Was die Kunst darstellt, ist Schein. Tut sie mehr als das, ist es zu wenig, nämlich Handwerk.
*
Ein
Steinzeitmensch schnitzt sich aus Holz einen Löffel. Der hat eine Form,
ob er darauf geachtet hat oder nicht. Geachtet hat er auf die Funktion.
Eine Form hat das Schnitzwerk ipso facto. Und die ist sein Schein: Welche immer die Funktion ist - sie erscheint; nicht als sie selber, sondern als etwas Anderes. Funktion gibt es nicht ohne Schein.
Gibt
es Schein ohne Funktion? Die ungegenständliche Malerei vor hundert
Jahren muss das angenommen haben. Und es mag ja auch sein, dass dieses
oder jenes Werk keinerlei Anderes bei sich führt; nicht Dekoration,
nicht Agitprop und nicht-mal Kitsch. Aber es erscheintin einer Welt, die bis an die Ränder angefüllt ist von Menschenwerk mit Funktion. Wo sich ein Stück bloßer Scheindazwischendrängelt, tut es das nur - oder dürfte es nur - in
polemischer Absicht: Es hat keinen Bezug vielleicht auf eine bestimmte
Funktion; aber immerhin auf die Fungibilität selbst. Mehr als eine
Anmerkung kann er nicht sein.
Das
ist auf die Dauer seinerseits zu wenig. Der fleißige Surrealismus wurde
bald öde; die ungegenständliche Kunst hat auch nicht lange bestanden,
Jackson Pollock hat sie unter die Erde gebracht. Als Dekoration kümmert
sie weiter vor sich hin.
Denn Stachel der Kunst ist: Ihr Schein ist ein Schein von wirklich Erscheinendem; nämlich das Andere seiner Funktion. Genauer gesagt: an seiner Funktion. Die bleibt Bezugspunkt der Andersheit, sie wäre ja sonst leer. 5. 2. 22
Da
hat sich Paris nicht mit Ruhm bekleckert. Die Olympiamedaillen haben
sich in kürzester Zeit als rostige Schwindelware von mangelhafter
Qualität entpuppt.
Nota. - Frage: Welche ist die unglücklichste Nation?
Antwort: Kanada. Sie hätten haben können französische Küche, britische Kultur und amerikanische Technologie. Bekommen haben sie englische Küche, amerikanische Kultur und französische Techno-logie.
Er ist ein Zocker und im Grunde wohl ein unpolitischer Mensch. Es geht ihm weniger um die USA als um ihn selbst. Denn wenn die Welt vor der Unberechen-barkeit Amerikas zittert, ist es um dessen Autorität geschehen und der Dollar bleibt nicht mehr lange Leitwährung. Russland wird das weniger nützen als China.
Hendrick de Clerck (1560-1630) with Denis van Alsloot (1570-1628),The Death of Adonis in a Wooded Landsca-pe zuGeschmackssachen
Beim hochberühmten Claude Lorrain
waren in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhun-derts die menschlichen
Figuren bereits bloße Staffage: Zugaben, um den Bildern einen honorigen
Titel geben zu können. Grad eine Generation zuvor war, wie Sie oben
sehen, die titelgebende Figurengruppe auch kompositorisch noch 'Grund'
des Bildes: Ohne die Gruppe wär es kein Bild; es würde nicht bloß rechts unten lah-men, sondern über die ganze Leinwand.
Man kann sagen: Es ist ein besseres Bild;aber Claudes Landschaften sind besser. Es ist noch ganz konventionell; z. B. die Farbperspektive: vorne braun, Mitte grün, hinten blau. 4. 6. 22
Vernunft ist nicht betulich und hausbacken, sondern ätzend scharf. 9. 2. 22
Nota.
Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden.
Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
aus süddeutsche.de, 5. 3. 2025 Neben ihm eine Grafik, die den Zuwachs der russischen
Armee zeigt.zuöffentliche Angelegenheiten
Macron bietet Schutz durch Atomschirm an
„Die
Zukunft Europas darf nicht in Washington oder Moskau entschieden
werden“, sagt der französische Präsident in einer dramatischen
TV-Ansprache. Vor Beginn des Ukraine-Gipfels versucht Emmanuel Macron,
den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán von seiner Blockadehaltung
abzubringen.
