aus FAZ.NET, 27. 8. 2024 zu öffentliche Angelegenheiten
Arbeitsmarkt und Bürokratie
Der Staat macht sich breit
Die Arbeitslosigkeit wächst, trotzdem finden Unternehmen keine Arbeitskräfte. Nur einer beschäftigt immer mehr Leute: der Staat.
Andererseits halten die meisten Unternehmen an ihren wertvollen Arbeitnehmern fest, so gut sie nur können, denn es gibt immer noch viele Regionen und Berufe, in denen es schlicht an Arbeitskräften fehlt. Bis leere Stellen besetzt sind, dauert es im Bundesdurchschnitt immer länger, inzwischen sogar sechs Monate. Eines aber ist ganz eindeutig: Wer in Deutschland immer noch nennenswert Arbeitsplätze auf-baut, wer Stellen schafft und dafür auch noch Arbeitskräfte findet, das ist der Staat.
Allein die Verwaltungen haben 50.000 Mitarbeiter mehr
Da sind die Verwaltungen im engeren Sinn, die allein in den vergangenen zwölf Monaten rund 50.000 Mitarbeiter zusätzlich eingestellt haben. Da sind aber auch die staatsdominierten Branchen, in denen der Staat praktisch alles bestimmt: das Gesundheitswesen, die Pflege, Bildung und Erziehung. Gegen das, was in diesen Branchen an Beschäftigung aufgebaut wird, ist selbst die IT-Branche ein Krümel neben dem großen Kuchen des öffentlichen Dienstes.
Und demnächst bekommt der Staat auch noch rund 3000 ehemals privat Bedienstete dazu, wenn er bei der taumelnden Meyer Werft einsteigt – in einer Region, in der selbst nach statistischen Kriterien Vollbeschäftigung herrscht. Weder FDP noch CDU haben den Mut, sich dagegen auszusprechen. Offenbar ist zu vielen Leuten in Deutschland der Glaube abhandengekommen, dass ein „industrielles Kronjuwel“ (Scholz) einen privaten Eigentümer finden könnte, spätestens wenn eine Insolvenz die Altschulden getilgt hat.
Den Deutschen wird diese Entwicklung ganz recht sein. Seit Jahren ist unter Studenten der Staat der beliebteste Arbeitgeber. Und es sind ja wichtige Aufgaben, die da erfüllt werden. Das Problem ist nur: Irgendjemand muss das Geld erwirtschaften, mit dem all die Leute im öffentlichen Dienst bezahlt werden können. Und da sieht es mau aus.
Ein neuer Etatismus
Das liegt nicht nur an der Konjunktur, das ist ein längerer Trend. Der hat auch damit zu tun, dass der Staat in blühenden Regionen den anderen Unternehmern die Arbeitsplätze wegkauft. Immer wieder passiert das sogar in eigentlich privaten Branchen wie zuletzt der Chipindustrie, wo im Osten große Ansiedlungen mit Milliarden gefördert werden und gleichzeitig den Arbeitskräftemangel in der Region verschärfen, viele Handwerker haben jetzt schon Angst.
Vor allem aber liegt es daran, dass sich in den vergangenen Jahren ein neuer Etatismus ausgebreitet hat, der privater Initiative nicht mehr viel zutraut. Dabei wäre sie so nötig. Neue Techniken, die die Energiewende vereinfachen? Die Chancen von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz nutzen? All das geht besser mit jungen – oder alten, aber hungrigen – Unternehmen, die sich auf der Suche nach Profit neue Dinge einfallen lassen, die in den Regeln der Bürokratie noch jahrelang keine Chance auf Verwirklichung hätten.
Ein Problem ist die Bürokratie
Da kommt beides wieder zusammen: Eigentlich müssen sich öffentliche Aufgaben und private Arbeit gar nicht ausschließen, wenn Deutschland sich die Arbeit ein bisschen einfacher machen würde. Es ist doch bemerkenswert: Deutschland hat zwar kaum noch Kinder, aber immer mehr Kinderärzte als früher – und trotzdem war es noch nie so schwer, einen Termin zu bekommen.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Kinderärzte mit Bürokratie überhäuft werden: mit Abrechnungsfragen, mit Antragsformularen und Attesten. Ähnlich geht es anderen Ärzten, den Krankenpflegern – fast in jedem Mangelberuf Deutschlands stellt sich bei näherem Hinsehen heraus, dass große Teile der Arbeitszeit nicht mehr für die eigentliche Arbeit aufgewendet werden können.
Und da wäre die doppelte Chance für Deutschland: Ein Bürokratieabbau, der seinen Namen verdient, schaufelt einerseits Arbeitskraft im öffentlichen Dienst frei – und löst andererseits die Fesseln, die die Industrie behindern.
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