Montag, 2. Dezember 2024

Die Grenzen meiner Welt sind die Grenzen meiner Sprache.

Kopf aus Buchstaben
aus scinexx.de, 29. 11. 2024          Wie beeinflusst unsere Sprache unser Denken und Fühlen?   z
uJochen Ebmeiers Realien

Die Grenzen meiner Sprache
Der Theorie zufolge bestimmt unsere Muttersprache auch unsere Weltsicht und sogar unsere Moral und unsere Emotionen. Doch wie blicken dann zweisprachige Menschen auf die Welt? In welchem Maß beeinflusst die Sprache unser Denken wirklich? Und aus welchem Grund existiert überhaupt ein Zusammenhang zwischen den beiden kognitiven Vorgängen?

„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ Mit diesem Zitat betont Ludwig Wittgenstein die enge Verbindung zwischen Sprache, Kultur und Denken. Die Idee: Erst, wenn wir einen Begriff für ein Konzept kennen, können wir es verstehen. Denn einer gängigen Theorie zufolge lenkt die individuelle semantische Struktur und der Wortschatz einer Sprache die Aufmerksamkeit auf bestimmte sprachlich hervorgehobenen Aspekte, oder kurz: Die Sprache bestimmt das Denken.

Wie formt die Sprache unsere Wahrnehmung von Raum und Zeit?
Das Auto steht nördlich vom Baum

Laut der Sapir-Whorf-Hypothese wird unsere Wahrnehmung von dem Wortschatz und der Grammatik unserer Muttersprache beeinflusst. Wenn ich beispielsweise mehrere Begriffe für unterschiedliche Blautöne kenne, kann ich diese auch besser auseinanderhalten. Die semantischen Strukturen von Sprachen prägen sogar die Wahrnehmung der grundlegenderen Dimensionen wie Zeit und Raum.

Mehrsprachiges Straßenschild
Beeinflussen unterschiedliche Sprachen auch das Denken? 
Osten, statt links

Beispielsweise würden die meisten Kulturen sagen, dass eine Tasse links von der Milch und ein Stuhl links vom Tisch steht. Dadurch bestimmen sie die Position dieser Objekte relativ zum eigenen Standort: Von der anderen Seite des Tischs betrachtet befindet sich der Stuhl jedoch rechts, statt links vom Tisch. Die sogenannten absoluten Orientierungsrichtungen Norden, Osten, Süden und Westen nutzen die meisten Kulturen hingegen erst bei weiteren Entfernungen.

Doch der australische Aborigine-Stamm der Guugu Yimithirr nutzt immer die Himmelsrichtungen zur räumlichen Orientierung. Um eine Person als vor dem Baum stehend zu beschreiben, würde ein Guugu Yimithirr beispielsweise sagen „George steht nördlich vom Baum“, um zu erklären, wo der Tabak liegt: „Ich habe ihn am südlichen Rand des westlichen Tisches in deinem Haus liegen lassen“, oder, um einen Bekannten aufzufordern, den Camping-Gasherd auszuschalten: „Dreh den Knopf bitte nach Westen.“

Google Maps im Kopf

Gleichzeitig orientieren sich die Guugu Yimithirr an neuen Orten besser als Menschen aus Kulturen mit relativem Orientierungssystem. Sie können beispielsweise auch Tage nach einem Besuch in einem fensterlosen Gebäude noch genaue Auskunft über die Ost-West-Ausrichtung der Räume und die Himmelsrichtung des Standorts einzelner Personen im Raum geben. „Und auch nachts in einem fahrenden Fahrzeug auf einer kurvigen Straße können sie jederzeit genau auf die Himmelsrichtungen zeigen“, berichtet Steven Levonson vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik.

Die Guugu Yimithirr scheinen zu jeder Zeit eine mentale Karte der Welt inklusive der Himmelsrichtungen in sich zu tragen und diese bei Fortbewegung konstant anzupassen. Forschende vermuten, dass sie diese kognitive Fähigkeit wegen ihres kommunikativen Fokus auf die Himmelsrichtungen von klein auf erlernen und dass auf diese Weise die Sprache des Aborigine-Stammes deren Weltbild beeinflusst.

Buch mit blätternden Seiten
Wer von links nach rechts liest, sieht auch die Zeit so verlaufen.
Verläuft die Zeit für manche Kulturen von Osten nach Westen?