Schwarzer Anzug, schwarze Krawatte, düster der Blick. Emmanuel Macron
gab alles, um seinem Publikum den Ernst der Lage einzuhämmern. Im
Mittelpunkt seiner Rede: „die russische Bedrohung“. Wladimir Putin
überziehe nicht nur die Ukraine mit einem brutalen Angriffskrieg, nein, er habe es auf ganz Europa abgesehen. Und weil sich zugleich Donald Trump
von Europa abwende, müsse die EU lernen, sich selbst zu verteidigen.
Man stehe vor einer Herausforderung, wie sie der Kontinent seit dem
Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt habe. „Eine neue Ära ist
angebrochen“, sagte Macron.
14
Minuten lang wandte sich Macron in einer kurzfristig anberaumten
Fernsehansprache an diesem Mittwochabend an das französische Volk, und
mehr noch: Am Abend vor dem Ukraine- Sondergipfel der Europäischen Union
zum Krieg in der Ukraine wandte er sich an alle Europäerinnen und
Europäer, die Angst vor einem Krieg haben, weil Donald Trump gemeinsame
Sache mit Wladimir Putin zu machen scheint. Neben Macron war nicht nur
die Trikolore aufgespannt, sondern auch das Sternenbanner der EU. Seine
Botschaft: „Die Zukunft Europas darf nicht in Washington oder Moskau
entschieden werden.“ ...
Voller Genugtuung stellte Emmanuel Macron fest, dass Europa nun endlich
auf ein Ziel zusteuert, das er seit seinem Amtsantritt im Jahr 2017
proklamiert: die „strategische Autonomie“. Und Macron will nicht
lockerlassen. Nächste Woche, so kündigte er an, sollen sich in Paris die
Stabschefs der europäischen Länder treffen, die bereit sind, einen
Friedensvertrag für die Ukraine mit eigenen Soldaten abzusichern.
Und noch einen historischen Schritt stellt er in Aussicht: Frankreichs
Atomwaffen, Nationalstolz seit 1964, könnten auch die europäischen
Nachbarn schützen. Als Antwort auf den „historischen Appell“ des
zukünftigen deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz, sagte Macron,
eröffne er hiermit die strategische Debatte über eine Ausdehnung des
atomaren Schutzschilds auf die Verbündeten. Um die Landsleute zu
beruhigen, fügte er hinzu: Die Entscheidung über den Einsatz der
Atomwaffen müsse immer in der Hand des französischen Präsidenten liegen.
Ein Sprachsystem, das durch und durch von analogerBildlichkeit durchdrungen ist, wird sich nichtleichtindigitaleBegriffe fügen. MitandernWorten: DiskursivesDen-ken, das den Westen
beherrscht, wird es mit China immer schwer haben. Durchaus nicht in
positiver Hinsicht, beim Darstellen dessen, was als wahr und richrtig
gelten soll: Zum Konstruieren sind die Begriffe gar nicht geeignet.
Da mag die Vieldeu-tigkeit und die Versuchung zur 'uneigentlichen' Rede
das chinesische Denken dem westlichen gar überlegen machen.
Unabdingbar ist die Schärfe des Begriffs dagegen für Analyse und Kritik des Aus-gesagten nicht minder als die Unerbittlickeit der Logik. Die sind der Vernunft we-sentlicher
als das Konstruieren; das können andre besser, und die sind letzten
En-des auch gemütlicher. Kritik aber ist schneidend, denn sie kommt am
Ende zu einem Urteil.
Das Keynes-Modell sei gescheitert, hört man allenthalben. Es ist aber nirgends aus-geführt worden. Vorgesehen war Schulden machen und Investitionen wagen in schlechten Zeiten - und in besseren Zeiten die Schulden wieder abtragen. Das ist gesunder Hausfrauenverstand. Nach über einem Dreivierteljahrhundert zeigt sich unterm Strich: Schulden wurden überall akkumuliert, sodass die Zinsen inzwischen die Mittel auffressen, die für den Schuldendienst nötig wären - und Investitionen auch in guten Zeiten überhaupt nur durch weitere Schulden möglich bleiben.
Das Keynes'sche Programm wurde erdacht, als in aller Welt die Angst vor der In-flation in den Knochen steckte. Bloß keine Schulden machen war Dogma, aber der Liberalismus war nicht geeignet, die Wetwirtschaftskrise - vom Schwarzen Freitag 1929 bis in den Weltkriegsboom hinein - auch nur ein wenig abzumildern. Der Mar-shall-Plan war die globale Wende: Wenns irgendwo mit der Wirtschaft hakt, muss der Staat ran. Das Wettrüsten während des Kalten Kriegs war ein Marshallplan in Permanenz: ein kaum verhohlenes neues Dogma.
