... Hat denn einer behauptet, über
die Richtigkeit einer naturwissenschaftlichen Theorie müssten
ästhetische Gesichtspunkte entscheiden und nicht das Experiment? Es geht
doch lediglich um die heuristische Frage: Wo bekomme ich meine Einfälle
her? Einer trinkt viel, einer raucht viel, ein anderer guckt Fußball
oder Naturreportagen; und besonders Gewitzte versetzen sich in den ästhetischen Zustand.
Ästhetische Bilder regen mehr Leute zu eige-nem Vorstellen an als eine
mathematische Formel, und regen sie womöglich zu mehr an als eine
mathematische Formel.
Wenn
ein Forscher in einem Fachjournal eine neue Theorie vorstellt, erzählt
er, wenn ich nicht irre, niemals, wie er darauf gekommen ist, und die
Anekdote von Newton und dem Apfel stammt sicher nicht von ihm selber.
Und täte er es, würde kein Wissenschaftler sie danach beurteilen;
sondern nach den Experimenten, die er zu ihrer Unterstützen vorweisen
kann.
Gibt
es ein Buch über die anregende Wirkung von Kaffee bei der
physikalischen Theorie-bildung? Und wenn, würden sich wahrscheinlich
weniger Wissenschftler davon angeregt fühlen als von einem Buch über
Ästehtik und Wissenschaft. Und ganz gewiss würde sich sehr viel weniger
Theoretiker angeregt fühlen, selber darüber zu schreiben. Man erwartet
einfach, dass beim Ästhetischen mehr kitzliche Sägespäne abfallen.
*
Ach,
und da fällt mir ein: Immer mehr Menschen konkurrieren heute in den
Wissenschaf-ten, und ihre Forschungen werden immer teurer. Also braucht
man Leute, die viel Geld lockermachen. Die muss man motivieren. Da wirkt
das Ästhetische sicher nachhaltiger, als wenn man bloß mal einen Kaffee
mit ihnen trinkt.
aus Ästhetik in der Naturwissenschaft, III, JE, 13. 6. 19
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