Diese absolute räumliche Orientierung und deren Kommunikation beeinflussen auch das Zeitverständnis der Aborigines, wie ein Team um Alice Gaby von der University of California in Berkeley feststellte. In einer Studie legten sie den Probanden mehrere Fotos vor, die ein Objekt im Zeitverlauf, beispielsweise eine alternde Banane, zeigten. Die Testpersonen sollten die Bilder in die richtige Reihenfolge bringen. Und siehe da: Die Aborigines arrangierten den Zeitverlauf der Bilder immer von Osten nach Westen.

Das Forschungsteam testete auch Angehörigen anderer Kulturen. Es zeigte sich, dass Angehörige von Kulturen, die Schrift von rechts nach links lesen, wie beispielsweise arabisch- oder hebräischsprachige Menschen, auch die Bilder so anordneten, dass die Vergangenheit rechts und die Zukunft links von ihnen lag. Für Menschen aus Deutschland, England oder Russland hingegen verläuft Zeit genau in die andere Richtung – von links nach rechts.

Kinder gebärden
Nicht alle Gebärdensprachen enthalten Zahlen.
Kein Mathe ohne Zahlwörter

Der Einfluss der Sprache erstreckt sich auch auf das Verständnis von Zahlen und Mengen. Demnach beeinflusst das Fehlen von Zahlwörtern in einer Sprache, ob und wie gut die Sprechenden Zahlen und ihren relativen Wert erkennen. Das stellten Forschende in einem Experiment mit gehörloisen Testpersonen fest, die keine offizielle Gebärdensprache erlernt haben und stattdessen anhand von ausgedachte Gebärden kommunizieren – dadurch kannten die getesteten sogenannten Homesigners lediglich die Gebärden für die Zahlworte „eins“, „zwei“ und „drei“, höhere Zahlen konnten sie nicht ausdrücken.

Es zeigte sich, dass die Homesigners diese Zahlen nicht nur nicht ausdrücken konnten, sondern auch nicht in der Lage waren, einfache Mengenvergleiche anzustellen. Als Ursache des Problems sehen die Forschenden, dass der Mangel an Zahlwörtern im Gebärdengebrauch auch das Verständnis der Gehörlosen begrenzte. „Es sind nicht nur die Vokabeln wichtig, sondern das Verständnis für die Beziehungen, die den Worten unterliegen – die Tatsache, dass ‘acht’ mehr ist als ‘sieben’ und einer weniger als ‘neun’“, erklärt Susan Goldin-Meadow von der Universität von Chicago.

Sind Grenzen der Sprache die Grenzen des Denkens?
40 Worte für Muschel

Nicht alle Sprachen sind gleich. Im Russischen existiert beispielsweise nur ein Wort für Arm und Hand, „ruka“. Englische Muttersprachler bezeichnen sozial unangenehme Situation mit dem Begriff „awkward“ besonders treffend. Und in den Turksprachen sind Cousinen und Cousins das gleiche wie „Brüder“ und „Schwestern“ – so teilen die Sprachen die Realität durch sprachliche Kategorien, Begriffe oder Abgrenzungen unterschiedlich ein.

Blick über Papua-Neuguinea
In Papua-Neuguinea gibt es für manche Pflanzen mehr Beschreibungen als im Deutschen.
40 Namen für Muschel

Doch wie beeinflussen diese verschiedenen sprachlichen Kategorisierungen das Weltbild der Sprechenden? Eine Antwort auf diese Frage bietet eine Studie von Ulrike Mosel von der Universität Kiel. Die Linguistin reiste auf eine Insel in Papua-Neuguinea und sammelte dort die unterschiedlichsten Beschreibungen zu Fischfang, Bootsbau und der heimischen Pflanzenwelt der lokalen Sprache Teop inklusive Übersetzungen in einem Lexikon.

Zu diesen Beschreibungen zählten auch rund 40 verschiedene Übersetzungen für das englische Wort Shell, zu Deutsch Muschel. „Kinder, die nur Pidgin-Englisch sprechen, kennen keinen einzigen dieser Namen – für sie heißt jede Muschel ’shell‘, egal wie sie aussieht. Kinder, die Teop sprechen, lernen dagegen, Dutzende Muscheln zu unterscheiden,“ berichtet Mosel. Je mehr Begriffe die Kinder kennen, desto genauer nahmen sie die Unterschiede zwischen den Muscheln wahr, wie die Forscherin beobachtete.

blaue Farbpigmente
Im Russischen existieren zwei separate Worte für „blau“. 
Wer erkennt die Farbe schneller

Ähnliches zeigt sich bei der Farbwahrnehmung: Im Russischen existieren zwei Begriffe für das Farbwort „blau“, nämlich „goluby“ für helle Blautöne und „sinij“ für dunklere Blautöne. Wie das die Farbwahrnehmung von russischsprachigen Menschen beeinflusst, hat ein Team um Jonathan Winawer vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) untersucht (doi: 10.1073/pnas.0701644104). Dafür präsentierten sie russischen und englischen Muttersprachlern drei unterschiedliche Blautöne in einer Reihe. Die Probanden sollten jeweils zuordnen, welcher der äußeren Blautöne dem mittleren am meisten ähnelte.