So kann's nicht ewig weitergehen, wohl wahr. Und jetzt kommen sie her und su-chen Heil in der... Rückkehr zum alten Dogma. Das ist Irrsinn. Wirschaftspolitik als Hin und Her von einem Dogma zu dem andern?
*
Politik ist eine praktische Disziplin. Zur Erinnerung: Praktisch ist nach Kant das, "was durch Freiheit möglich ist". Und Freiheit heißt Wählen der gewollten Zwecke. Nichts ist 'praktischer' als das Politische.
Politisch ist Ökonomik als Wahl von Zwecken und nicht als Wahl von Methoden und Verfahrensweisen - die wäre bloß technisch.
Ein anderes Eingreifen des Staates ins Wirtschaftsgeschehen als das Erheben von Stuern konnte sich der Freihandelsapostel Ricardo gar nicht vorstellen, sonst hätte er das ebenfalls aus seinen theoretischen Grundsätzen ableiten müssen.
*
Politische Ökonomie ist seit ihren Begründern Dr. Quesnay und Adam Smith die theoretische Darstellung des Systems der bürgerlichen Marktwirtschaft. Wäre sie wirklich ein System, in dem alle seine Konstituenten einander begründen, so wäre sie mindesten logisch unanfechtbar, und man könnte aus ihrer historischen Gege-benheit gültige Schlüsse ziehen - nicht nur für die Besteuerung, sondern für alles, was sonst noch 'durch Freiheit möglich' wäre.
Gerade auf diese theoretisch-praktische Konsequenz bezog sich die Kritik der Poli-tischen Ökonomie von Karl Marx. Sie entlarvte das theoretische System als eine interessierte Täuschung.
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Seither ist Volkswirtschaftslehre nichts anderes mehr als Wirtschaftspolitilogie. Sie kann beschreiben, was heute galt, aber vielleicht gestern noch nicht und morgen nicht mehr. Wird sie von historisch gebildeten oder womöglich von sachlich inter-essierten Autoren betrieben, fragt sie nach den je gegebenen Umständen. Wäre sie politisch-ökonomisch interessiert, fragt sie nach den zu wählenden Zwecken.
*
Die heute zu wählenden Zwecke kommen in den mathematischen Modellen von gestern naturgemäß nicht vor.
Der erste - natürlich unausgesprochene - Satz der Kritik der Politischen Ökonomie lautet: Wirtschaft ist ein reales Geschehen, da kommt es auf Glaubenssätze nicht an. Da sind auf der eine Seite die je - heute und nicht gestern und vielleicht auch nicht morgen - gegebenen Fakten, und die heute und nicht gestern, und morgen schon ganz anders gestellten Aufgaben.
Die uns heute gegebenen Fakten sind in der Tat Sache von Ökonomen, ein solcher bin ich nicht, in Details darf ich mich gar nicht einlassen. Aber die aufgegebenen Zwecke sind Sache unsererWahl, und dazu bin ich aufgerufen wie jeder andere:
Noch nie seit 1948, dem Beginn des Kalten Kriegs, stand so viel auf dem Spiel wie heute. Es geht um die Weltordnung, die wir wollen, und die nur möglich wird, wenn wir sie wollen, und das ist keine Angelegenheit von Wirtschaftspolitologen und Kame-ralisten, sondern Sache der res publica.
„Die Alternative heißt Unterwerfung“, warnt Joschka Fischer
Grünen-Politiker
Joschka Fischer bezeichnet den Eklat im Weißen Haus als „unfass-baren
Vorgang“. Jedes Vertrauen in US-Präsident Donald Trump sei zerstört,
Deutsch-land müsse jetzt eine Militärmacht werden. „Die Messlatte für
Merz ist Adenauer“, erklärt der frühere Außenminister.
Der
frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer sieht Deutschland und
Europa durch das Agieren von US-Präsident Donald Trump massiv gefährdet.
Er fordert in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“
die Wiedereinführung der Wehrpflicht sowie Gespräche über eine
Ausweitung des französischen und britischen Atomschirms auf ganz Europa.
