Mittwoch, 27. November 2024

Der Feminismus ist am...


aus welt.de, 27. 11. 2024                       außer Spesen nix gewesen                   zMännlichzu öffentliche Angelegenheiten

Von Franziska Zimmerer

... Es soll hier nicht um eine Aufarbeitung der US-Wahl gehen. Sie ist eher ein Symp-tom. Die Wahl hat gezeigt, dass die Identitätspolitik den Feminismus zerstört hat. Die identitätspolitische Kalkulation „Frauen wählen Frauen“ und „Minderheiten wählen Minderheiten“ ist nicht aufgegangen.

Und das, obwohl in den letzten zehn Jahren Unternehmen, NGOs, Parteien, Uni-versitäten, die Kultur, die Medien genau das vorrechneten. Wenn wir die Gesell-schaft nur in viele kleine Gruppen teilen und jede Gruppe eine maßgeschneiderte Behandlung erfährt, dann wird die Welt zu einem besseren Ort. Das haben die Wähler – und Wählerinnen – in den USA wohl anders gesehen.

Harris‘ großes Wahlkampfthema – von Frau zu Frau – war das Recht auf Abtrei-bung, das Recht am eigenen Körper. Ein Thema, das in der Theorie jede Frau be-treffen kann. Aber eben nicht muss. Trotzdem war Harris damit zunächst erfolg-reich. Sie bekam zu Beginn ihrer Kampagne so viel Zustimmung, dass Trump sich gezwungen sah, mehrfach zu betonen, dass er kein nationales Abtreibungsverbot anstrebe. Damit nahm er Harris die Angstkulisse. Sie führte dann einen abstrakten, akademischen Feminismus-Wahlkampf.

Der ausbleibende Erfolg ist keine Überraschung. Allein der Begriff „Feminismus“ klingt unattraktiv – für die einen nach Achselhaaren, für die anderen nach Gender-sternen. Wobei Feminismus eigentlich etwas Schönes ist: Es geht um Freiheit, Menschenwürde, Selbstbestimmung, Gleichberechtigung.

Zur Wahrheit gehört aber, dass die Regierung Biden-Harris unter dem Deckmantel des intersektionalen Feminismus mitunter trans-freundliche Politik gemacht hat. Das mag in deutschen Medien untergegangen sein: In den vergangenen vier Jahren wurden in den USA Geschlechtsumwandlungen für Minderjährige gefördert, obwohl diese Eingriffe medizinisch umstritten sind. Zudem kippte die Regierung den Erlass aus der Trump-Ära, der festgeschrieben hatte, dass nur biologische Frauen an Frauensportarten teilnehmen können.

Umfragen zeigen, dass nur 26 Prozent der Amerikaner den Zugang für Trans-Athletinnen im Frauensport unterstützen. Knapp 70 Prozent sind dagegen. Etwa genauso viele lehnen Pubertätsblocker für Minderjährige ab. Egal, wie man zu diesen Themen steht: Sie haben mit Schutz und Gleichberechtigung der Frau wenig zu tun.

Nach der Wahl fasste es Madeleine Kearns in The Free Press so zusammen: „Was die Amerikaner bewegte, war ein viel moderneres Thema, das eine neue und unmittelbarere Bedrohung darstellt: die Aushöhlung der geschlechtsspezifischen Rechte und des Schutzes der Frauen.“

Feminismus ist eigentlich ein universelles Bekenntnis zum Individualismus. Jede Frau hat das Recht auf ihre eigene Meinung und die Freiheit, ihr Leben so zu führen, wie sie möchte. Unabhängig von Männern und von anderen Frauen. Dafür haben Frauen im Westen jahrzehntelang gekämpft, dafür riskieren Frauen im Nahen Osten gerade jetzt ihr Leben. Moderne Vorzeige-Feministinnen sehen das anders. Für sie geht es um Gleichheit. Und wer nicht mitmachen will bei der Gleichmacherei, ist zum Abschuss freigegeben.

