Donnerstag, 26. September 2024

Hand-Schreiben.


aus welt.de, 4. 9. 2024                                                    
zu Jochen Ebmeiers Realien  zu Levana, oder Erziehlehre;

Per Hand oder Tastatur?
So beeinflusst das Schreiben die GehirnaktivitätenMenschen schreiben heute anders als früher. Oft tippen sie meist nur mit einzelnen Fingern, statt per Hand etwas zu notieren. Das beeinflusst, wie gut Hirnregionen verknüpft sind. Dank KI und Sprachassistenten muss bald niemand mehr schreiben. Was dann?

Von Valentin Frimmer

Jedes Kind lernt in der Schule, mit Stift und Papier zu schreiben. Später im Leben gewinnt dann das Tippen auf Tastaturen und Touchpads an Bedeutung. Rein mengenmäßig dürfte bei vielen Menschen das digitale Schreiben das Handschriftliche sogar schon überholt haben.

Per se schlimm ist das bei Erwachsenen nicht, solange man beide Techniken sicher beherrscht. Schließlich haben beide Schreibarten Vorzüge. So können am Computer geschriebene Texte viel einfacher bearbeitet und verbessert werden – gerade bei längeren Abhandlungen fördert das die Qualität. Viele Menschen sind auf Tastaturen auch wesentlich schneller. Auch das Speichern und Verwalten ist einfach. Handgeschriebenes scheint hingegen die Nase vorn zu haben, wenn sich Menschen beispielsweise bei einem Vortrag oder einem Meeting Notizen machen.

So präsentierten im Januar die norwegischen Neurowissenschaftler Audrey van der Meer und Ruud van der Weel Hinweise darauf, dass das Schreiben per Hand in solchen Situationen das Lernen fördert. Sie hatten 36 Studentinnen und Studenten bestimmte Wörter auf einem Bildschirm gezeigt. Anschließend sollten die Probanden die Wörter entweder mit einem Stift in Schreibschrift aufschreiben oder mit einem Finger in eine Tastatur tippen.

Schreiben per Hand hilft beim Lernen

Während des Experiments wurde per Elektroenzephalographie (EEG) die elektrische Aktivität im Gehirn der Teilnehmer gemessen, wie das Forscherduo von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim im Fachblatt „Frontiers in Psychology“ schreibt. Dabei stellten die Forscherin und der Forscher fest, dass die präzise kontrollierten Handbewegungen bei der Verwendung eines Stifts wesentlich aktivere Verknüpfungen zwischen bestimmten Hirnregionen hervorriefen.

Aus früheren Studien wisse man, dass die beobachteten Verknüpfungsmuster – Fachleute sprechen von Konnektivität – „entscheidend für die Gedächtnisbildung und die Informationsverarbeitung seien, und daher für das Lernen von Vorteil“, schreiben van der Meer und van der Weel.

„Wir haben gezeigt, dass die Unterschiede in der Hirnaktivität mit der sorgfältigen Formung der Buchstaben beim Schreiben mit der Hand zusammenhängen, wobei die Sinne stärker beansprucht werden“, sagte van der Meer laut einer Mitteilung. Sie fasst zusammen: „Es gibt einige Hinweise darauf, dass Studenten mehr lernen und sich besser erinnern, wenn sie handschriftliche Notizen zu Vorlesungen machen, während die Verwendung eines Computers mit einer Tastatur möglicherweise praktischer ist, wenn sie einen langen Text oder Aufsatz schreiben.“

Während van der Meer und van der Weel sich auf veränderte Muster im Hirn konzentrierten, zeigte ein US-Forschungsteam vor zehn Jahren, dass handschriftliche Notizen auch tatsächlich Lernvorteile bringen können. Allerdings nennen sie dafür andere Gründe. So ließen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in drei, jeweils nur leicht veränderten Experimenten Studenten fünfminütige Videos schauen. Dabei sollten sie sich entweder am Laptop oder handschriftlich Notizen machen. Etwa eine halbe Stunde später sollten sie Fragen zu dem kurzen Film beantworten.

