Freitag, 24. Januar 2025

Wie weiter mit Amerika?

Washington Weekly Newsletter
aus Tagesspiegel, 24. 1. 2025                                                                                       zu öffentliche Angelegenheiten              

US-Experte zur Rede des Kanzlerkandidaten: 
„Friedrich Merz hat Trumps Taktik verstanden“
Deutschland könnte die ersten Monate der neuen Trump-Regierung verschlafen, fürchtet Steven Sokol, Präsident des American Council on Germany. Bei Merz sieht er eine pragmatische Haltung zu den USA.

Herr Sokol, in seiner außenpolitischen Grundsatzrede an diesem Donnerstag hat Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der Union, hart mit dem Kurs der bisherigen Bundesregierung abgerechnet und seine Vision skizziert. Was ist für Sie aus US-Sicht besonders hervorgestochen?
Der spannendste Aspekt war für mich Merz‘ Priorisierung. Merz hat gefordert, dass Deutschland die Beziehungen zu seinen Partnern wieder stärken und ihr Vertrauen zurückgewinnen müsse. Im Fokus standen für ihn dabei die Nachbarländer in Europa, vor allem Frankreich und Polen. Von den USA sprach Merz erst ganz am Ende seiner Rede.

Den Namen Trump hat er nur ein einziges Mal erwähnt.
Friedrich Merz hat Trumps Taktik verstanden. Trump dominiert gerne Gespräche. Indem er Dinge überspitzt formuliert, will er sie auf die Agenda setzen. Nehmen wir das Beispiel Grönland: Natürlich waren Trumps Äußerungen problematisch. Aber ihm ist es damit gelungen, die Aufmerksamkeit auf diesen geostrategisch bedeutsamen Ort zu lenken. Weltweit redet man nun über die Ressourcen Grönlands, seine sicherheitspolitische Bedeutung und mögliche Risiken durch einen wachsenden chinesischen Einfluss.

Trumps Rhetorik gegenüber den transatlantischen Partnern ist eher von Konfrontation als von Kooperation geprägt. Drückt sich Merz durch seine Zurückhaltung davor, Trump zu widersprechen?
In der Kommunikation der Trump-Administration herrscht derzeit noch viel Getöse. Trump will seine Verhandlungsposition stärken, indem er eine Drohkulisse aufbaut. Das gilt für die Gegner der USA wie auch für die Verbündeten. Ich glaube nicht, dass für Friedrich Merz aktuell der richtige Moment für Widerspruch ist.

Inwiefern?
Als möglicher nächster Bundeskanzler muss Merz mit Blick auf die künftige Zusammenarbeit mit der US-Regierung mit Bedacht vorgehen. Donald Trump ist von den Amerikanern demokratisch gewählt worden. Im Ausland muss man mit der Regierung zusammenarbeiten, die im Amt ist. Es bringt nichts zu sagen, wir hätten aber lieber jemand anderen.

Merz hat betont, dass er froh ist, dass die USA eine Demokratie sind und keine Autokratie. Wie bewerten Sie diese Aussage vor dem Hintergrund der Schritte, die Trump gegen politische Gegner und kritische Medien angekündigt hat?
Auch wenn Merz als Bundeskanzler gewählt werden sollte, wird er vermutlich zurückhaltend sein, was innenpolitische Angelegenheiten der USA betrifft.

Heißt das, dass die Entwicklungen in den USA nie zur Sprache kommen dürfen? Nein. Aber so etwas macht man in vertraulichen Gesprächen unter vier Augen, nicht in der Öffentlichkeit. Ich denke, dass Merz mit seiner Aussage signalisieren wollte, dass er Vertrauen in die Institutionen und Kontrollmechanismen der USA hat.

Ist dieses Vertrauen derzeit noch angebracht?
Die US-Demokratie ist stark. Wir müssen auf beiden Seiten des Atlantiks abwarten, was passiert. Vieles von dem, was Trump derzeit ankündigt, ist reine Rhetorik. Viele Dekrete, die er unmittelbar nach Amtsübernahme unterschrieben hat, sind gar nicht umsetzbar, weil sie nicht in die Kompetenzen des Präsidenten fallen.

An diesem Donnerstag hat ein Gericht zum Beispiel Trumps Dekret zur Staatsangehörigkeit gekippt.
Und weitere werden folgen. Trumps Dekrete sind quasi wie „Pressemitteilungen“ zu verstehen.  Er kündigt damit eine bestimmte Linie für seine zweite Amtszeit an. Wohl wissend, dass er für die Umsetzung vieler Maßnahmen den Kongress brauchen wird.

Welchen Kurs erwarten Sie unter einer möglichen Merz-Regierung gegenüber den USA?
Merz‘ Äußerungen der vergangenen Wochen zum Regierungswechsel in Washington zeigen, dass er sehr pragmatisch vorgeht. Merz macht sich keine Illusionen. Er blickt sehr nüchtern auf die Kooperation mit den USA.