„Wir fanden heraus, dass russische Muttersprachler schneller darin waren, zwei Farben zu unterscheiden, wenn diese in unterschiedliche sprachliche Kategorien im Russischen fielen – also „siniy“ oder „goluboy“ – als wenn beide aus derselben sprachlichen Kategorie stammten“, berichtet Winawer. Bei englischen Muttersprachlern blieb dieser Effekt hingegen aus. „Sprecher einer Sprache, in der zwei Farben denselben Namen tragen, empfinden diese Farben auch als ähnlicher und verwechseln sie eher im Gedächtnis als Personen, deren Sprache den beiden Farben unterschiedliche Namen zuweist“, so Winawer.

Brücke im Grünen
Ist diese Brücke schön? Oder eher eindrucksvoll? 
Die Brücke – elegant oder solide?

Auch das grammatikalische Geschlecht von Begriffen beeinflusst, wie Sprechende das bezeichnete Objekt wahrnehmen: In einer Studie hatten deutsche und spanische Muttersprachler die Aufgabe, das Wort „die Brücke“ jeweils mit Adjektiven zu beschreiben. Der Clou: „Die Brücke“ ist in der deutschen Sprache grammatikalisch weiblich, ihr spanisches Pedant „el puente“ ist hingegen grammatikalisch männlich.

Es zeigte sich, dass deutschsprachigen Testpersonen „die Brücke“ tatsächlich eher mit stereotyp femininen Adjektiven wie „schön”, „elegant”, „friedlich” und „hübsch” beschreiben, während „el puente“ für die Spanier Assoziationen wie „groß”, „gefährlich”, „lang” und „solide” hervorrief. Doch wenn die Muttersprache das Weltbild der Sprechenden derart beeinflusst – wie blicken dann zweisprachige Menschen auf die Welt?

Denken Bilinguale auf beiden Sprachen unterschiedlich?
Auf Spanisch bin ich selbstbewusster

Zweisprachig aufgewachsene Menschen haben viele Vorteile: Zum einen beherrschen sie gleich zwei Sprachen auf muttersprachlichem Niveau. Zum Anderen filtern sie Stimmen präziser aus einem Gewirr von Stimmen und Musik heraus und können sogar Prioritäten besser setzen, als einsprachig aufgewachsene Menschen, wie Studien ergeben haben.

Personen unterhalten sich am Tisch
Wer bilingual aufgewachsen ist, kann Geräusche besser filtern

Weil zweisprachige Menschen permanent zwischen zwei Sprachen hin- und herwechseln, laufen bestimmte mentale Filterungsprozesse, wie die Entscheidung, welche von zwei Vokabeln oder Grammatiken gerade die richtige ist, bei ihnen schneller ab als bei Menschen, die eine Zweitsprache erst in der Schule oder als Erwachsene gelernt haben. „Es ist nicht überraschend, dass intensive und jahrelange Übung einer Sprache seine Spuren in unserem Geist und Gehirn hinterlässt“, so Ellen Bialystok von der York University in Toronto.

Getrennte Wahrnehmungssysteme

Und auch die individuellen Laute einer Sprache, wie etwa das „th“ im Englischen, können zweisprachig aufgewachsene Menschen besser artikulieren und unterscheiden. Die Erklärung: Sie entwickeln bereits als Kinder für ihre beiden Muttersprachen zwei komplett getrennte Lautwahrnehmungssysteme und nehmen deshalb Klänge und Silben je nach aktivem System leicht unterschiedlich wahr, wie Linguisten herausgefunden haben.

Bilinguale Person
Zweisprachige nutzen zwei getrennte Lautsysteme. 

Abhängig davon, welche Sprache sie gerade erwarten, schalten die bilingualen Personen dann in den entsprechenden Wahrnehmungsmodus. „Wenn man einen Zweisprachigen in den Englisch-Modus versetzt, verhält er sich wie ein Englisch-Sprechender“, erklärt Andrew Lotto von der University of Arizona. Umgekehrt wechselt die Person in den Spanisch-Modus, wenn sie spanische Wörter erwartet.