„Nun
ist eingetreten, was ich lange befürchtet hatte: Der Westen ist
beendet, und zwar von innen heraus, nicht durch eine auswärtige Macht.
Das ist ein unfassbarer Vorgang“, sagte Fischer über den Eklat im Weißen
Haus beim Treffen von Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr
Selenskyj. „Die schlimmste Folge dieses Eklats ist der völlige
Zusammenbruch jedes Vertrauens in diesen Präsidenten.“
Ab
jetzt müssten die Regierungen Europas immer zwei Optionen bedenken:
„Eine mit den USA in der Nato, als Bündnispartner, aber in einer zweiten
Option, als Rückversicherung, immer auch ohne Rückbindung an die USA.“
Fischer
fordert eine massive Aufrüstung in Deutschland und Europa. „Was ist die
Alternative? Die Alternative heißt Unterwerfung“, warnte er,
„Unterwerfung unter die Vorherrschaft der Großmächte und ihrem Diktat“.
Sollten die USA die Unterstützung der Ukraine einstellen, müsste Europa
das ausgleichen.
Joschka Fischer: Deutschland müsse zu einer Militärmacht werden
Um
die historischen Ausmaße der außenpolitischen Krise zu verdeutlichen,
sagte Fischer: „An den nächsten Bundeskanzler, also mit hoher
Wahrscheinlichkeit Friedrich Merz, wird ein Maßstab angelegt werden wie
an den ersten Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer. Das ist die
Messlatte.“ Deutschland müsse zu einer Militärmacht werden.
Der
Grünen-Politiker fordert im Interview schnelle Verhandlungen über eine
Ausweitung des französischen und britischen Atomschirms auf ganz Europa:
„Die beiden Nuklearmächte Frankreich und Großbritannien sollten sich
möglichst schnell in Verhandlungen mit der EU darüber begeben. Nicht als
Alternative zur amerikanischen Sicherheitsgarantie, sondern als Option
Nummer zwei. Der einfachste Weg wäre, wenn die nationalen
Sicherheitsschirme in Frankreich und Großbritannien ausgedehnt würden.
Man müsste sich über die Finanzierung einigen. Über die Verfahren. Ich
halte das für unverzichtbar“, erläuterte Fischer. „Dass ich mal
öffentlich für diese Dinge eintrete, hätte ich in meinen schlimmsten
Albträumen nicht gedacht. Aber das ist die Realität.“
Die Aussetzung der Wehrpflicht
bezeichnete Fischer als „großen Fehler“, der schnell korrigiert werden
müsse. Man kann mit angezogener Handbremse, gerade auch finanziell,
nicht gegen globale Großmächte bestehen.
Das ist wahr, ein geschmeidiger Diplomat ist Selenski nicht, aber wahr bleibt auch, dass Krieg nur Politik mit andern Mitteln ist. Man merkts ihm an, wenn er über seinen Schatten springen soll, und einen Auftritt für die Heimatfront brauchte er wohl auch. Aber das Gesicht wahren ist einem Staats-mann keinen Weltrieg wert. Trump dagegen ist ein selbstverliebter Kerl und wollte vielleicht bloß eine Show, um seinen rechten Rand bei der Stange zu halten.
Bei Putin ist mehr Größenwahn als Narzissmus, und einen rechten Rand hat er auch, aber er braucht auf niemand Rücksicht zu nehmen. Das Ding mit derWagner-Truppe hat er weggesteckt als wärs nix, um die Berichterstattung muss er sich keine Sorgen machen, und er unterschreibt heute, woran er sich morgen nicht mehr erinnert. Den kann man nicht abspeisen, er kriegt ja doch nie genug.
Will sagen, was immer wir in den nächsten Tagen an Theater zu sehen und hören bekommen, ändert nichts am Ernst der Lage. Putin muss zurückgeschlagen werden, sonst waren alle Opfer umsonst und es werden noch viel mehr.
...bringt der Mittelweg den Tod. Friedrich Frh. von Logau
'Ja glaubt er denn im Ernst, die kleine Ukraine könne - und sei's mit amerikanischer Hilfe - die große Sowjetunion besiegen?'
Da
sei ein Schreibfehler drin, sagen Sie? Um die Sowjetunion ginge ja
nicht, die gäbe es nicht mehr; sondern lediglich um Russland' - ?
Herr, da ist ein Denkfehler drin: Genau darum geht es Putin - um die Wiederherstellung des Sowjet-union, und wenn möglich in erweiterten Grenzen!
