Sonntag, 15. September 2024

Pädagogik und Philosophie.

W. Busch               zu Levana, oder Erziehlehre zu Philosophierungen

Die landläufige Meinung ist, dass Pädagogik letzten Endes nur philosophisch zu begründen sei: durch ein wissenschaftlich gerechtfertigtes Menschenbild. Das ist richtig und falsch zugleich. 

Mehr das eine oder mehr das andere?

Sehen wir zu. 

Theoretisch haben sie weniger miteinander zu tun, als man denkt. Doch haben sie praktisch mehr miteinander zu tun, als man denkt - nämlich auf einer hohen Refle-xionsebene. 

Denn beide sind schlechthin Tätigkeit. Aber die eine schlechthin in der Vorstellung, die andere schlechthin in realem Handeln. Aber Vorstellen ist selber Handeln. Han-deln jedoch wird eine Tätigkeit erst, sobald sie auf Widerstand stößt. In der Philoso-phie wird dem Vorstellen von nichts widerstanden als den Grenzen, die es sich vor-gängig bereits gezogen hatte. Der Pädagogik wird widerstanden durch Grenzen, von denen sie Erfahrung immer erst noch machen muss.

Anders gesagt - das Menschenbild, das sie voraussetzt, ist eine Hypothese, die der Prüfung in der Praxis harrt. Aber die Prüfung obliegt denen, die die Erfahrung ak-tuell machen; immer wieder neu und auf beiden Seiten, denn beide Seiten treffen auf Widerstände aller Art.

Die Philosophie hat mit Menschenbildern aber nur mittelbar zu tun und negativ, nämlich kritisch: indem sie alle äußeren Beimengungen entfernt, die ihnen von den mehr oder weniger öffentlichen Meinungen zugefügt wurden. Sie fragt: Was ist und wie rechtfertigt sich Vernunft? Denn sie fasst den Menschen auf als einen in seinem Verkehr mit andern Menschen vernünftig Handelnden, genauer: als einen vernünf-tig handeln Sollenden. Und vernünftig handeln heißt frei handeln - immer und aus-schließlich nach dem Urteil des eigenen Gewissens. Nämlich sofern ich in der Welt mit einer Reihe anderer vernünftiger Wesen verkehre. 

Das Gebot ist rein formal. Doch das, was es gebietet, ist rein material. Und so ist alles, was die Philosophie einer rationellen Pädagogik mitzuteilen hat. Herzensbil-dung und alles, was mit der Sinngebung des individuellen Lebens zu hat, ist nicht Sache der Pädagogik als öffentliche Instanz und nicht Sache eines staatlich bestall-ten Berufsstands; Religion ist Privatsache.

Und das wär es, was die Philosophie, die eine Wissenschaft ist, der Pädagogik mit-zuteilen hat, damit auch sie wissenschaftlich werden könnte: dass der Mensch, so-weit er in Gesellschaft lebt, jederzeit und nur dem Urteil seines eignen Gewissens zu folgen hat?

Das ist rein formal, nämlich sachlich leer. Denn was es je aktuell bedeutet, hat jeder jederzeit selbst zu beurteilen, und dazu braucht man keine Philosophie - und jeder Tartuffe mag es für sich reklamieren. Denn ob es zutrifft, kann wiederum nur er selbst beurteilen; am besten intuitiv im Alltag - oder auf einer hohen Reflexions-bene des Sonntags.

Ein Pädagoge könnte es seinen Zöglingen am ehesten aktual vormachen; doch wohl, indem er mit Worten spart. 

Und ganz sicher nicht während einer Schulstunde.

 


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