Insbesondere bei Verständnisfragen wie „Wie unterscheiden sich Japan und Schweden in ihren Ansätzen zur Gleichstellung innerhalb ihrer Gesellschaften?“ schnitten die Studenten mit handschriftlichen Notizen deutlich besser ab. Die Gruppe um Daniel Oppenheimer, mittlerweile an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh tätig, sieht den Grund für den Unterschied darin, dass die am Computer tippenden Probanden mehr dazu tendierten, wortwörtlich mitzuschreiben. Das würde Lernprozesse behindern, denn Informationen würden weniger verarbeitet und weniger in eigene Worte gefasst, als wenn man sich nur Stichpunkte notiert.

Zwar sei es insgesamt betrachtet hilfreich, eher mehr als weniger Notizen zu machen, so die Gruppe. „Wenn die Notizen jedoch wahllos oder durch gedankenloses Abschreiben von Inhalten gemacht werden, was auf einem Laptop wahrscheinlicher ist als bei handschriftlichen Notizen, schwindet der Nutzen.“

Grundsätzlich sei der Schreibprozess ein sehr komplexer Vorgang, erklärt Necle Bulut, Sprachdidaktikerin an der Universität Münster, die zu Hand- und Tastaturschreiben forscht. „Er besteht aus zum Teil automatisierbaren und nicht-automatisierbaren Prozessen.“ Das Niederschreiben an sich, die Rechtschreibung und teils auch das Formulieren seien automatisierbar. Je besser das gelinge, desto mehr Kapazität habe das Arbeitsgedächtnis beispielsweise für das Planen und Überarbeiten eines Textes – das gelte sowohl für das Hand- als auch für das Tastaturschreiben.

Bulut geht davon, dass Menschen sich mit Blick auf die Schreibart grundsätzlich für den effizientesten Weg entscheiden. „Wenn das Handschreiben zu besseren Lernergebnissen führt, wird der Mensch auch darauf zurückgreifen.“ Sei das Schreibwerkzeug für den Einzelnen unerheblich, „dann führen eben unterschiedliche Wege zum Ziel“.

Chats ersetzen Anrufe

Unklar ist deutschen Expertinnen zufolge, ob bei Erwachsenen im Laufe der vergangenen Jahrzehnte das Schreiben mit der Hand generell weniger geworden ist. Insgesamt wird aber möglicherweise sogar mehr geschrieben, schließlich tippen viele Jugendliche und Erwachsene Unmengen an Textnachrichten in Messenger-Apps auf ihren Smartphones. „Chats ersetzen heute weitgehend Telefonate“, sagt Nadine Anskeit, die an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe das Institut für deutsche Sprache und Literatur leitet.

Dank technischem Fortschritt lässt sich das manuelle Schreiben per Hand oder Tastatur in vielen Fällen aber auch ganz vermeiden. So hat jedes Smartphone und jede Messenger-App mittlerweile eine Diktieroption, sodass man Notizen und auch Nachrichten ganz einfach einsprechen kann. Apps und Programme, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren, verschriftlichen darüber hinaus Audioaufnahmen sehr verlässlich. Solche Software kann auch berücksichtigen, wenn der Sprecher wechselt. Noch einen Schritt weiter gehen Anwendungen, die auf Wunsch das Besprochene knapp zusammenfassen. Zumindest technisch werden dadurch eigene Notizen zu einer dienstlichen Besprechung, einem Video-Call oder einer Vorlesung an der Uni weitgehend überflüssig.

Solche KI-generierten Zusammenfassungen könnten helfen, wenn man sich in einem Gespräch oder einem Vortrag voll aufs Zuhören konzentrieren will, sagt Expertin Anskeit. Es sei aber wichtig, sich mit solchen Angeboten auch kritisch auseinanderzusetzen. So könnten die KI-Hilfsmittel dazu verleiten, gedanklich abzuschweifen. Macht man sich eigene Notizen, zwingt das hingegen zum Zuhören. Grundsätzlich gelte: „Das Lernen selbst kann man nicht durch KI ersetzen.“

 

Nota. - Die Hand ist der Fühler des Gehirns im Raum. Die Zeit wird von den Augen dazugetan.

Die Hominisation beginnt mit der Erfindung des aufrechten Gangs. Sie hat dem Menschen mit der Freisetzung der Nase vom Boden den weiten Blick gegeben, und mit der Loslösung der Hände das Erfassen des Raums.

Die Verkümmerung der Hände wäre nicht weniger fatal als die Verkümmerung der Köpfe. Hand-Schreiben ist dem Kopf-Denken so stammverwandt wie das Mund-Reden.
JE 

 

Nota Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE 

 

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