Sonntag, 10. November 2024

Leviathan stirbt an Herzverfettung.


aus welt.de, 2. 11. 2024                                                                               zu öffentliche Angelegenheiten 

Öffentlicher Dienst
Hälfte der Deutschen beklagt Niedergang der Verwaltungen
In den Augen vieler Deutscher funktioniert die öffentliche Verwaltung immer schlechter. Das zeigt eine Umfrage. Ein Professor für Verwaltungsmanagement liefert Erklärungen. Wie überlastet die Ämter sind, zeigt sich besonders bei Einbürgerungen. Der Beamtenbund hält 570.000 Stellen mehr für nötig.
 
Von Ricarda Breyton, Jan Klauth, Philipp Woldin

Die öffentlichen Verwaltungen arbeiten aus Sicht vieler Deutscher zunehmend schlechter. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von YouGov im Auftrag von WELT AM SONNTAG. 47 Prozent der Befragten gaben an, dass sich die Qualität der Arbeit von Behörden und Verwaltungen in den vergangenen fünf Jahren „erheblich“ oder „etwas“ verschlechtert habe. 31 Prozent stellten keine Veränderung fest. Nur 16 Prozent fanden, dass sich die Qualität verbessert habe. Befragt wurden 2077 Personen im Oktober. Sechs Prozent machten keine Angaben.

Vor allem Frauen sind unzufrieden: Unter ihnen sagten 50 Prozent, dass sich die Qualität verschlechtert habe. Bei den Männern waren es nur 43 Prozent. Deutliche Unterschiede gibt es auch zwischen den einzelnen Altersgruppen. Unter den unter 30-Jährigen stellten nur 32 Prozent eine Verschlechterung fest, bei den über 60-Jährigen waren es 53 Prozent. Kaum Differenzen gibt es hingegen zwischen den Befragten aus Ost- und Westdeutschland.

Allerdings spielen Partei-Affinitäten offenbar eine Rolle. Wähler, die eher konservativen oder rechten Parteien zuneigen, sind unzufriedener als jene, die eher linken Parteien nahestehen. So sagten nur 33 Prozent der Befragten, die 2021 die Grünen gewählt hatten, dass sich die Qualität der Verwaltungen verschlechtert habe. Unter den SPD-Wählern waren es 35 Prozent, unter den Unions-Wählern 44 Prozent und unter den FDP-Wählern 51 Prozent. Unter den AfD-Wählern sahen 70 Prozent eine Verschlechterung.

„Viele Bürger nehmen die öffentliche Verwaltung seit Längerem als krisenhaft wahr“, konstatiert Jörg Röber, Professor für Verwaltungsmanagement an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl. Ursachen dafür gebe es viele.

 
Zum einen müssten die Behörden immer mehr Aufgaben erfüllen. Die Zahl sei „kontinuierlich angewachsen, etwa durch die große Migrationsbewegung, eine wachsende Zahl an einklagbaren Ansprüchen im Sozialbereich oder zuletzt durch das Management der Pandemie“, sagt Röber. Bund und Länder hätten es aber versäumt, die Kommunen „auskömmlich zu finanzieren“. Zum anderen seien aber auch die Ansprüche der Bürger an die Verwaltung gestiegen. „Man erwartet eine Dienstleistung in bester Qualität, ähnlich wie beim Abschluss eines Handyvertrages oder bei der Buchung einer Ferienreise.“

Öffentliche Verwaltung in einer „Sandwich-Position“

Wie überlastet die Ämter sind, zeigt sich zurzeit besonders eindrücklich beim Thema Einbürgerungen. Hier nahm die Zahl der Anträge zuletzt deutlich zu, wie eine Umfrage von WELT AM SONNTAG unter den 25 einwohnerstärksten Städten des Landes ergab. 20 Städte nannten konkrete Zahlen. Im Jahr 2022 stellten demnach 81.007 Personen einen Einbürgerungsantrag. Im aktuellen Jahr waren es bereits 122.882 Fälle. Bearbeitungszeiten von mehreren Monaten bis Jahren sind die Folge.

„Die öffentliche Verwaltung in den Kommunen steckt in einer Sandwich-Position. Die Bürger machen Druck und erwarten eine hohe Qualität, und Bund und Länder erlassen immer neue Gesetze und Regeln, die auf kommunaler Ebene umzusetzen sind“, sagt Röber. Die Folge seien „wachsende Haushaltsdefizite und hohe Bürokratielasten bei den Kommunen und Landkreisen“.

Aktuell arbeiten rund 5,3 Millionen Menschen im öffentlichen Dienst, dazu zählen auch Polizisten, Soldaten und Lehrer. Der Deutsche Beamtenbund geht davon aus, dass 570.000 Arbeitskräfte zusätzlich benötigt würden, um alle Aufgaben zu erfüllen – eine gigantische Zahl. Dazu kommt: In den nächsten zehn Jahren scheidet ein Drittel der Beschäftigten altersbedingt aus.

Abhilfe schaffen könnte Künstliche Intelligenz (KI), die zum Beispiel für Routineaufgaben eingesetzt werden könnte. Allerdings ist KI nutzlos, wenn die Behörden noch mit Papier arbeiten, was offenbar vielfach noch der Fall ist. „Es ist toll, über KI-gestützte Lösungen in der Verwaltung zu diskutieren“, sagt beispielsweise Mark Borgmann vom Software-Unternehmen UiPath. „Aber die Grundlagen dafür fehlen einfach.“

Borgmann wurde von der Sozialbehörde in Nürnberg beauftragt, die Bearbeitung von Wohngeldanträgen zu automatisieren. Seit einigen Monaten übernimmt nun eine KI die repetitiven Arbeitsschritte.

Ein Musterbeispiel – nur eines von sehr wenigen. Es müssten alle Prozesse digitalisiert werden, sagt der Experte. „Mit Leitz-Ordnern und Faxkopien kann die KI nichts anfangen. Gerade die öffentliche Verwaltung hängt da hinterher.“ Schnelle und flächendeckende Lösungen seien daher kaum zu erwarten.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. 

 

Nota. - Stirbt er? Wann??
Nicht so ungeduldig. Jeder Vorgang braucht ordnungsgemäß seine Zeit.
JE

 

 

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