Bin ich auf Spanisch jemand anderes?

Dieser adaptive Modus scheint sich ebenfalls auf das Verhalten von bilingualen Menschen auszuwirken: In einem Experiment berichteten spanisch-englischsprachig aufgewachsene Frauen beispielsweise, dass sie sich im Spanischen selbstbewusster fühlten als im Englischen. Externe Beobachter bestätigten dies: „Bei den Sitzungen in spanischer Sprache nahmen auch neutrale Zuschauer die Frauen im Experiment als selbstständiger und extrovertierter wahr“, berichtete David Luna vom Baruch College in New York.

Anschließend zeigten die Forschenden den Probandinnen einen Werbespot – zuerst in Englisch und dann später auf Spanisch. „Eine Teilnehmerin sah die Hauptfigur einer Anzeige in der spanischen Version als risikobereite, unabhängige Frau, während sie dieselbe Figur in der englischen Version als hoffnungslose, einsame und verwirrte Frau wahrnahm“, berichtet Luna – je nachdem, auf welcher der beiden Sprachen der Spot lief, bewerteten die Probandinnen die Schauspielerin im Spot also unterschiedlich.

Mann läuft Straße herunter
Läuft dieser Mann einfach die Straße entlang? Oder doch zielgerichtet auf etwas zu?
Auf Deutsch zielorientierter

Selbst die Abfolge von Geschehnissen können bilinguale Menschen je nach Sprachmodus offenbar anders wahrnehmen – zumindest, wenn sie zwischen Deutsch und Englisch wechseln. Denn während im Englischen die angehängte Endgung -ing, wie etwa bei „I am walking“ anzeigt, dass eine Handlung in just diesem Moment passiert und noch andauert, fehlt eine solche Form im Deutschen. „Deshalb neigen Sprecher dieser Sprache dazu, Endpunkte und Zeitangaben einer Handlung zu erwähnen, um die Abfolge klarzumachen“, erklärt Panos Athanasopoulos von der Lancaster University.

Um diesen Effekt genauer zu untersuchen, spielten Forschende zweisprachig mit Deutsch und Englisch aufgewachsenen Probanden in einem Experiment einen Videoclip vor, in welchem ein Mann eine Straße in Richtung eines Autos entlangläuft. Ob er dieses tatsächlich ansteuert, blieb in dem Clip allerdings offen.

Und tatsächlich: Bei der Beschreibung des Gesehenen interpretierten Deutschsprachige den Mann als zielorientierter ein. Sie gingen meist davon aus, dass er gezielt auf das geparkte Auto zuging. Bei englischen Muttersprachlern war dies nicht der Fall. Die bilingualen Probanden hingegen bewerteten die Handlung je nach genutzter Sprache anders: Lief der Test in Deutsch ab, stuften sie die Handlung als zielorientiert ein, wurde Englisch gesprochen, reagierten sie wie englische Muttersprachler.

Wie ist die Vielfalt an Sprachen und Kulturen entstanden?
Sprache als Spiegel der Umwelt

In der deutschen Sprache entstehen regelmäßig neue Begriffe – oft als Lehnwörter aus dem Englischen, aber auch aus Akronymen oder anderen Verkürzungen. „Handy“, „LOL“ oder „cringe“ sind einige dieser moderneren Wortschöpfungen. Denn auch die aktuelle Kultur beeinflusst die Sprache, in den letzten Jahren und Jahrzehnten trug unter anderem die Einführung des Internets und sozialer Medien zum Sprachwandel bei.

Die Frage, ob eher die Sprache eher das Denken oder aber Denken und Kultur die Sprache beeinflussen, ist deshalb schwer zu beantworten und entspricht fast einem Henne-Ei-Problem der Linguistik. Wahrscheinlich beeinflussen sich diese beiden kognitiven Prozesse gegenseitig und hängen schon seit Jahrtausenden auf komplexe Weise voneinander ab. Doch wo liegt der Ursprung dieses soziokulturellen Sprachwandels?

Karte Ausbreitung indogermanischer Sprachen
Die weite Ausbreitung der indogermanischen Sprache. 
Wie aus 200 Sprachen 7.000 wurden

Tatsächlich gehen Forschende derzeit von 200 bis 300 Ursprungssprachen aus, aus denen sich im Laufe der Zeit die heutigen Sprachen entwickelten. Eine dieser sogenannten Protosprachen ist das Indoeuropäische oder Indogermanische, die als der Vorläufer von Deutsch, Italienisch, Griechisch oder Urdu und Sanskrit gilt. Heute haben sich aus diesen Wurzeln je nach Schätzung etwa 7.000 aktive Sprachen entwickelt.

