Washington Weekly Newsletter
aus Tagesspiegel, 24. 1. 2025 zu öffentliche Angelegenheiten
Herr Sokol, in seiner außenpolitischen Grundsatzrede an diesem Donnerstag
hat Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der Union, hart mit dem Kurs
der bisherigen Bundesregierung abgerechnet und seine Vision skizziert.
Was ist für Sie aus US-Sicht besonders hervorgestochen?
Der
spannendste Aspekt war für mich Merz‘ Priorisierung. Merz hat gefordert,
dass Deutschland die Beziehungen zu seinen Partnern wieder stärken und
ihr Vertrauen zurückgewinnen müsse. Im Fokus standen für ihn dabei die
Nachbarländer in Europa, vor allem Frankreich und Polen. Von den USA
sprach Merz erst ganz am Ende seiner Rede.
Den Namen Trump hat er nur ein einziges Mal erwähnt.
Friedrich
Merz hat Trumps Taktik verstanden. Trump dominiert gerne Gespräche.
Indem er Dinge überspitzt formuliert, will er sie auf die Agenda setzen.
Nehmen wir das Beispiel Grönland:
Natürlich waren Trumps Äußerungen problematisch. Aber ihm ist es damit
gelungen, die Aufmerksamkeit auf diesen geostrategisch bedeutsamen Ort
zu lenken. Weltweit redet man nun über die Ressourcen Grönlands, seine
sicherheitspolitische Bedeutung und mögliche Risiken durch einen
wachsenden chinesischen Einfluss.
Trumps
Rhetorik gegenüber den transatlantischen Partnern ist eher von
Konfrontation als von Kooperation geprägt. Drückt sich Merz durch seine
Zurückhaltung davor, Trump zu widersprechen?
In der Kommunikation der Trump-Administration herrscht derzeit noch viel Getöse. Trump will seine Verhandlungsposition stärken,
indem er eine Drohkulisse aufbaut. Das gilt für die Gegner der USA wie
auch für die Verbündeten. Ich glaube nicht, dass für Friedrich Merz
aktuell der richtige Moment für Widerspruch ist.
Inwiefern?
Als
möglicher nächster Bundeskanzler muss Merz mit Blick auf die künftige
Zusammenarbeit mit der US-Regierung mit Bedacht vorgehen. Donald Trump
ist von den Amerikanern demokratisch gewählt worden. Im Ausland muss man
mit der Regierung zusammenarbeiten, die im Amt ist. Es bringt nichts zu
sagen, wir hätten aber lieber jemand anderen.“
Merz
hat betont, dass er froh ist, dass die USA eine Demokratie sind und
keine Autokratie. Wie bewerten Sie diese Aussage vor dem Hintergrund der
Schritte, die Trump gegen politische Gegner und kritische Medien
angekündigt hat?
Auch wenn Merz als Bundeskanzler gewählt
werden sollte, wird er vermutlich zurückhaltend sein, was
innenpolitische Angelegenheiten der USA betrifft.
Heißt das, dass die Entwicklungen in den USA nie zur Sprache kommen dürfen? Nein. Aber so etwas macht man in vertraulichen Gesprächen unter vier Augen, nicht in der Öffentlichkeit. Ich denke, dass Merz mit seiner Aussage signalisieren wollte, dass er Vertrauen in die Institutionen und Kontrollmechanismen der USA hat.
Ist dieses Vertrauen derzeit noch angebracht?
Die
US-Demokratie ist stark. Wir müssen auf beiden Seiten des Atlantiks
abwarten, was passiert. Vieles von dem, was Trump derzeit ankündigt, ist
reine Rhetorik. Viele Dekrete, die er unmittelbar nach Amtsübernahme
unterschrieben hat, sind gar nicht umsetzbar, weil sie nicht in die
Kompetenzen des Präsidenten fallen.
An diesem Donnerstag hat ein Gericht zum Beispiel Trumps Dekret zur Staatsangehörigkeit gekippt.
Und
weitere werden folgen. Trumps Dekrete sind quasi wie
„Pressemitteilungen“ zu verstehen. Er kündigt damit eine bestimmte
Linie für seine zweite Amtszeit an. Wohl wissend, dass er für die
Umsetzung vieler Maßnahmen den Kongress brauchen wird.
Welchen Kurs erwarten Sie unter einer möglichen Merz-Regierung gegenüber den USA?
Merz‘
Äußerungen der vergangenen Wochen zum Regierungswechsel in Washington
zeigen, dass er sehr pragmatisch vorgeht. Merz macht sich keine
Illusionen. Er blickt sehr nüchtern auf die Kooperation mit den USA.
