aus spektrum.de, 24. 11. 2024 zu Jochen Ebmeiers Realien
Mit Grenzwerten bekommt man es in der Mathematik oft dann zu tun, wenn es in die Unendlichkeit geht. Man kann zum Beispiel überlegen, was mit der Folge 1, ½, ⅓, ¼, … passiert, wenn die Zahl unter dem Bruchstrich immer größer wird. Das Ergebnis lässt sich aus mathematischer Sicht schnell berechnen: Man nähert sich immer weiter der Null. Genauer: Die Folge konvergiert und ihr Grenzwert ist gleich 0.
Die Existenz eines Grenzwertes wird mathematisch mit dem Limes (kurz: lim) aus-gedrückt:
[siehe spektrum]*
Natürlich muss es so einen Grenzwert nicht immer geben. In so einem Fall hat man es mit dem Phänomen der Divergenz zu tun. Das mag zwar ärgerlich sein, wenn man sich im konkreten mathematischen Problem einen Grenzwert erhofft hat, ist aber vorerst nicht weiter schlimm. Es passiert nichts, wenn es keinen Grenzwert gibt. Etwas schwieriger wird die Angelegenheit jedoch, wenn es nicht mehr um reine Mathematik geht, sondern man die Mathematik benutzt, um reale Phänomene zu beschreiben.
Ein
Beispiel dafür ist die Krümmung der Raumzeit: Seit Albert Einstein
wissen wir, dass die Raumzeit durch Masse und Energie verformbar ist.
Ein Stern ist schwerer als ein Planet und krümmt die Raumzeit daher
stärker als ein Planet mit geringer Masse. Die Stärke der Krümmung hängt
aber nicht nur von der Masse an sich ab, sondern auch von der
Massendichte. Mathematisch beschrieben wird das alles durch die
allgemeine Relativitätstheorie. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es
passieren, dass die Krümmung der Raumzeit sogar divergiert. Wenn etwa
die gesamte Masse eines Sterns in einem einzigen Punkt konzentriert
wäre, wäre die Krümmung der Raumzeit dort unendlich stark. Das nennt man
eine Singularität: Die allgemeine Relativitätstheorie funktioniert an
dieser Stelle nicht mehr.
Schwarze Löcher sind real
Die Mathematik
der allgemeinen Relativitätstheorie sagt, dass Singularitäten möglich
sind. Astronomen können sie aber nicht beobachten. Wir können sehen, was
auf dem Weg dahin passiert: Wenn ein sterbender Stern ausreichend
kompakt und die Gravitationskraft in seiner Umgebung ausreichend stark
geworden ist, bildet sich um ihn herum ein Ereignishorizont. Nichts kann
von dort mehr entkommen – nicht einmal Licht. Es ist das entstanden,
was wir ein Schwarzes Loch nennen. Die Existenz dieser Objekte ist durch
Beobachtungen mittlerweile gut bestätigt. Wir haben allerdings keine
Möglichkeit, hinter den Ereignishorizont zu sehen. Wir wissen nicht, ob
sich dort wirklich eine Singularität befindet oder ob die Materie einen
Zustand einnimmt, den wir derzeit noch nicht beschreiben können.
Die
Vernunft sagt uns, dass es im realen Universum Unendlichkeiten dieser
Art nicht geben kann; die Dichte der Materie kann nicht unendlich groß
werden. Aber wenn es um die Unendlichkeit geht, egal ob mathematisch
oder astronomisch, ist die Vernunft leider nicht immer ein guter
Wegweiser.
*) Den Grenzwert nennt man auch Limes. Er beschreibt, was passiert, wenn
der x-Wert in eine bestimmte Richtung geht. Du schreibst "lim" und
darunter die Variable und einen Pfeil, der auf eine Zahl oder das
Unendlichzeichen zeigt. Damit beschreibst du, dass x gegen einen Wert
oder unendlich läuft. Nach dem "lim" steht die Funktion, in die du die
Werte für x einsetzt.
lim x → +/- ∞
So liest du es vor: "Der Limes von f(x) für x gegen plus/minus unendlich ist …"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen