Kassensturz. 

Die Amerikaner merken, dass sie mit ihrer Gießkanne nicht viel Dauerhaftes ge-pflanzt haben, und die Europäer, dass sie das gesparte Geld besser investiert hätten, als es unter die Wähler zu verteilen. 

Das ist ihnen allen aber nicht bei einer jährlichen Inventur aufgefallen, sondern an-lässlich einer historischen Zäsur: Die gewesene Großmacht Russland will zurück auf einen Spitzenplatz im selbem Moment, wo China nach Jahrhunderten endlich dorthin drängt, wo es in der Welt gehört. Da gerät Alles aus dem Gleichgewicht, und für Europa wirds knapp.

Um sich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit herauszurappeln, müsste es sich schon sehr zusammennehmen; wenn's nicht schon zu spät ist? 

Wenn sie's gar nicht erst versuchen, war's auf jeden Fall zu spät.

Trump hat Recht, wenn er China als seinen Hauptrivalen ansieht, aber dann braucht er Europa, wenn ihm Indien nicht über den  Kopf wachsen soll - und aus Europa muss er Russland raushalten. 

Bedenken Sie: Weltwirtschaftlich fällt Russland nicht stärker ins Gewicht als Italien; aber das gehört zu einer wirtschaftlichen und politischen Union.

 

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