Die Unterscheidung meiner Welt von unserer Welt ist mir nicht
bei transzendentalem Räsonnieren eingefallen, sondern in meinem alltäglichen pädagogischen Erwerbsberuf. Ob sie in die Transzenden-
talphilosophie gehört, habe ich mich erst viel später gefragt. Und siehe da: Es ist überhaupt erst sie, die der Erziehungstätigkeit ihre kritische, d. h. transzendentale Rechtfertigung verleiht; ohne sie wäre sie bloße erwachsene Willkür.
aus Die Grenzen der pädagogischen Evernunft
Man kann ‚die Welt’ von
einem partikularen Standpunkt aus ansehen. Je partikularer die ‚Welt’,
von der die Rede ist, umso spezifischer der Akt des Zeigens. Die ‚Welt
des Soldaten’ ist zwar eine besondere Welt, aber sie ist ‚allgemein’,
weil ‚Soldatsein’ keine besondere Verrichtung, sondern eine besondere
‚Seinsweise’ ist; Soldat ist man auch nach Feierabend. Das ist nicht
Einweisung in Strategie und Taktik, nicht Waffenkunde, nicht dies oder
das, sondern ein ‚ganzes Universum’, wenn auch ein besonderes.
„Pädagogik“ heißt hier
‚Menschenführung’, hat aber mit Kindern nichts mehr zu tun und sollte
Andragogik heißen. Die ‚Welt der Physik’ ist dagegen kein Univer-sum,
sondern nur ein Ausschnitt: aus der ‚Welt der Wissenschaft’, gar nur der
‚Welt der (‚exakten’) Naturwis-senschaften’. Diese hochspezialisierte
Welt einem Neuling zeigen ist eine höchst spezifische Tätigkeit, die man
von Rechts wegen Lehre nennt. Erst hier gilt: ‚Die Grenze meiner
Sprache ist die Grenze meiner Welt’.
Je allgemeiner die Welt, um die es geht, umso eher ist von Bildung, je spezifischer die Welt, umso richtiger ist von Lernen die Rede. Merke: Die allgemeinste Welt – die, die den Meisten zugänglich ist – ist die natürliche Welt der natürlichen Spra-chen; die Welt, in denen nur Kin-der ‚neu’ sind.
Alle Kinder werden irgendwie heranwachsen; dazu brauchen sie keine Professionel-len. Professionelle braucht es, um ihnen das "Symbolnetz" zu überliefern, in dem unsere ganze Welt dargestellt ist: weil das Allgemeinwissen der Menschheit so um-fangreich und dabei so komplex geworden ist, daß es nicht mehr einfach in jeden-kinds Alltag „vorkommt“ und man einfach nur, jeder an seiner Statt, dort hinein-wachsen müßte, learning by doing. Ihre Mitteilung bedarf einer reservierten Zeit außerhalb der Alltagsgeschäfte und einer speziellen Methode, denn natürlich kann nicht jedem alles und schon gar nicht alles zugleich überliefert werden. Aber die Schule privilegierte jene ‚Symbolnetze’, die sich zu diskursiver Verknüpfung eignen. Das war mit dem Schlagwort der ‚Verwissenschaftlichung’ gemeint, das den päda-gogischen Diskurs seit den sechziger Jahren prägte. Verwissenschaftlichung bezieht sich per Definition auf den Bereich des sogenannten ‚Herrschaftswissens’. Anderes fällt nicht in ihren Bereich. Daß seither ‚Lernen’ zum Schlüsselbegriff staatlicher Pädagogik wurde und ‚Bildung’ wie ein Zopf abgeschnitten ward, ist nur folgerich-tig. Quod erat demonstrandum: Das gegenwärtige Schulsystem ist entstanden und behauptet sich als ein Produkt und eine Bedindung der industriellen Arbeitsteilung. Aber die Arbeitsgesellschaft und ihre Industrie sind am Vergehen.
Nota. - Das alles fällt unter Anthropologie. Mit Transzendentalphilosophie hat es nur sofern zu tun, als diese die Fragen stellt, zu denen jene die Antworten sucht.
11. 9. 13
Nota.
Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden.
Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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