Das
hatte schon Biden nicht verstehen wollen. Die ganze Welt hat erkannt:
Die Amerikaner und ihr europäischer Nachtrab wollten keine Niederlage
der Ukraine, wohl wahr; aber eine Niederlage Putins schon gar nicht! Die
würde das prekäre postsowjetische Kräfteverhältnis in der Welt
zuschanden machen, mit unabseh-baren Folgen für Alle: Russland müsse man
"einbinden".
Aber
in Putin haben sie einen, der sich zuhaus nur hält, weil er sich
entschlossen hat, Weltgeschichte zu machen. Er muss das russische
Großreich wiederherstellen, anders kann er seine bonapartistische Alleinherrschaft nicht halten.
Jetzt haben sie in Amerika einen an der Spitze, der will auch Weltgeschichte schrei-ben: America first! Das gab es nie, Amerika spielte die erste Geige nur als Füh-rungsmacht der Freien Welt, damit hat Trump Schluss gemacht: Wir nehmen alles, was wir kriegen können.
Das ist die Lage.
Wenn
Putin in der Ukraine nicht zurückgeschlagen wird - das wissen Alle -,
dann wird er weitermachen. Auf einen "Waffenstillstand", bei dem er
behält, was er ge-stohlen hat, kann er sich einlassen. Er verschafft ihm
doch ein Atempause, die er dringend braucht. Wann er wieder loslegt,
steht ganz in seinem Ermessen - wenn es nach Trump geht, denn der ist
auch nicht besser. Nicht nur die Ukraine, sondern auch Europa käme unter
die Räder, und mit ihm alle, die sich der neuen imperiali-stischen Ordnung
nicht fügen wollen.
Wir müssen darauf bestehen, dass Selenski sich auf keinen Mittelweg begibt, und wir müssen es uns so viel kosten lassen, wie es kostet.
aus derStandard.at, 3. 3. 2025 Nicht nur die Gestik, auch Betonung, Satzmelodie und Rhythmus sagen oft viel mehr aus als die Inhalte selbst. zuJochen Ebmeiers Realien
Warum Nuancen im Tonfall bestimmen, wie wir Gesagtes interpretieren
Es geht tatsächlich
nicht nur darum, was wir sagen, sondern auch darum, wie wir es sagen:
Das Gehirn verarbeitet Informationen über Tonhöhe und Sprachmelodie
separat von den Lauten
von Karin Krichmayr
Sprache umfasst nicht nur Laute oder Phoneme. Zu einer Lauteinheit
gehören immer auch verschiedenste Eigenschaften der Sprache und des
Sprechens, genannt Prosodie. Dazu zählen Akzent, Betonung, Intonation,
Satzmelodie, Tempo, Rhythmus und Sprechpausen. Und eine alte Weisheit
besagt: Der Ton macht die Musik.
Anders gesagt: Ein freundlicher Umgangston hilft mitunter, Inhalte
weit besser zu transportieren – ganz unabhängig von dem Gesagten.
Umgekehrt lässt schon die Intonation und Stimmhöhe deutlich erkennen,
worum es wirklich geht, siehe den jüngsten beispiellosen Eklat im Weißen
Haus zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj.
Subtile Stimmveränderungen
Dass es wirklich nicht nur darauf ankommt, was man sagt, sondern auch darauf, wie man es sagt, konnte eine im Fachblatt Nature Communications erschienene Studie nun wissenschaftlich untermauern. Ein interdisziplinäres Team rund um Bharath Chandrasekaran von der Northwestern University in Illinois hat gezeigt, dass eine Gehirnregion namens Gyri temporales transversi
(auch bekannt als Heschl'sche Querwindungen) eine weitaus größere Rolle
bei der Interpretation von Sprache spielt als bisher angenommen.
Die Heschl'schen Querwindungen sind seit langem als primäres
Hörzentrum bekannt: Dort werden Geräusche noch nicht interpretiert,
sondern erst einmal bewusst wahrgenommen. Jahrelang glaubte die
Fachwelt, dass alle Aspekte von Prosodie hauptsächlich im Gyrus
temporalis superior verarbeitet werden, einer Hirnregion, die für die
Sprachwahrnehmung zuständig ist.
