Noch bevor kleine Kinder krabbeln können, erkunden sie ihre Umwelt mit den Augen. Die Art und Weise, wie sie das tun, ist individuell verschieden: Manche schauen mehr auf Gesichter, andere scheinen von Objekten wie Autos, Bauklötzen oder Mobiltelefonen magisch angezogen. Autismus zum Beispiel geht häufig mit einer atypischen Aufmerksam-keit gegenüber Objekten einher. Die Entwicklungsstörung ist teilweise durch Probleme in der sozialen Kommunikation gekennzeichnet. Aber auch in der neurotypischen Bevölkerung gibt es erhebliche Unterschiede in Bezug auf visuelle Präferenzen.
Doch was beeinflusst diese Vorlieben? Das ist eine wichtige Frage, denn das, was wir wahrnehmen, bestimmt auch, worüber wir nachdenken und was wir lernen. Forscher der Universität Uppsala und vom Karolinska-Institut in Stockholm haben jetzt nachgewiesen: Ob Säuglinge im Alter von fünf Monaten vor allem Gesichter oder nichtsoziale Objekte betrachten, wird weitgehend von den Genen bestimmt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es eine biologische Grundlage dafür gibt, wie Säuglinge visuelle Erfahrungen machen und über welche Dinge sie am meisten lernen. Die Studie wurde in der Zeitschrift »Nature Human Behaviour« veröffentlicht.
Die Fachleute um Ana Maria Portugal von der Universität Uppsala untersuchten für ihre Studie mehr als 500 eineiige und zweieiige Zwillinge. Die Blicke der Babys zeichneten sie mit einem kindgerechten Eye-Tracker auf. Die Säuglinge saßen währenddessen jeweils auf dem Schoß eines Elternteils und betrachteten verschiedene Bilder auf einem Monitor. Das Team stellte fest, dass die Blickvorlieben von genetisch identischen Zwillingen sich ähnlicher waren als jene von zweieiigen Zwillingen. Wenn zum Beispiel ein eineiiger Zwilling vornehmlich nichtsoziale Objekte betrachtete, tat dies sein Geschwisterchen in der Regel auch. Zweieiige Zwillinge teilen im Durchschnitt nur 50 Prozent ihrer Gene, die Blickpräferenzen fielen innerhalb eines Paares entsprechend weniger ähnlich aus.
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