Für ihn liegt der Fokus auf den gemeinsamen Interessen zwischen Deutschland, Europa und den USA. Er will sich auf die Themen konzentrieren, bei denen Berlin, Washington und Brüssel eng zusammenarbeiten können. Seine Rede hat gezeigt: Merz begreift die erneute Trump-Präsidentschaft als Chance für Deutschland, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Wie kann das aussehen?
Ich
hoffe, dass egal, wer in Kürze die Regierung in Deutschland übernimmt,
auf die USA zugeht. Meine Sorge ist, dass Deutschland zurzeit zu stark
mit sich selbst beschäftigt ist und die ersten sechs Monate der
Trump-Administration verschlafen wird. Denn die laufen eigentlich
bereits seit dem 6. November, auch wenn die offizielle Amtsübernahme
erst jetzt war.
Deutschland ist in Washington nicht präsent, und das in einem Moment, wo ein Outreach in großem Umfang erforderlich wäre. Die USA werden unter Trump nicht auf Deutschland zugehen, das muss andersherum geschehen.
Vor
einigen Tagen wurde ein Bericht des deutschen Botschafters in
Washington geleakt, in dem dieser mit der Trump-Regierung hart ins
Gericht geht. Man wird auf die deutschen Diplomaten derzeit wohl kaum
mit offenen Armen warten.
Das macht die komplizierte Lage
keineswegs einfacher und wird es vermutlich noch zusätzlich erschweren,
Zugänge zur Administration zu bekommen.
Merz
hat in seiner Rede etliche konkrete Vorhaben angekündigt. Unter anderem
will er ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU anstoßen.
Wie realistisch ist es, dass es dazu kommt?
In Merz‘ Rede
klang die Sehnsucht nach der Chance durch, die man vor zehn Jahren mit
dem gescheiterten Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP verspielt
hat. Es wäre gut, wenn es gelänge, die aktuelle Diskussion über Zölle in
eine positive Richtung zu drehen. Weg von einem Handelskrieg, hin zu
Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen.
Kann das gelingen?
Es
ist zu früh, um das zu beurteilen. Aber es ist ein hervorragender
Ansatzpunkt für Deutschland und die EU, um auf die USA zuzugehen. Wenn
diese Initiative von einem deutschen Bundeskanzler ausgeht, zeigt es,
dass Deutschland seiner Führungsverantwortung in Europa gerecht wird und
neue Ideen beisteuert.
Trump wird nach Deals suchen, mit denen er sich als Gewinner präsentieren kann. Verhandlungen über ein solches Abkommen könnten eine gute Strategie für Europa sein.
Weiterhin
hat Merz angekündigt, sollte er Bundeskanzler werden, eine deutsche
Marineflotte in den Indopazifik entsenden zu wollen. Verzettelt sich
Deutschland damit?
Das ist nicht einfach zu beantworten,
denn es offenbart ein Dilemma. Einerseits ist es für Deutschland
wichtig, ein solches Zeichen zu setzen. Es zeigt den USA, dass
Deutschland Verantwortung tragen möchte – weltweit und nicht nur in
Europa.
Und es ist ein Signal an Verbündete wie Australien, Japan und Südkorea. Deutschland muss auch diese Beziehungen stärken. Eine solche Entsendung kann gegenüber den USA auch als Hebel in der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik dienen.
Andererseits muss man sich bei allen positiven Aspekten, die man diesem Vorschlag abgewinnen kann, auch die Frage stellen: Ist eine deutsche Präsenz im Indopazifik derzeit die oberste Priorität? In einer Zeit, in der das deutsche Militär saniert und ausgebaut werden muss? In der sich entscheidende geopolitische Veränderungen in Europa abspielen? Und da muss das Fazit wohl eher lauten: Die Lage vor Ort in Europa ist derzeit vorrangig.
Nota. - Das europäische Verhältnis zu Trump war davon geprägt, dass uns dieser Rüpel mit seinen Holzhacker-Methoden schlicht unsympathisch ist. Das hat ihn bisher nicht gestört und stört ihn jetzt schon gar nicht. Einen schlechten Ruf hat er sowieso, auf den braucht er nicht achtzugeben. Man muss nur seine höchstoffiziel-len neuen Fotos ansehen: Er will aussehen wie ein Sittlichkeitsverbrecher. Er denkt, die beste Taktik für ihn sei immer noch, auf - nun ja - den Putz hauen, dass es spritzt. Andrer Leute Sympathie braucht er nicht. Aber seine Fotos zeigen ganz unerwartet, dass er nicht ohne Humor ist.
Er will Amerika allein stark machen auf Kosten aller andern - und wohl auch gegen alle andern. Dass das riskant ist, beunruhigt ihn nicht, ihn kann überhauptnichts beunruhigen. Uns beunruhigt es schon. Wir müssen den Westen stärken wollen, ohne Amerika geht das nicht.
Ein operativer Gegensatz wird daraus bei unkluger Taktik.
JE
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