zu Geschmackssachen, aus Rohentwurf
Ästhetische Wahrnehmung unterscheidet
sich phänomenal von andern Arten des Wahrnehmens dadurch, daß hier das
Zur-Kenntnis-Nehmen von Sinnesdaten "uno actu" zusammenfällt mit
deren Bewertung; während beim 'verständigen' Wahrneh-men die Sinnesdaten zunächst
in Hinblick auf Begriffe (=vorgegebene Bedeutungs-komplexe) geordnet, und erst
danach einem Urteil unterzogen werden. Das ästheti-sche Wahrnehmen erscheint
insofern als primitiv, mindestens naiv, gegenüber dem sachlichen Verstehen von 'Etwas'.
Aber das ist eine optische Täuschung. Für den Verstand (cognitio) liegt die 'Wertigkeit' in der relatio des jeweils Wahrgenomme-nen mit anderen, früher
Wahrgenommenen; und muß also, qua Reflexion, erst er-dacht werden: nachträglich.
Fürs ästhetische Wahrnehmen liegt der 'Wert' dagegen in der qualitas des Wahrge-nommenen - und die
"zeigt sich" als solche. (Wenn Max Scheler sagt, 'Wertneh-mung
geht der Wahrnehmung voran', dann heißt das nur, daß sich die ästhetische
Wahrnehmungsweise apriori "immer schon" ins verständige Wahrnehmen
einge-schlichen hat - welches aposteriori kommt und allenfalls versuchen kann,
erstere kritisch zu exorzisieren.)* Insofern ist ästhetisches Wahrnehmen nicht 'primitiv',
sondern 'fundierend'; wenn auch nicht in jeglicher Hinsicht brauchbar.
*Nachtrag 2014
Historisch wird es andersherum gewesen sein. Das die Familie Homo vor allen Tieren auszeichnende poietische Vermögen, nämlich die Fähigkeit überhaupt, Qua-litäten als solche aufzufassen, zu werten und gegeneinander zu gewichten, hat sich mit dem Übergang zu Sesshaftigkeit und Ackerbau,
mit dem Aufkommen der Ar-beitsgesellschaft, zum verständigen Kalkül
der kurz- und langfristigen Vor- und Nachteile vereinseitigt: zum
Verstand. Darüber hinausgehende Urteile über das Gu-te und Schöne wurden
als feiertäglicher Luxus beiseitegetan und als legitimierendes Privileg
von den herrschenden Klassen usurpiert. Mit der Entfaltung der
Arbeits-gesellschaft zur Großen Industrie hat sich die Nützlichkeit dann
auch die inzwi-schen herrschende Klasse, die Bourgoisie, ganz unterworfen
und hat der Vorteil auch Ethik und Ästhetik durchsetzt; sie überlebten
als Erbauung und Erholung vom geschäftigen Alltag.
Mit der Folge, dass ästhetisches Wahrnehmen heute einen besondern Akt der Reflexion voraussetzt.
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Nota. Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
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