Carolin Kebekus ist die laute feministische Stimme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Bekannt geworden ist die Comedian mit ihrem Programm „Pussy Terror“. Kurz nach der US-Wahl nannte sie Trump-Wählerinnen „dämlich“. So, als hätten diese Frauen nicht in einer freien, demokratischen Wahl Donald Trump gewählt.

Parteien und Politiker müssen sich mehr anstrengen

Dazu zeigte Kebekus unvorteilhafte Schnappschüsse von Frauen auf Trump-Rallys und kommentierte: „Alter, das sieht man doch. Die sieht doch nicht mehr normal aus, oder?“ Auf einem weiteren Schnappschuss war eine euphorische Blondine mit Baby zu sehen. Kommentar Kebekus: „Sie hat doch Meth genommen.“ Humor ist, wenn Gleichgesinnte trotzdem lachen.

Die Frauen, die sich erdreistet haben, nicht für eine andere Frau zu stimmen, sind selbstverständlich ein Problem: Sie sind unvorhersehbar. Es ist ein Rätsel, vor dem die Progressiven ratlos stehen. Eine Frau im Wahlkreis Duisburg I wählt nicht zwangsläufig Bärbel Bas (SPD), nur weil sie in der Theorie dieselbe Umkleide im städtischen Freibad teilen. Parteien und Politiker müssen sich mehr anstrengen. Was ist, wenn die Sorgen vieler Frauen viel elementarer sind als paritätisch besetzte Kabinette?

Eine andere Vorzeige-Feministin ist Kübra Gümüsay. Sie ist Muslima, trägt ein buntes Kopftuch – als feministisches Zeichen. Denn sie trägt es ganz freiwillig. Sie hat ein pinkes Feminismus-Buch geschrieben, spricht auf großen Bühnen wie der Republica, aber eben auch im Islamischen Zentrum Hamburg. Wer das kritisiert oder etwa ihr Kopftuch als feministisches Symbol anzweifelt, wird zum „antimuslimischen Rassisten“.

Da im Zeitalter der Identitätspolitik alles möglichst divers aussehen muss, ist oft egal, was in der Verpackung ist. Es ist egal, wo sie schon aufgetreten ist. Es ist egal, dass sie mit Organisationen zusammenarbeitete mit Verbindungen zur Muslimbruderschaft. Es ist egal, dass sie mehrfach Autoren antisemitischer Schriften zitierte und sich später herausredete. Wo Feminismus draufsteht, darf auch reaktionäre Suppe drin sein.

Eine weitere Medien-Frau ist Georgine Kellermann. Sie ist eine Vorzeige-Feministin. Klar, dass sie zum diesjährigen Frauentag im „Stern“ befragt wurde: Was bedeutet Ihnen der Weltfrauentag? Das Besondere: Kellermann hieß bis 2019 Georg und machte bei der ARD als Reporter und Korrespondent Karriere. Ihre Zweitkarriere als Feministin ging 2019 los.

Sie tritt seitdem öffentlich als Frau auf. Sie kommentiert fast alles auf Social Media mit „süß“. Sie postet viele Fotos, unter anderem von Eierlikör, und schreibt dazu: „Für die wenigen, die noch zweifeln, ob ich wirklich eine Frau bin: Ich trinke gerade Eierlikör im Café.“ Fünf Herzchen. Auch sie hat ein rosarotes Buch geschrieben. Hach. Wie Frauen eben sind.

Zum Glück sind Frauen nicht gleich. Es steht in Deutschland allen frei, sich in einen braunen Plastiklederrock wie Kebekus zu zwängen oder sich wie eine trutschige 90er-Jahre Tussi aus einem Till-Schweiger-Film zu benehmen.

Was alle drei gemein haben: Statt für die Verbesserung von Lebensbedingungen von Frauen zu kämpfen, sind sie lieber feministische Performance-Künstlerinnen. Es geht nicht um Veränderung, sondern um Sprechakte und Buchverkäufe.

Gefördert wird dieser Feminismus von Politik, Kultur und Wirtschaft. Jedes Unternehmen, das etwas auf sich hält, lockt mit Frauen-Workshops, pinken Empowerment-Stickern im Aufzug oder Periodenseminaren in der Mittagspause. Diese Initiativen sind der perfekte Ablasshandel dafür, dass an den Strukturen nichts gemacht werden muss.

