Freitag, 1. November 2024

Indianer sagt man, Eskimo auch.

Sie fühlen sich nicht diskriminiert: ein Powwow-Fest von Native Americans in New Mexico aus FAZ.NET, 1. 11. 2024                                                                                        zu öffentliche Angelegenheiten

Korrekte Wörter: Ist „Indianer“ wirklich rassistisch?
Darf man die nordamerikanischen Ureinwohner Indianer nennen? Allerdings, sagt die Vorsitzende des Verbands der Native Americans in Deutschland. Sie beklagt, der Begriff werde aus Unwissenheit kritisiert. Es wäre nicht das erste Mal.
 
Ein Kommentar von Ulf von Rauchhaupt

Es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis das passieren würde: Die Berliner Stiftung Humboldt Forum hat jüngst beschlossen, bei einer Aufführung von Udo Linden-bergs Song „Sonderzug nach Pankow“ im Rahmen eines Chorkonzerts das Wort „Oberindianer“ wegzulassen. So hatte Lindenberg im Jahr 1983 den DDR-Macht-haber Erich Honecker genannt. Nun soll der Begriff gestrichen werden, weil er als diskriminierend wahrgenommen werden könnte.

Nicht zum ersten Mal fragen wir uns: Hat eigentlich mal jemand die Indianer gefragt? Tatsächlich, die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) hat das nun verdienstvollerweise getan und Carmen Kwasny, die Vorsitzende der Native American Association of Germany (NAAoG) um eine Stellungnahme gebeten.

„Ein Verbot ist ein Schlag ins Gesicht“

„Das Wort Oberindianer würde ich in einem solchen Zusammenhang heute nicht mehr verwenden“, sagte Kwasny der KNA am Donnerstag. Allerdings sei das Lied „Sonderzug nach Pankow“ in einer ganz anderen Zeit entstanden. Eine generelle Streichung des Wortes „Indianer“ aus dem deutschen Wortschatz sieht die NAAoG indes kritisch. „Das Wort ‚Indian‘ als rassistisch zu bezeichnen ist sehr problema-tisch, da es von vielen Native Americans verwendet wird“, erklärt Kwasny. „Ein Verbot ist ein Schlag ins Gesicht dieser Menschen, denn sie identifizieren sich mit ihrer Tribal Nation oder Community.“

Indianer ist die Übersetzung des englischen Wortes „Indian“, das selbst auf die Zeit zurückgeht, als die ersten Europäer die dem amerikanischen Doppelkontinent vorgelagerten karibischen Inseln erreichten und sich dort, auch aufgrund einer fehlerhaften Berechnung des Erdumfangs, in Indien wähnten. Angewandt auf die Ureinwohner Nordamerikas wurde das Wort später auch Ausdruck einer gewissen Faszination der Europäer für diese Völker.

Ein Fremdbegriff wurde zur Eigenbezeichnung

Diese spiegelt sich etwa im Namen des Sternbildes „Indianer“ (lateinisch „Indus“) am Südhimmel wider, welches tatsächlich einen nordamerikanischen Indianer darstellen soll – und nicht etwa einen Inder oder Indonesier. Eingeführt wurde es Ende des 16. Jahrhunderts von zwei holländischen Seefahrern, die selbst allerdings nie in der Neuen Welt gewesen waren und die betreffenden Menschen nur vom Hörensagen kannten.

Aus dem Fremdbegriff Indianer wurde im Laufe der Jahre oft eine Eigenbezeichnung, erklärte Carmen Kwasny der KNA. Sie verweist auf ein Verzeichnis der von der amerikanischen Regierung anerkannten Native American Tribes. Bei sehr vielen Stammesnationen und Communitys ist das Wort „Indian“ bis heute ein Teil ihres Namens. „Vor dem geschichtlichen Hintergrund betrachtet, ist es äußerst problematisch, solche Verbotsentscheidungen über die Köpfe dieser Menschen hinweg zu treffen“, sagt die NAAoG-Vorsitzende. Genau das sei während der Kolonialzeit geschehen.

Das Märchen vom despektierlichen „Eskimo“

Es wäre indes nicht das erste Mal, dass politisch korrekt wähnende Sprachregelungen auf eklatantem Unwissen beruhen. Ein anderer Fall ist „Eskimo“. Meist wird heute verlangt, diesen Begriff durch „Inuit“ zu ersetzen, da „Eskimo“ von einem Ausdruck komme, der „Rohfleisch-Esser“ bedeute und in abwertender Absicht für die Ureinwohner Grönlands und der hocharktischen Gebiete weiter westlich verwendet worden sei.

Doch diese Etymologie ist nachweislich falsch. Zeugnisse früher europäischer Reisender in dem Gebiet legen vielmehr eine Herkunft von dem Wort „a·y-askʸime·w“ aus der Sprache der Montagnais nahe, die zu der Familie der Algonkin-Sprachen gehört. Es bedeutet so viel wie „Schneeschuh-Knüpfer“. Und insofern man unter den Eskimovölkern üblicherweise die Sprecher von Sprachen der Eskimo-aleutischen Sprachfamilie bezeichnet, ist die Gleichsetzung von Eskimo mit Inuit auch ohne die Frage der Wortherkunft falsch. „Inuit“ sind nur die Sprecher der östlichen Eskimo-aleutischen Sprachen auf Grönland und in Zentral- und Nordostkanada. Die weiter westlich lebenden Yupik sind keine Inuit, aber sie sind Eskimos.

Man kann sich natürlich die Frage stellen, ob sich dieses Konglomerat aus Irrtümern jetzt noch reparieren lässt. Hören Angehörige der Eskimovölker nur lange genug, man bezeichne sie mit einem Wort, das „Rohfleisch-Esser“ bedeute, und bringe ihnen damit Verachtung entgegen, dann werden sie sich vielleicht irgendwann tatsächlich nicht mehr gerne als Eskimovölker ansprechen lassen. Es wäre nach dem oben Gesagten kein Gewinn an Respekt für die Betroffenen, wenn dem Wort „Indianer“ nun Ähnliches widerfahren sollte, nur damit ein paar Abendländer vor anderen Abendländern markieren können, wie antikolonialistisch sie doch gesonnen sind.

Literatur:
Lyle Campbell, American Indian Languages: The Historical Linguistics of Native America, Oxford University Press 1997, S. 394
 
Nota. - Wenn wir Cowboy und Indianer spielten, war ich immer Indianer, egal wer gewann und wer verlor. Nicht ein einziges Mal habe ich mich bereden lassen, einen von den Andern zu spielen. Indianer war ein Ehren-Wort.

Wir haben auch Neger gesagt. Der beste Freund meiner Kindheit war ein gestreif-tes Kind, der uneheliche Sohn eines farbigen amerikanischen Besatzungssoldaten. Ihn haben wir nie so genannt, aber nicht, weil wir es rassistisch gefunden hätten, sondern weil wir alles unterließen, was ihm das Gefühl geben konnte, irgendwie anders zu sein als wir. Er hatte es sowieso nicht leicht. Dass das Wort als solches beleidigend wäre, kam uns nicht in den Sinn.
 
Doch wir waren nicht in Amerika. Dort bin ich aber noch heute nicht.
JE


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