Eine weitere Ursache für die weite Verbreitung einiger Sprachfamilien sind historische Ereignisse: Unter anderem strömten vor rund 5.000 Jahren eurasische Steppennomaden nach Europa, die neben kulturellen Neuerungen auch die indogermanische Sprache nach Europa brachten. Doch wie entstand aus diesem Ur-Indoeuropäischen dann die vielen verschiedenen Sprachen im heutigen Europa?

Eine Erklärung sind sogenannte Drifts – zufällige Änderungen in der Sprache, etwa weil einige Personen bestimmte Worte präferieren oder anders aussprechen als bisher. „Doch der reine Drift recht nicht aus, um einen erheblichen Teil der sprachlichen Vielfalt zu erklären“, erklärt Christian Bentz von der Universität Tübingen. „Ein Verständnis der globalen sprachlichen Vielfalt ist deshalb nicht möglich, ohne die physischen und sozialen Umstände der Sprachbenutzer zu analysieren.“

Steppenreiter
Stammt unser sprachliches Erbe von den Steppenreitern? 
Die Umwelt prägt die Sprache

Ein Faktor kann beispielsweise das Klima sein. Denn auch dieses kann auf unterschiedliche Weise die Sprachentwicklung fördern: Die Frage, ob Sprachen eher volltönend laut oder leise und von vielen stimmlosen Konsonanten geprägt sind, hängt beispielsweise von den lokalen Temperaturen ab, wie eine Studie kürzlich ergeben hat. „Vereinfacht gesagt, sind Sprachen in wärmeren Regionen lauter als die in kälteren Regionen“, berichtet Søren Wichmann von der Universität Kiel. Der Grund dafür ist die unterschiedlich gute Übertragung von stimmlosen Konsonanten und volltönenden Vokalen in warmer beziehungsweise kalter Luft.

Außerdem beeinflussen unterschiedliche Umweltbedingungen auch die Tonalität von Sprachen. Beispielsweise haben Linguisten festgestellt, dass Sprachen mit komplexen Tonhöhen-Modulationen häufiger in feuchten Tropen vorkommen, während nicht-tonale Sprachen eher in trocken-kalten Gebieten wie Deutschland entstehen. Sie vermuten, dass die trockene Luft dahintersteckt, weil ein trockener Kehlkopf die subtilen Modulationen der tonalen Sprache schwerer umsetzen kann.

Umwelt als Kern der Sprachentwicklung?

Während einige Sprachfamilien mittlerweile von zahlreichen Menschen gesprochen werden und sich über weite Gebiete erstrecken, sind andere Sprachfamilien vergleichsweise klein geblieben. Eine Erklärung ist die Geografie. Demnach ist die Sprachdiversität in bestimmten geografischen Zonen, beispielsweise entlang von Küstenlinien und in gebirgigen Regionen, größer als an anderen Orten der Welt.

Karte Verbreitung Tonalsprachen
In den Orten mit roten Punkten werden Tonalsprachen gesprochen.

„Die Erklärung für die Vielfalt in Küstengebieten ist einfach“, sagt Johanna Nicols von der University of Berkeley in Kalifornien. „Die Küste bietet das ganze Jahr über proteinreiche Nahrung und Meeresströmungen mildern zudem klimatische Extreme. Außerdem vereinfacht die Küste bestimmte Handelsverbindungen und ermöglicht so wirtschaftliche Selbstversorgung für kleine Gruppen auf kleinen Territorien.“ Die hohe Sprachvielfalt in Gebirgsregionen lässt sich laut der Linguistin durch die die geografische Isolation in Bergen erklären: Diese verhindert große Bevölkerungsbewegungen, erschwert wirtschaftliche Integration und schafft Rückzugsgebiete – so entstehen mit der Zeit viele getrennte Stämme mit unterschiedlichen Sprachen.

Gebiete mit günstigen Klimabedingungen für die Landwirtschaft, in denen Pflanzen über lange Zeiträume wachsen, scheinen ebenfalls eine größere Anzahl von Sprachen zu unterstützen – umgekehrt existieren in landwirtschaftlich ungünstigen Klimazonen weniger Sprachen. „Die Sprachdichte wird zudem von ökologischen Risiken beeinflusst“, erklärt Bentz. Seiner Ansicht nach unterschätzen viele Theorien noch den Einfluss von geografischen Faktoren auf die Sprachentwicklung.

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