aus spektrum.de, 23.12.2024 zu Jochen Ebmeiers Realien
Soziale Kognition
Ameisen profitieren von Teamarbeit mehr als Menschen
Manche
Probleme lassen sich in der Gruppe besser lösen als allein, etwa
sperrige Gegenstände durch enge Öffnungen zu manövrieren. Ameisen
stellen sich bei solchen Aufgaben umso geschickter an, je mehr Helfer
sie haben – anders als Menschen
Ameisen verfügen über eine ausgeprägte soziale Kognition – viele Aufgaben erledigen sie in der Gruppe. In bestimmten Bereichen kann ihre Teamfähigkeit sogar jene von Menschen übertreffen, wie eine Arbeitsgruppe um Ofer Feinerman vom Weizmann Institute of Science im israelischen Rehovot herausgefunden hat.
Die Fachleute ließen jeweils verschieden große Gruppen von Menschen und von Ameisen der Art Paratrechina longicornis einen T-förmigen Gegenstand durch zwei hintereinanderliegende Türen manövrieren. Die Form des Objekts und die Geometrie der Räume stimmte bei allen Teams überein, nur die Größe variierte entsprechend der Zahl der Mitstreiter und der Körpermaße. Bei den Ameisen war der Gegenstand zudem vorher in Katzenfutter gelagert und mit Thunfisch eingerieben worden, um die Tiere dazu zu motivieren, ihn durch die beiden Öffnungen zum Nest zu transportieren.
Die Ameisen mussten die Aufgabe entweder allein erledigen oder in Gruppen von 7 oder 80 Tieren. Die menschlichen Probandinnen und Probanden waren in Einzelpersonen, sechs bis neun Personen starke Teams oder in Gruppen mit 16 bis 26 Teilnehmern aufgeteilt. Von den Menschenteams wiederum erhielt die Hälfte die Anweisung, weder zu sprechen noch zu gestikulieren. Sie trugen zudem Masken und Sonnenbrillen, damit ihre Kommunikationsmöglichkeiten jenen der Ameisen ähnelten.
Das »Klavierträgerproblem« | Eine Gruppe von Ameisen (oben) und eine
Gruppe von Menschen (unten) manövrieren jeweils ein T-förmiges Objekt
durch zwei aufeinander folgende Türen
Kleines Gehirn macht soziale Kognition bedeutsamer
Die Fachleute verfolgten die Bewegung der Last und analysierten den
zurückgelegten Weg und die Erfolgsquote. Dabei stellten sie fest, dass
große Ameisengruppen deutlich besser abschnitten als einzelne Tiere oder
kleine Gruppen. Bei den in ihrer Kommunikation eingeschränkten Menschen
dagegen stellten viele Mitstreiter keinen Vorteil dar, im Gegenteil:
Große Gruppen lösten die Aufgabe schlechter als Einzelpersonen. Sobald
die Teilnehmer miteinander sprechen durften, stieg ihre Leistung
allerdings stark an. Eine einzelne Person schnitt zudem immer besser ab
als eine einzelne Ameise. Große Ameisengruppen übertrafen aber teils
sogar die menschlichen Teilnehmer.
Feinerman und seine Kolleginnen und Kollegen schließen daraus, dass ein kleines Gehirn wie das von Ameisen deutlich stärker auf Kooperation angewiesen ist als das komplexe Menschenhirn. Deshalb hätten die Tiere eine besonders effiziente soziale Kognition entwickelt. Menschen dagegen können dank ihres hoch entwickelten Nervensystems viele Aufgaben allein bewältigen. Um erfolgreich mit anderen zu kooperieren, benötigen sie allerdings eine ausgefeilte Kommunikation.
Nota. - Adorno hat sich abschätzig über die Karriere des Kommunikations-Begriffs geäußert. Es ist ja auch offenbar: Wo immer nur 1+1+1+1+1... addiert würde, wäre ein logischer Aufstieg gar nicht denkbar; es würde Alles immer mehr - aber wann auch besser?
Und psycho logisch geht bei jedem Kommunikationsschritt ein bissel content ver-loren.
Mit dem Einbruch des Internet wurde die Mystifikation bis ins Okkulte getrieben: Schwarmintelligenz wurde zu einem Parteiprogramm.
Gewiss sind Intelligenz und Kommunikation keine Antagonisten. Aber einfach komplementär sind sie anscheinend auch nicht. Vielmehr bleibt bloße Kommuni-kation stets auf Ameisenniveau, doch wo immer eine Steigerung erforderlich wird, muss Intelligenz... dazukommen? Nein: drüber hinaus gehen.
JE
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