Für ihn liegt der Fokus auf den gemeinsamen Interessen zwischen Deutschland, Europa und den USA. Er will sich auf die Themen konzentrieren, bei denen Berlin, Washington und Brüssel eng zusammenarbeiten können. Seine Rede hat gezeigt: Merz begreift die erneute Trump-Präsidentschaft als Chance für Deutschland, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Wie kann das aussehen?
Ich hoffe, dass egal, wer in Kürze die Regierung in Deutschland übernimmt, auf die USA zugeht. Meine Sorge ist, dass Deutschland zurzeit zu stark mit sich selbst beschäftigt ist und die ersten sechs Monate der Trump-Administration verschlafen wird. Denn die laufen eigentlich bereits seit dem 6. November, auch wenn die offizielle Amtsübernahme erst jetzt war.

Deutschland ist in Washington nicht präsent, und das in einem Moment, wo ein Outreach in großem Umfang erforderlich wäre. Die USA werden unter Trump nicht auf Deutschland zugehen, das muss andersherum geschehen.

Vor einigen Tagen wurde ein Bericht des deutschen Botschafters in Washington geleakt, in dem dieser mit der Trump-Regierung hart ins Gericht geht. Man wird auf die deutschen Diplomaten derzeit wohl kaum mit offenen Armen warten.
Das macht die komplizierte Lage keineswegs einfacher und wird es vermutlich noch zusätzlich erschweren, Zugänge zur Administration zu bekommen.

Merz hat in seiner Rede etliche konkrete Vorhaben angekündigt. Unter anderem will er ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU anstoßen. Wie realistisch ist es, dass es dazu kommt?
In Merz‘ Rede klang die Sehnsucht nach der Chance durch, die man vor zehn Jahren mit dem gescheiterten Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP verspielt hat. Es wäre gut, wenn es gelänge, die aktuelle Diskussion über Zölle in eine positive Richtung zu drehen. Weg von einem Handelskrieg, hin zu Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen.

Kann das gelingen?
Es ist zu früh, um das zu beurteilen. Aber es ist ein hervorragender Ansatzpunkt für Deutschland und die EU, um auf die USA zuzugehen. Wenn diese Initiative von einem deutschen Bundeskanzler ausgeht, zeigt es, dass Deutschland seiner Führungsverantwortung in Europa gerecht wird und neue Ideen beisteuert.

Trump wird nach Deals suchen, mit denen er sich als Gewinner präsentieren kann. Verhandlungen über ein solches Abkommen könnten eine gute Strategie für Europa sein.

Weiterhin hat Merz angekündigt, sollte er Bundeskanzler werden, eine deutsche Marineflotte in den Indopazifik entsenden zu wollen. Verzettelt sich Deutschland damit?
Das ist nicht einfach zu beantworten, denn es offenbart ein Dilemma. Einerseits ist es für Deutschland wichtig, ein solches Zeichen zu setzen. Es zeigt den USA, dass Deutschland Verantwortung tragen möchte – weltweit und nicht nur in Europa.

Und es ist ein Signal an Verbündete wie Australien, Japan und Südkorea. Deutschland muss auch diese Beziehungen stärken. Eine solche Entsendung kann gegenüber den USA auch als Hebel in der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik dienen.

Andererseits muss man sich bei allen positiven Aspekten, die man diesem Vorschlag abgewinnen kann, auch die Frage stellen: Ist eine deutsche Präsenz im Indopazifik derzeit die oberste Priorität? In einer Zeit, in der das deutsche Militär saniert und ausgebaut werden muss? In der sich entscheidende geopolitische Veränderungen in Europa abspielen? Und da muss das Fazit wohl eher lauten: Die Lage vor Ort in Europa ist derzeit vorrangig.

 

Nota. - Das europäische Verhältnis zu Trump war davon geprägt, dass uns dieser Rüpel mit seinen Holzhacker-Methoden schlicht unsympathisch ist. Das hat ihn bisher nicht gestört und stört ihn jetzt schon gar nicht. Einen schlechten Ruf hat er sowieso, auf den braucht er nicht achtzugeben. Man muss nur seine höchstoffiziel-len neuen Fotos ansehen: Er will aussehen wie ein Sittlichkeitsverbrecher. Er denkt, die beste Taktik für ihn sei immer noch, auf - nun ja - den Putz hauen, dass es spritzt. Andrer Leute Sympathie braucht er nicht. Aber seine Fotos zeigen ganz unerwartet, dass er nicht ohne Humor ist.

Er will Amerika allein stark machen auf Kosten aller andern - und wohl auch gegen alle andern. Dass das riskant ist, beunruhigt ihn nicht, ihn kann überhauptnichts beunruhigen. Uns beunruhigt es schon. Wir müssen den Westen stärken wollen, ohne Amerika geht das nicht. 

Ein operativer Gegensatz wird daraus bei unkluger Taktik.
JE

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