Nun hat sich herausgestellt, dass subtile Veränderungen der Stimmlage
bereits in Gyri temporales transversi verarbeitet werden – und zwar
nicht nur als Geräusch, sondern als sinnvolle sprachliche Einheiten. Es
zeigte sich, dass das Gehirn die jeweilige Tonhöhe getrennt von jenen
Lauten verarbeitet, aus denen die Wörter bestehen.
Architektur der Sprachwahrnehmung
"Die Ergebnisse definieren
unser Verständnis der Architektur der Sprachwahrnehmung neu", sagt
Chandrasekaran. "Wir haben einige Jahrzehnte damit verbracht, die
Nuancen zu erforschen, wie Sprache im Gehirn abstrahiert wird, aber dies
ist die erste Studie, die untersucht, wie subtile Variationen in der
Tonhöhe, die auch Bedeutung vermitteln, im Gehirn verarbeitet werden."
Für die Durchführung der Studie wurde eine besondere Gruppe von
Testpersonen herangezogen. Es handelte sich um elf jugendliche
Patienten, die wegen schwerer Epilepsie neurochirurgisch behandelt
wurden. Ihnen allen wurden Elektroden tief in jenen Bereich des Gehirns
implantiert, der für wichtige Sprachfunktionen entscheidend ist.
Normalerweise stütze sich die Sprachforschung auf nicht-invasive
Aufzeichnungen von der Hautoberfläche aus, was nicht sehr präzise sei,
heißt es vonseiten der Forschenden. Die Zusammenarbeit von Hirnforschern
und Neurochirurgen habe nun ermöglicht, die Mechanismen der
Hirnverarbeitung auf eine neue Art und Weise zu erforschen.
Verborgene Bedeutungsebene
Dazu lauschten die Testpersonen aktiv einer Hörbuchaufnahme von Alice im Wunderland,
während die Forschenden die Aktivität in mehreren Gehirnregionen in
Echtzeit verfolgen konnten. Dabei wurde entdeckt, welche Rolle die
Heschl'schen Querwindungen bei der Verarbeitung von Unterschieden in der
Stimmlage spielten. Damit würden langjährige Annahmen infrage gestellt,
wie und wo das Gehirn die natürliche Sprachmelodie aufnimmt – jene
subtilen Tonhöhenänderungen, die dazu beitragen, Bedeutung und Absicht
zu vermitteln.
"Auch wenn diese Tonhöhenmuster bei jedem Sprechen variieren, schafft
unser Gehirn stabile Repräsentationen, um sie zu verstehen", sagt G.
Nike Gnanataja, Kommunikationswissenschafterin an der University of
Wisconsin-Madison und Mitautorin der Studie. Die Forschung habe auch
gezeigt, dass die verborgene Bedeutungsebene, die von prosodischen
Konturen getragen wird – das Ansteigen und Abfallen der Sprachmelodie –,
viel früher in der auditorischen Verarbeitung kodiert wird als bisher
angenommen.
Die Erkenntnisse könnten die Sprachrehabilitation, KI-gestützte
Sprachassistenten und unser Verständnis dessen, was die menschliche
Kommunikation einzigartig macht, verändern, betonen die Forschenden. Wie
ähnliche Studien gezeigt haben, fehlt nicht-menschlichen Primaten die
Fähigkeit, Unterschiede in der Tonhöhe als eigene Kategorie zu
verarbeiten. Außerdem könnten die Einblicke in die Sprach-verarbeitung
bei der Therapie von Sprachstörungen infolge von Autismus oder einem
Schlaganfall helfen.
Extended mind? Es ist ein entscheidender Schritt, dass unser Gehirn nicht mehr isoliert betrachtet werden soll, sondern als Element eines Ganzen.
Dieses Ganze - der Organismus oder der Leib - ist allerdings kein
Werkzeug, ist kein Organ des Gehirns, sondern das Gehirn ist Teil von
ihm. 'Extended mind' ist daher irrefüh-rend; besser sollte man das Gehirn
crystallized body nennen oder so ähnlich; wobei nicht zu vergessen wäre, dass der Leib seinerseits als Schnittstelle zwischen Ich und Welt aufzufassen ist - Interpret der Welt beim Ich ebenso wie Instrument des Ich in der Welt.
Das lässt sich psychologisch oder philosophisch - "tranzendental"
- verstehen. Sind das sachliche Voraussetzungen der Hirnphysiologie
oder nur deren Grenzlinien? Diese bereitet das Material auf, das jene
bedenkt. Umkehren lässt sich der Satz nicht. Die Psychologie sammelt ihre eignen Fakten, in der Philosophie kommt Em-pirisches nicht vor.
