Als
ich beim ersten Überfliegen vom "Scheitern" gelesen habe, war mir
mulmig. Aber beim genaueren Hinsehen hat er die Sache treffend
entmystifiziert. Alle Leute haben in allen Berufen mal Erfolg, mal
scheitern sie, wieso sollte das bei Pädagogen anders sein? Aber sie
neigen eben zum Dramatisieren und Sich-in-Szene-setzen. Und gehen sich
dabei willig auf den eigenen Leim, denn pompös und knallig schei-tert vor
allem der, der sein Maß nicht kennt; der sich überschätzt hat, der von
"der Gesellschaft" mehr Zucker erwartet hat, und vor allem: der von den
Kindern erwar-tet hat, dass sie in sein Bild passen.
Lieber
Herr Zöllner, Supervision oder gar Sozialpädagogik (davon verstehe ich
was) helfen an der Schule gar nicht weiter. Das Kreuz ist, dass der
Lehrer immer allein vor der Klasse steht, wenn's sein muss vor fünf
verschiednen Klassen nacheinander. Er hat keine Mitspieler, auch beim
Freundschaftsspiel trifft er immer nur auf die Spieler der gegnerischen
Mannschaft.
Und
da kommen wir zu dem wichtigsten Punkt, den Herr Z. löblicherweise
ange-sprochen hat, aber leider nur nebenher in einer Metapher. Ich habe
vor Jahrzehnten meine sozialpädagogischen KollegInnen schockiert mit dem
Satz, Pädagogik sei zu 50% Komödie. Das meinte und meine ich aber
völlig ernst und wäre froh, wenn ich das einmal ernsthaft diskutieren
könnte. Eins wird doch niemand bestreiten wollen: Das ist eine performing art, da kann man nicht unterscheiden zwischen der 'Rolle' und der 'Person'. Nicht das, was er darbietet, ist nicht sein 'Werk', sondern die Dar-bietung selbst, sein Auftritt mit Haut und Haar.
Jeden
Tag immer wieder neu, ohne Manuskript, ohne Regieanweisung, vor immer
wieder neuem und gar nicht immer neugierigem, weil unfreiwilligem
Publikum.
Für die Sozialpädagogik hat mir seither die Commedia dell'arte vorgeschwebt, das ist ein Stegreifspiel mit verteilten Rollen, "Charaktermasken", die wissen, was für einen Typ sie
darzustellen haben, alles andere improvisieren sie je nach Situation.
Der Witz dabei ist freilich, dass sie auf der Bühne nicht bloß agieren,
sondern inter -agieren und sich Stichworte zuwerfen, da kann das
Publikum ruhig mitspielen, die Truppe ist selbst gespannt, wie es
diesmal ausgeht; und notfalls, wenn die Situation allzu verfahren ist,
hat man als Joker immer noch Arlecchino auf der Hinterhand, meist der impresario selbst, der lässt dann den Knoten platzen.
So
habe ich mir das gedacht, mich aber gehütet, davon zu erzählen, ach das
hätte wieder ein Geschrei gegeben! Nun habe ich dieses Fach hinter mir,
und ich rede an dieser Stelle über die Schule und über Lehrer. Da gibt
es keine Truppe, keiner wirft mal ein Stichwort zu,
eher stellen sie einander ein Bein, keiner, dem man außer Pu-ste mal die
Führung überlassen kann, und ganz bestimmt keiner, der den Arlecchi-no macht, jedenfalls nicht wissentlich.
Lange Rede kurzer Sinn: 'Erziehen' ist kein Beruf, dazu ist diese 'Tätigkeit' zu un-spezifisch. Aber weil es in unseren Gesellschaften pädagogische Institutionen gibt, kann man daraus einen Beruf machen. Absichtsvoll.
Mit andern Worten, mehr als in einem jeden andern Beruf mit seiner
spezifischen Tätigkeit muss man sich dabei über die eigene Absicht
klarwerden.
- Ach, mit welcher Absicht "soll man" denn erziehen zu seinem Beruf machen wollen?
Die Frage ist wie ein Pflasterstein im Froschtümpel. Nach einer spezifischen Ab-sicht darf man nicht suchen. Nicht: Das will ich tun, sondern Das will ich sein. Wer
sich zum Künstler berufen fühlt, zum Fachmann fürs Ungefähre und
Unvorherge-sehene, der darf erziehen zu seinem Beruf machen. Alle andern
sollten sich's noch-mal überlegen.
Kommentar zu Performing art, JE , 30. 3. 18
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