Auch in der Politik ist die Performance-Kunst Feminismus allgegenwärtig. Politiker gehen auf feministische Gala-Abende und bringen die rosa Goody-Bags voller Kosmetika und Sexspielzeuge ihren Töchtern mit. Robert Habeck lässt sich im Regierungsflieger mit aparten Startup-Gründerinnen fotografieren. Die Botschaft: Frauen gründen mehr, wenn sie sichtbarer sind. Oder sich fürs Gruppenfoto eng an den Vize-Kanzler kuscheln dürfen.

Ist Feminismus also überflüssig? Im Gegenteil.

Und die Männer ziehen entspannt vorbei

Frauen sind biologisch benachteiligt. Sie bekommen Kinder oft in den Jahren, in denen Karrieren starten. Wenn sie nach ihrer Schwangerschaft und Elternzeit in den Job zurückkehren, die oft wegen schlechter oder unglaublich teurer privater Betreuungsangebote länger dauert als gewünscht, verdienen sie oft weniger als die Männer. Die Männer sind in der Zwischenzeit entspannt an ihnen vorbeigezogen.

Kein Wunder also, dass dann ausgerechnet die Frauen wegen des Ehegattensplittings, der Kita-Streiks, der langen Fahrwege und schlechter Nachmittagsbetreuung in Schulen in die Teilzeitfalle rutschen. Noch schlimmer trifft es alleinerziehende Mütter.

Es gibt wenig Applaus dafür, die eigene Reichweite zu nutzen und die Aufmerksamkeit auf diese komplexen Probleme zu lenken. Vielversprechender ist es, wie Georgine Kellermann, nach ihrer erfolgreichen Journalisten-Karriere Testimonial für ProQuote zu werden. Also jener Gleichstellungsinitiative, die sich dafür einsetzt, dass die Hälfte aller Führungspositionen von Frauen besetzt wird.

Anders als einem die identitätspolitischen Performance-Artistinnen weismachen wollen, geht es Frauen nicht besser, wenn das Patriarchat mit Quoten, Kopftüchern und schlechten Witzen zerschlagen wird. Vielmehr ist Gleichberechtigung nur mit Männern möglich. Das bedeutet nicht, Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu negieren. Vielmehr heißt es, die Unterschiede anzuerkennen und die Chancen entsprechend gerecht zu verteilen.

Wer wirklich etwas für Frauen verändern möchte, muss sich diese Fragen beantworten: Was wollen wir? Für wen kämpfen wir? Was ist unsere Rolle? Warum gibt es uns? Warum existieren all diese pinken Initiativen, und warum haben wir so viele Zugänge, aber es findet kaum Veränderung statt? Lassen wir uns abspeisen mit einem Tanz an der Oberfläche?

Es reicht nicht, wenn die grüne Bundesfrauenministerin Lisa Paus feststellt: Es gibt einen Anstieg von häuslicher Gewalt, Sexualstraftaten und Femiziden. Es reicht nicht zu sagen, die „zunehmende Emanzipation von Frauen kann für Männer aufgrund der nach wie vor in unserer Gesellschaft verankerten patriarchalen Strukturen als Bedrohung ihrer männlichen Position bei traditionellen Rollenbildern aufgefasst werden“.

So steht es im Bericht der Bundesfrauenministerin. Es müsste viel mehr untersucht werden, wer diese Männer sind, woher sie kommen, warum sie Gleichberechtigung als Bedrohung wahrnehmen und wie Frauen besser vor diesen Männern geschützt werden können.

Ein Feminismus, der auf Ängste von Frauen nicht hört oder solche Fragen als islamophob, transphob oder „weiß“ abtut, ist kein Feminismus. Feminismus ist kein Eliten-Projekt für Buchmessen, bei dem einige wenige Moral nutzen, um den Ton anzugeben und Profit daraus zu schlagen. Feminismus ist die Hinwendung zur Wirklichkeit. ...


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