...seit einem Jahrhundert nicht so recht zusammenkommt? Weil die Vereinigten Staaten wie ein Bleideckel darauf lasten und alles unter sich auseinanderdrücken; und Russland trägt seins bei.
Was er nicht ausspricht, aber durchklingen lässt: Wenn in den
Ingenieursdisziplinen zu-sehends an die Stelle des diskursiven,
definierte Begriffe durch geprüfte Metho-den regelgerecht verknüpfende
Denken die Intuition tritt, gerät die Vernünftigkeit unserer
Weltauffassung selbst in Gefahr. Der franzsösische ingénieur stammt vom lateinischen ingenium
ab, der eingeborenen Inspiration. Wir würden auf ein neues
Geniezeitalter zusteuern, wo begeisterte Führerpersönlichkeiten eine
unkontrol-lierte Macht ausüben, die der gesunde Menschenverstand der
breiten Massen nur mit offenem Maul anstaunen kann.
Gumbrecht
zählt sich sicher selber zu den Inspirierten, da macht ihn die
Vorstel-lung eines Großen Comeback der Geisteswissenschaften nicht bange.
Aber dass die Intuitionen auch durch eine wetteifernde scientic community
schwerer zu kontrol-lieren sind als die rationellen Diskurse, wird er
nicht bestreiten. Da kommt mehr Farbe, aber auch mehr Unberechenbarkeit
in die Bude: Riskant, wie er richtig sagt.
Es
war aber ein Irrtum, die Herrschaft der Vernunft mit Berechenbarkeit
gleichzu-setzen. Er hat ein Vierteljahrtausend geherrscht, doch wäre es
Zeit, ihn zu korrigie-ren. Die technische Anwendbarkeit ihrer Produkte
ist nur die eine Dimension der Vernunft. Sie hat die westlichen
Gesellschaften lange genug beherrscht. Sie ist das, was während der
langen Geschichte
der Arbeitsgesellschaft im allgemeinen und derkapitalistischenProduktionsweiseimbesondren von der Vernunft im Vordergrund stand;
und das vorherrschende Motiv des Denkens war - der
Naturwissenschaften wie der Philosophie.
Das
konnte kaum anders sein, solange die überwältigende Mehrheit der in der
Welt Tätigen mit technischen Anwendungen beschäftigt war, mit der
Ausführung vorge-gebener Projekte. Lat. proiectum bedeutet lexikalisch fast dasselbe wie gr. proble-ma, und wenn beide Begriffe sich durchverschiedene Anwendungauseinanderent-wickelt haben, darf das im Rückblick nicht
darüber täuschen, dass das Bild, das ur-sprünglich hinter beiden stand, das ist, was das deutsche WortVorstellung bezeich-net. Die Vorstellung ist das Gemeinte, das, worauf abgesehen wird, das, was dem Tätigen seinen Zweck vorgibt.
Der
Begriff ist nur dessen marktgängige Verpackung, in der es
weitergereicht und vorge-schrieben werden kann - dem, der es ausführen
soll. Die Begriffe lassen sich zweckmäßig verknüpfen, sie lassen sich in
Formeln tun und gegeneinader verrech-nen. Die Begriffe beherrschen die technische Zivilisation.
Müssen sie nicht die Hypertechnik der digitalen Welt erst recht beherrschen?
Nein, eben nicht. Je mehr die ausführenden Tätigkeiten von den Maschinen übernommen werden, umso weniger Verpackung wird nötig. Der Algorithmus, dumm und dürftig, tritt an ihre Stelle. Das Vorstellen selbst, das bildhafte Ent-werfen von Absichten, das Einbilden tritt in seine Erstgeburtsrechte zurück.
Die Vernunft ist ursprünglich intuitiv, wörtlich:
anschaulich, nämlich solange sie noch probiert. Der Begriff tritt nun
in sein Zweitgeburtsrecht zurück: als Prüf-stein. Das Erfinden ist eins,
aber ohne Prüfung ist es nicht einmal die Hälfte. Je freier das
bildhafte Vorstellen wird, umso nötiger wird die Kritik durch die
Begriffe. Je einfallsreicher die ingeniösen Ingenieure werden, umso
wichtiger wird die Kritische Philosophie. Sie trennt das Korn von der Spreu.