Samstag, 30. November 2024

Sinn und Sinne.

Rosel Eckstein / pixelio.de                                           aus  Philosophierungen

Die Welt ist nicht alles, "was der Fall ist". Unmittelbar begegnet sie uns als ungestal-ter, unendlicher Strom des Erlebens. "Reizverarbeitung", sagt der Neurowissen-schaftler. Das Erleben ist nicht an sich zusammengesetzt aus einer Reihe von Erleb-nissen. Ein Erlebnis zeigt sich erst, wenn die Reflexion willkürlich einen 'Punkt' aus dem Strom herausgreift und ihn künstlich gegen die andern abgrenzt. Doch nicht erst die Punkte – der Strom selbst wird im Verlauf der Verarbeitung nicht nur 'ge-merkt', sondern als dieses Erleben bewertet. 
 
Das weiß auch der Neurowissenschaftler und kratzt sich am Kopf: weil er nicht weiß, wie das geschieht, und das heißt für ihn: wo das geschieht. Anzunehmen ist, dass auch dies nicht in einem Zentrum im Gehirn passiert, sondern, wie alle Reiz-verarbeitung, systemisch erfolgt innerhalb einer beständig wechselnden Konstella-tion zahlreicher Zentren. Die 'Inselrinde' im praefrontalen Cortex (das Geschmacks-zentrum) wird irgendwie beteiligt sein, auch das limbische System und der 'Mandel-kern' (Amygdala) spielen mit. Und welche Rolle spielt das "Bauchhirn" (Sonnenge-flecht, Plexus solaris) um das Zwerchfell herum? Und: spielt es sie autonom oder seinerseits 'gesteuert' von den neueren, 'höheren' Gehirnpartien? Spielt es in einem systemischen Vorgang überhaupt eine Rolle, welche Partie älter und niederer, und welche neuer und höher ist? Der Vorgang als Ganzer ist ein 'moderner' und könnte ohne Mitwirkung rezenter Partien gar nicht stattfinden.

Und sobald das Erleben in der Reflexion bewusst gemacht und in isolierbare Erleb-nisse seziert wurde, tritt es ein in das Netz der Symbole, die ihrerseits wertend wir-ken und das Erleben "einfärben".

Auch hier sagt der Neurowissenschaftler "Reizverarbeitung" – weil er sich qua Fach auf diese Betrachtungsweise einmal festgelegt hat.
aus e. Notizbuch, um 2002? 

Nota I. - Mit der Formel, die Welt sei 'alles, was der Fall ist', hatte Wittgenstein na-türlich nichts empirisch Wahrnehmbares gemeint, sondern das, was logisch 'der Fall ist'.
1. 12. 13 

Nota II. - Verstehen, wie aus physiologischen Reizen (Gefühl) den Menschen Be-deutungen entstehen, ist die Aufgabe, die sich die Wissenschaftslehre gestellt hat. Damit hat obiger Eintrag wohlbemerkt noch nichts zu tun. Hier geht es erst um die durch Beobachten zu eruierende Frage, was sich wo abspielt im Gehirn; wobei als das Was erst noch die auf analoge Weise darstellbaren elektrochemischen Prozesse in den neuronalen Netzen zu verstehen ist. Aber noch lange nicht das Was einer praktischen ('durch Freiheit möglichen') Bedeutung, die ich erst verstehen müsste, um durch mein Handeln in der Welt Realität zu schaffen. 



Da haben wir auf der unteren Seite einen reellen Stoffwechsel-Prozess und auf der oberen Seite eine Folge realer Handlungen, die sich ebenfalls als Austausch von Energien und Materien darstellen lässt. Dazwischen liegt die Bedeutung "als sol-che"; in einem Schwebezustand, nicht mehr und noch nicht wieder ganz wirklich, sondern 'erst noch möglich', aber vor allem: nicht nichts!

Umgangssprachlich sagen wir: erst noch als Begriff (mit dem letzten Endes eine Handlungsanweisung gemeint ist). Der lässt sich nun nicht mehr im analogen Mo-dus darstellen und anschauen. Er lässt sich lediglich denken. Dargestellt (und mit-geteilt) wird das Denken im digitalen Modus, indem den gedachten Bedeutungen ein willkürlich wählbares Zeichen angeheftet wird; in der Erwartung, dass der, der das Zeichen entziffert, wohl schon dasselbe herauslesen wird, was der Bezeichner hineingedacht hat. Dass es so ist, gewinnt überhaupt erst durch regelmäßigen und allgemeinen Austausch eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Sicherstellen kann man es nie. Denn die Übersetzung von Etwas aus dem analogen in den digitalen Modus und zurück ist schlechterdings ein Kunst-Stück - und als solches ein Rätsel. Es ist der Akt des Bestimmens, und als solcher eine Leistung der Einbildungskraft
.
5. 7. 18
 
 
 
 

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