Bedeutend ist alles, was mich veranlassen kann, mein Verhalten zu ändern. Ästhe-tisch ist alles, was mir, ohne dass ich ein Interesse daran hätte, gefällt (oder miss-fällt). Alles, woran ich Interesse habe, veranlasst mich, mein Verhalten so oder an-ders einzurichten: Das eben macht mein Interesse aus. Ästhetisch wären Erschei-nungen, die mir nichts bedeuten (und doch meinen Beifall oder mein Missfallen finden).
Der Semiologe will sagen: Erscheinungen, die nichts bedeuten, gibt es gar nicht. Das heißt aber nur: Man kann alles, was erscheint, als ein Zeichen lesen - etwas, das für ein Anderes steht; und das ein Anderer gesetzt hat mit Absicht. Die Absichten der Andern sind allerdings etwas, das geeignet ist, mein Verhalten zu verändern. In der überkomplexen postindustriellen Zivilisation kommt mir nur wenig vor, das nicht irgendwer mit Absicht so und nicht anders gemacht hat. Vielleicht nicht Wind und Wetter, aber die sind mir von sich aus bedeutend und verändern meine Absich-ten.
Will sagen, in weniger komplexen Gesellschaftszuständen begegneten den Men-schen viel mehr Dinge ohne Absicht
als heute; sie hätten sie um ihrer selbst willen betrachten (und ihrem
Beifall und Missfallen aussetzen) können. Haben sie es ge-tan, haben sie
es gewollt? Wer genügend Muße hatte, vielleicht. Aber je komplexer die
gesellschaftliche Arbeitsteilung wurde, auf umso mehr fremde Absichten
muss-ten sie sich einstellen, sich daran gewöhnen, Zeichen zu deuten und
rechtzeitig ihr Verhalten darauf einzustellen. Das Interpretieren von
Zeichen wurde zur unum-gänglichen Gewohnheit, eine tiefenpsychologische
Schule hat darin einen sprudeln-den Einkommensquell aufgetan. Ohne deren
Verheerungen im öffentlichen Be-wusstsein wäre Roland Barthes nicht auf seine
Manie verfallen. Sie gehörten zu den drei, vier großen Mythen des 20.
Jahrhunderts.
H. Füssli
Man
muss nämlich nicht alles als Zeichen deuten. Man kann es bleiben
lassen. Richtig ist allerdings, mit zunehmender Komplexität der
Lebenswelt braucht es immer größere Entschlossenheit, sich die semiotischen Anmutungen vom Leib zu halten und die Dinge ohne Interesse anzuschauen. Der ästhetische Zustand kommt immer seltener von allein. Aber umso begehrter wird er vielen.
aus meinem Kommentar zu Semiologie, oder Das Reinästhetische gibt es gar nicht.17. 3. 17
Nota. Die obigen Bilder gehören mir nicht, ich habe sie im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen